LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11987 26.11.2020 Datum des Originals: 26.11.2020/Ausgegeben: 02.12.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4643 vom 30. Oktober 2020 des Abgeordneten Marcus Pretzell FRAKTIONSLOS Drucksache 17/11642 Einschränkende Maßnahmen bis zur Impfstoffzulassung – und dann? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit dem Frühjahr wird das öffentliche Leben von Maßnahmen zur Begrenzung der SARS- CoV-2 Infektionen bestimmt und die Welt wartet auf die Zulassung eines Impfstoffs. Mehrere potentielle Impfstoffe befinden sich in fortgeschrittenen Phasen der klinischen Studien.1 Die Weltbevölkerung könne nach Ansicht der COVID-19-Beauftragten der WHO nur durch umfangreiche Impfungen vor dem SARS-CoV-2 geschützt werden.2 Da viele Menschen sterben würden, sei es gefährlich, eine Herdenimmunität auf natürlichem Wege zu erreichen. Eine Umfrage im Sommer 2020 des Weltwirtschaftsforums ergab, dass ein Drittel der Deutschen auf die Aussage, ob sie sich impfen lassen würden, wenn es einen Impfstoff für COVID-19 gäbe, mit „eher nicht“ oder „nicht“ antworteten.3 Als Gründe werden für diese Entscheidung Sorgen vor Nebenwirkungen und Zweifel an der Effektivität genannt. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov zufolge würden sich 49 Prozent impfen lassen und 26 Prozent vielleicht.4 Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt mit einer Bereitschaft zur freiwilligen Impfung von 70 Prozent zu ähnlichen Ergebnissen, wobei in der Frage mögliche Nebenwirkungen und eine Unwirksamkeit der Impfung ausgeschlossen wurde.5 Gegen eine mögliche Impfpflicht sprechen sich dem DIW folgend die Hälfte der Befragten aus. Teile der Bevölkerung befürchten schon länger, dass es eine Impflicht geben wird. Zumindest wird bislang eine Impfpflicht von der Bundesregierung verneint.6 Sie sei zuversichtlich, dass eine ausreichend hohe Impfquote freiwillig erreicht werde. 1 Vgl. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/09/30/curevac-startet-mitnaechster -impfstoff-phase (abgerufen am 28.10.2020) 2 Vgl. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/116050/WHO-Herdenimmunitaet-bei-Coronavirus-nurdurch -Impfung-sicher (abgerufen am 28.10.2020) 3 Vgl. https://www.weforum.org/agenda/2020/09/covid-19-coronavirus-vaccine-opinion-survey/ (abgerufen am 28.10.2020) 4 Vgl. https://yougov.de/news/2020/06/03/jeder-zweite-wurde-sich-gegen-corona-impfen-lassen/ (abgerufen am 28.10.2020) 5 Vgl. https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.801201.de/diw_aktuell_54.pdf (abgerufen am 28.10.2020) 6 Vgl. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/coronavirus-impfung-1788988 (abgerufen am 28.10.2020) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11987 2 Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4643 mit Schreiben vom 26. November 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister des Innern und der Ministerin für Schule und Bildung beantwortet. 1. Bei welchen Pharmakonzernen wurden von der Landesregierung gegebenenfalls in Verbindung mit der Bundesebene bereits Impfstoffdosen vorbestellt? Bitte die jeweilige Menge mit angeben. Die Beschaffung und Finanzierung von zugelassenen Impfstoffen gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 erfolgt über den Bund. Auf Landesebene sind daher keine eigenen Vereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmen getroffen worden. Die EU-Kommission hat mit vier Impfstoffherstellern Verträge geschlossen. Dies sind Astra Zeneca (Option für den Ankauf von 300 Mio. Dosen), Sanofi-GSK (300 Mio. Dosen), Johnson&Johnson (200 Mio. Dosen) und BioNTech und Pfizer ( bis zu 300 Mio. Dosen). Darüber hinaus wurden Vorgespräche mit CureVac und Moderna erfolgreich abgeschlossen. Die Impfstoffdosen werden entsprechend des Bevölkerungsanteils auf die Mitgliedsstaaten der EU verteilt. 2. Wie hoch müsste nach Ansicht der Landesregierung eine freiwillige Impfquote sein, damit eine Herdenimmunität durch Impfungen erreicht wird? Wie hoch eine Impfquote zur Erreichung einer Herdenimmunität sein muss, hängt neben der Infektiosität des Erregers unter anderem auch von der Durchseuchung der Bevölkerung bezogen auf den Erreger, gegen den geimpft werden soll, und einer ggfls. daraus resultierenden Immunität ab. Die entsprechende Datenlage bezogen auf SARS-CoV-2 ist derzeit nicht ausreichend, um Rückschlüsse auf die erforderliche Höhe der Impfquote ziehen zu können. 3. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung für den Fall, dass auf freiwilliger Basis keine ausreichende Impfquote zur Erzeugung einer Herdenimmunität erreicht wird? 5. Wie positioniert sich die Landesregierung hinsichtlich einer Impfplicht für bestimmte Berufsgruppen, z. B. Sicherheitsorgane oder Personal im Bildungsund Gesundheitswesen? Die Fragen 3 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Bei der Impfung gegen SARS-CoV-2 setzt die Landesregierung auf Freiwilligkeit und appelliert an die Bürgerinnen und Bürger, die Impfung zum Eigenschutz sowie zum Schutz von Personen, die sich aufgrund von Vorerkrankungen und Unverträglichkeiten ggfls. nicht selbst impfen lassen können, in Anspruch zu nehmen. Dies gilt insbesondere auch für das Personal der kritischen Infrastruktur, wie z.B. medizinisches Personal, das aufgrund der vielfältigen Kontakte ein erhöhtes Risiko hat, sich zu infizieren und als Multiplikator besonders zu einer Weiterverbreitung des Virus beiträgt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11987 3 Eine Impfpflicht ist weder für die Allgemeinbevölkerung noch für das Personal bestimmter Berufsgruppen vorgesehen. 4. Wie sieht die aktuelle Planung der Landesregierung hinsichtlich der Verteilung eines Impfstoffs nach seiner Einführung aus? Die Planungen der Landesregierung gehen davon aus, dass Anfang 2021 mit der Zulassung und Bereitstellung mindestens eines Impfstoffes zu rechnen ist. Aufgrund der anfänglich limitierten Anzahl an Impfdosen wird die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut (STIKO) in Zusammenarbeit mit der Leopoldina und der Deutschen Ethikkommission eine Empfehlung der prioritär zu impfenden Personengruppen erarbeiten. Ein erstes Positionspapier zur Priorisierung des Zugangs zu einem COVID-19 Impfstoff liegt nun vor und soll noch vor Jahresende endgültig beschlossen werden. Nach jetzigem Sachstand sollen Personen, die ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, Personen mit besonders hohem arbeitsbedingten SARS-CoV-2-Expositionsrisiko sowie das Personal der kritischen Infrastruktur prioritär geimpft werden. Die Sicherstellung dieser Priorisierung erfolgt über die zu etablierenden Impfstrukturen. Die Impforganisation ist Aufgabe der Bundesländer, während der Bund die Beschaffung des Impfstoffs, bzw. der Impfstoffe übernommen hat. Die Landesregierung plant die Errichtung mehrerer Impfzentren. Dieses Angebot soll um aufsuchende Strukturen (etwa für die Verimpfung in stationären Pflegeeinrichtungen) sowie die Nutzung vorhandener Versorgungsstrukturen (niedergelassene Ärzteschaft und Betriebsärzte) ergänzt werden, um ein möglichst breites Impfangebot realisieren und unterschiedliche Zielgruppen adäquat ansprechen zu können.