LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/12012 01.12.2020 Datum des Originals: 01.12.2020/Ausgegeben: 07.12.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4657 vom 5. November 2020 des Abgeordneten Frank Neppe FRAKTIONSLOS Drucksache 17/11710 Ausweitung der Maskenpflicht und zunehmende Diskriminierung und Übergriffe auf von der Maskenpflicht befreite Menschen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Gemäß der von Bund und Ländern getroffenen Beschlüsse sah die Coronaschutzverordnung zunächst ab dem 17. Oktober 2020 verstärkte Schutzmaßnahmen in einem zweistufigen Prozess vor. Bereits bei einer 7-Tages-Inzidenz von 0,035 Prozent in einem Kreis oder einer kreisfreien Stadt galt dort die Maskenpflicht auch in regelmäßig stark frequentierten Außenbereichen wie Fußgängerzonen, in denen der Mindestabstand kaum einzuhalten war.1 Die Kommunen legten fest, welche Fußgängerzonen betroffen waren. Unweit des Landtags waren dies beispielsweise die Bilker Allee, die Bilker Kirche und die Lorettostraße in Düsseldorf-Unterbilk sowie Teile der Düsseldorfer Altstadt.2 Anwohner, die von der Haltestelle oder dem Parkplatz nach Hause liefen, Spaziergänger und Kunden – allesamt Personen, die sich nur kurzzeitig in der Fußgängerzone aufhielten – mussten eine Maske tragen. Gleichzeitig wurden in den betroffenen Fußgängerzonen weiterhin Außenterrassen von Gastronomien betrieben. Hier konnte man in den Fußgängerzonen – häufig mit einem gewissen Windschutz – sitzen und sich längere Zeit ohne Maske aufhalten. Nach nicht einmal 14 Tagen beschlossen Bund und Länder noch weitergehende Maßnahmen. So heißt es in der aktuellen Coronaschutzverordnung, dass „auf Spielplätzen und an weiteren Orten unter freiem Himmel, für die die zuständige Behörde eine entsprechende Anordnung trifft, wenn gemessen an der verfügbaren Fläche mit dem Zusammentreffen einer so großen Anzahl von Menschen zu rechnen ist, dass Mindestabstände nicht sichergestellt werden können“3 eine Verpflichtung zum Tragen einer Alltagsmaske bestehe und der Betrieb von gastronomischen Einrichtungen zunächst bis zum 30. November 2020 untersagt sei. Die Stadt Düsseldorf hat in der Folge eine Maskenpflicht für nahezu das gesamte Stadtgebiet angeordnet.4 Fraglich ist jedoch, wie groß die Gefahr einer Ansteckung im Freien ist. Dem ZDF folgend seien die meisten Forscher davon 1 Vgl. https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/mit-klaren-regelungen-bei-steigendeninfektionszahlen -verstaerkt-nordrhein (abgerufen am 27.10.2020) 2 Vgl. https://www.duesseldorf.de/index.php?id=700021325&tx_pld_frontpage%5Bnews%5D=35317 (abgerufen am 19.10.2020) 3 https://www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/2020-10- 30_coronaschutzverordnung_vom_30._oktober_2020.pdf (abgerufen am 04.11.2020) 4 Vgl. https://www.duesseldorf.de/aktuelles/news/detailansicht/newsdetail/maskenpflicht-jetzt-fast-imgesamten -stadtgebiet-1.html (abgerufen am 04.11.2020) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12012 2 überzeugt, dass Corona an der frischen Luft fast kein Problem sei.5 Ursache hierfür sei vereinfacht gesagt, dass der Wind die Viren davonwirble. Mit der Ausweitung der Maskenpflicht weitet die Landesregierung auch die Bereiche aus, in denen Mitmenschen, die aus medizinischen Gründen von der Maskenpflicht befreit sind, Beschimpfungen und Bedrohungen ausgesetzt sind. Gespräche mit Betroffenen zeigen, dass bei ihnen das Vertrauen in die Politik, hinsichtlich eines Schutzes von gesundheitlich eingeschränkten Bürgern, zunehmend schwindet. Als Gründe hierfür nennen sie die zunehmende Diskriminierung durch die Maskenpflicht und eine fehlende Sensibilisierung der Gesellschaft durch eine bislang ausgebliebene wahrnehmbare Aufklärung in den Medien, dass viele Menschen aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen. Ängste, den geschützten Wohnraum zu verlassen, um alltäglichen Erledigungen wie Einkäufen und Arztbesuchen nachzugehen, dominieren den Alltag der Betroffenen. Ihnen werden zum Teil medizinische Behandlungen verweigert, solange sie keine Maske tragen und in Supermärkten wird die Beschaffung der Grundversorgung mit Beschimpfungen und Beleidigungen durch andere Kunden begleitet, sofern ihnen überhaupt der Einlass in die Räumlichkeiten gewährt wird. Atteste werden nicht anerkannt und das Hausrecht wird zum Ausschluss genutzt. Die Ausweitung der Maskenpflicht auf den öffentlichen Raum erweitert die Flächen, auf denen Betroffene mit Übergriffen rechnen müssen. Hier Bedarf es zwingend einer besseren öffentlichen Kommunikation, welche Personengruppen keine Masken tragen müssen. Möglich wäre es, hierfür die entsprechenden Gruppen auf Schildern, die nun auf die Maskenpflicht hinweisen sollen, aufzuführen. So will die Stadt Düsseldorf beispielsweise 500 Hinweisschilder bezüglich der Maskenpflicht aufstellen6; Informationen, dass Personengruppen von der Maskenpflicht aufgrund von Altersgrenzen, medizinischen Gründen etc. auf diesen Flächen befreit sind, werden nicht angegeben. In der Antwort auf die Kleine Anfrage 4314 teilt die Landesregierung mit, dass sie auch zukünftig zur Förderung der Bewusstseinsbildung für das Thema Befreiung von der Maskenpflicht werben werde, um „in diesen besonderen Zeiten gegenseitige Rücksichtnahme und Sensibilität walten zu lassen“7. Die Hinweisschilder könnten hierfür genutzt werden. Außerdem kann eine breit angelegte Aufklärungskampagne der Regierung in den Massenmedien (Print- und elektronische Medien), dass viele Menschen medizinisch begründet keine Maske tragen, der Diskriminierung und den Übergriffen entgegenwirken. Im September 2020 hat der Verfasser dieser Kleine Anfrage die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens in einem Online-Aufruf darum gebeten, ihm Alltagserfahrungen im Kontext ärztlich attestierte Maskenbefreiung mitzuteilen. Aus den zahlreichen Zuschriften seien hier exemplarisch einige Erfahrungen wiedergegeben: ◼ Der Krebsvorsorgetermin einer chronisch erkrankten Frau wurde erst von März auf Juni verschoben. Als sie mitteilte, sie wäre durch ein Attest von der Maskenpflicht befreit, wurde ihr Termin abermalig auf Oktober verlegt. Lebensmittel kaufe sie nur noch in Begleitung ihres Sohnes ein, der sie vor „unangenehmer Anmache“ schütze. In einem Bioladen sei bereits mehrfach nach ihrem Attest gefragt worden; man sagte ihr, sie würde „andere Kunden in Angst versetzen“. ◼ Einer per Attest von der Maskenpflicht befreiten Frau wurde in einem Gartenmarkt von einer Mitarbeiterin vorgeworfen, sie begehe „fahrlässige Tötung“. 5 Vgl. https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/coronavirus-aerosole-innenraum-ansteckung-100.html (abgerufen am 27.10.2020) 6 Vgl. https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/maskenpflicht-in-duesseldorf-diese-corona-regelngelten -jetzt_aid-54118221 (abgerufen am 27.10.2020) 7 Drucksache 17/11297 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12012 3 ◼ Als in einer Einzelhandelsfiliale eine Frau mit Behindertenausweis einen Mitarbeiter darauf hinwies, dass er im Grunde gar nicht dazu berechtigt sei, Einsicht in das Attest zu nehmen, drohte dieser, die Polizei zu rufen. Zudem habe ihr ein anderer Kunde gedroht, dass sie „diesen Supermarkt zum letzten Mal besucht“ habe. Ferner beklagt sie das gesellschaftliche Debattenklima, bei welchem Maskenbefreite oder auch Kritiker der Corona-Maßnahmen pauschal als "Maskenverweigerer", "Covidiot" oder "Verschwörungstheoretiker"“ verunglimpft würden. Überdies bedauert sie den Wegfall non-verbaler Signale in der Kommunikation: „[M]an sieht kein Lächeln mehr […] Man kann nicht mehr aus dem Gesicht lesen, wie man mit seinem Gegenüber umgehen soll, wie man ihn einschätzen kann […]“ ◼ Einem Mann mit einem GdB (Grad der Behinderung) von 80 Prozent, der angibt, bereits mehrere Herzinfarkte erlitten zu haben, wurde mit Verweis auf die Vorgaben der Geschäftsleitung trotz Attest der Zutritt in Ladengeschäfte verweigert. ◼ Ein anderer, per Attest von der Maskenpflicht befreiter Mann berichtet, man habe ihn des Supermarkts mit den Worten verwiesen: „[S]chönen Gruß vom Chef, beim nächsten Mal rufen wir die Polizei“. ◼ Eine maskenbefreite Bürgerin schildert, sie könne den ÖPNV nicht mehr nutzen. Eine Mitarbeiterin des Ordnungsamts habe ihr stellvertretend fürs Verkehrsunternehmen mitgeteilt, dass es die Beförderungspflicht nicht mehr gebe. Alle Fahrer könnten vom Hausrecht Gebrauch machen und trotz Attest die Mitnahme von Personen ohne Maske verweigern. ◼ Eine Mutter berichtet, ihr 8-jähriger Sohn leide an einer neurologischen Erkrankung und sei daher durch ein ärztliches Attest von der Maskenpflicht befreit. Als sie mit ihm neue Kleidung einkaufen wollte, habe man ihnen in mehreren Geschäften den Zutritt verwehrt. Die medizinisch begründete Maskenbefreiung habe keine Rolle gespielt. In einer Situation in der S-Bahn habe ferner ein anderer Fahrgast den Verweis auf die Befreiung mit den Worten quittiert, dass dies „doch völlig egal“ sei, denn: „Gesetz ist Gesetz“. „Ohne Gesetze“, führte dieser gegenüber der Mutter weiter aus, könnte er ihren Sohn ja auch „abknallen“ – weil es ihm „gefällt“. ◼ Als „dreckige S*******“ wurde eine Bürgerin, die ihr Attest nach eigenen Angaben gut sichtbar um den Hals trägt, im Supermarkt beschimpft. Sie habe bereits erlebt, dass Kunden mit dem Finger auf sie zeigen und über sie tuscheln würden. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4657 mit Schreiben vom 1. Dezember 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Verkehr beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung In der Einleitung der Anfrage wird auf die Kurzlebigkeit von Vorgaben und Empfehlungen hingewiesen. Diese sind bei einer dynamischen Entwicklung der Infektionslage eben dieser geschuldet, um Maßnahmen angemessen zu gestalten. Darin ist eine häufige Überprüfung und ggf. Nachjustierung begründet. Dem trägt auch die zeitliche Begrenzung der jeweils geltenden Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) Rechnung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12012 4 Zur Thematik der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) und Befreiung führt die geltende CoronaSchVO aus, dass Personen, die aus medizinischen Gründen keine Alltagsmaske tragen können, dies durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen haben, welches auf Verlangen vorzuweisen ist. Ein Behindertenausweis, wie in einem Fallbeispiel ausgeführt, ersetzt das Attest gemäß CoronaSchVO nicht. Natürlich besteht zusätzlich zur Ausstellung des Attests die Möglichkeit für Personen, die aus medizinischen Gründen keine MNB tragen können, individuell bzw. in Absprache mit ihrem Arzt zu entscheiden, welche andere Form des Schutzes für sie tolerierbar ist. So kann u.U. die Nutzung eines Visiers anstelle einer MNB für viele Personen mit schweren Atemwegserkrankungen eine pragmatische Ersatzlösung bieten. Zum Schutz der Bevölkerung sind gemäß § 3 Abs. 7 CoronaSchVO Personen, die eine Verpflichtung zum Tragen einer Alltagsmaske nicht beachten, von der Nutzung der betroffenen Angebote, Einrichtungen und Dienstleistungen auszuschließen. Insofern sind die angeführten Einrichtungen nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die Rechtmäßigkeit zu überprüfen und nötigenfalls vom Hausrecht Gebrauch zu machen. In diesen Situationen kann nur um Verständnis und Rücksichtnahme aller Beteiligten geworben werden. Denn es sind nicht nur Kundinnen und Kunden mit kurzer Verweildauer, sondern primär Beschäftigte, die durch die Missachtung der Pflicht zum Tragen einer MNB an ihrem Arbeitsplatz der Sorge um Ansteckung ausgesetzt sind. 1. Wie schätzt die Landesregierung die Gefahr ein, sich im Freien mit SARS-CoV-2 zu infizieren? Grundsätzlich besteht die Gefahr einer Ansteckung durch Tröpfchen auch im Freien. Respiratorische Viren sind bei der Übertragung von Mensch zu Mensch immer in Atemwegsekret eingebettet. Allgemein können respiratorische Infektionen auf drei verschiedenen Wegen übertragen werden: 1) Kontaktübertragung zwischen Personen direkt, z. B. beim Küssen oder durch eine indirekte Kontaktübertragung durch die Berührung von Mund, Nase und Augen mit den eigenen Händen, 2) Tröpfchenübertragung, dazu kommt es wenn respiratorische Sekrettröpfchen (> 5 μm), die beim Sprechen, Husten und Niesen produziert werden, auf die Schleimhäute der oberen Atemwege oder Augen-Bindehaut einer anderen Person gelangen, 3) Eine aerogene Übertragung ist dann möglich, wenn respiratorische Krankheitserreger auch in Aerosolen kleinster, luftgetragener, nichtsedimentierender Tröpfchen (< 5 μm) (sog. „Tröpfchenkerne“) ihre Infektiosität beibehalten. Ein Gemisch aus Tröpfchenkernen und Luft wird „Aerosol“ genannt. Als Aerosol können Tröpfchenkerne auch über längere Zeit in der Luft schweben und sich in geschlossenen Räumen verteilen. Ob und wie schnell die Tröpfchen und Aerosole absinken oder in der Luft schweben bleiben, ist neben der Größe der Partikel von einer Vielzahl weiterer Faktoren, u. a. der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit, abhängig. Insofern ist die Einhaltung der Hygienevorgaben auch im Freien notwendig. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12012 5 2. Wie genau sieht die Werbung der Landesregierung zur Förderung der Bewusstseinsbildung für das Thema Befreiung von der Maskenpflicht im Zuge der Erweiterung der Flächen, auf denen die Maskenpflicht herrscht, auf den öffentlichen Raum unter freiem Himmel aus? 3. Inwiefern wirkt die Landesregierung auf die Kommunen ein, dass neuangebrachte Hinweisschilder bezüglich der Maskenpflicht im öffentlichen Raum auch aufführen, welche Personengruppen auf den Flächen von der Maskenpflicht befreit sind? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Bezüglich der Information der Landesregierung sowie der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung sowie für Patientinnen und Patienten zur Sensibilisierung im Umgang mit Menschen mit Einschränkungen, denen das Tragen einer MNB nicht möglich ist, wird auf die Antwort der Frage 1 zur Kleinen Anfrage 4314 (LT Drs. 17/11297) verwiesen. Eine gezielte Werbung zur Förderung der Bewusstseinsbildung für das Thema Befreiung von der Maskenpflicht im Zuge der Erweiterung auf den Raum unter freiem Himmel wird durch die Landesregierung aktuell nicht erwogen. Die Landesregierung ist sich bewusst, dass in der aktuellen Situation ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit, Rücksichtnahme und Verständnis für den jeweils anderen an die Bürgerinnen und Bürger gestellt wird. Erfreulicherweise agiert und reagiert der weitaus größte Teil der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen entsprechend. Auch in der Krisensituation gibt es keine Rechtfertigung für Diskriminierung. Daher muss, auch und gerade in der aktuellen Situation, gemeinsam gegen aufkommende Ausgrenzung, Hass und Benachteiligung mancher Personen entschlossen vorgegangen werden. Den Betroffenen wird geraten, solche Erfahrungen nicht hinzunehmen und sich – wenn gewünscht – bei den bestehenden Beratungsstellen Unterstützung zu suchen. Die Umsetzung von Hinweisschildern liegt in der Gestaltungshoheit der Kommunen, diese können eigene Schwerpunkte setzen und entsprechend verfahren. 4. Welche Kriterien müssen aus aktueller Sicht der Landesregierung erfüllt sein, um die Maskenpflicht wieder zu beenden? Bitte konkrete Kriterien wie z. B. ein bestimmter 7-Tages-Inzidenzwert, Impfstoffzulassung etc. benennen. Bei der hohen Dynamik des aktuellen Infektionsgeschehens können hierfür derzeit noch keine Kriterien verlässlich benannt werden. Zur Einschätzung der Infektionslage wird ein engmaschiges Monitoring durchgeführt, auf dessen Grundlage die Risikobewertung kontinuierlich angepasst wird. Aufgrund der Neuartigkeit des Virus sind die möglichen Effekte und Auswirkungen einer Impfung auf das Infektionsgeschehen nicht zuverlässig abzuschätzen. Allgemein ist es der Landesregierung ein großes Anliegen, wo möglich, die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der COVID-19- Pandemie zurück zu nehmen. Dabei muss aber immer die komplexe Auswirkung von einzelnen Maßnahmen auf das zeitliche sowie geographische Infektionsgeschehen Berücksichtigung finden. Auf Grundlage unterschiedlicher Parameter (u.a. Infektions- und Todeszahlen, Krankheitsschwere, Altersverteilung, Ressourcenbelastung z.B. des öffentlichen Gesundheitswesens und der klinischen Versorgung, Ausbruchsgeschehen in Einrichtungen, usw.) ergibt sich ein jeweils aktuelles Lagebild, das eine qualitative LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12012 6 Risikoeinschätzung und Anpassung der erforderlichen Maßnahmen erlaubt. Die starre Festlegung von quantitativen Auslöseschwellen kann dabei der Dynamik und Komplexität der Lage nicht gerecht werden. Die Indikatoren, die möglicherweise eine Trendumkehr des Geschehens anzeigen, werden seitens des Landeszentrums Gesundheit NRW sehr engmaschig und sorgfältig beobachtet. Die Verhaltensregeln und -empfehlungen zum Schutz vor COVID-19, wie Händehygiene, Abstandsgebot und das Tragen von Alltagsmasken in öffentlichen Settings, werden voraussichtlich zu den Maßnahmen gehören, die als letzte gelockert werden können. Denn durch diese drei wichtigen Regeln kann das Infektionsgeschehen effektiv eingedämmt werden. 5. Inwiefern kollidiert aus Sicht der Landesregierung die Praxis von Privat- und Verkehrsunternehmen, durch Berufung auf das Hausrecht den Zutritt ohne Maske trotz Attest zu verweigern, mit dem allgemeinen Versorgungsanspruch bzw. der Beförderungspflicht von Bürgerinnen und Bürgern – zumal wenn diesen je nach Grad der gesundheitlichen Beschwerden alternative Ausweichmöglichkeiten (etwa weiter entfernte Supermärkte, Apotheken etc.) schwerlich zuzumuten sind? Bei Vorlage eines gültigen Attests über die Befreiung von der Maskenpflicht beim Kontrollpersonal ist der Ausschluss von der Beförderung im Nahverkehr in Nordrhein- Westfalen nach CoronaSchVO nicht erforderlich.