LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/12013 01.12.2020 Datum des Originals: 01.12.2020/Ausgegeben: 07.12.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4642 vom 30. Oktober 2020 des Abgeordneten Marcus Pretzell FRAKTIONSLOS Drucksache 17/11641 Flatten the curve, Herdenimmunität, Ausrottung des Virus – Maßnahmenkatalog der Landesregierung Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit dem Frühjahr wird das öffentliche Leben in Nordrhein-Westfalen von der Corona- Schutzverordnung beeinflusst. In unterschiedlichen Fassungen abhängig von der Infektionslage im Land schränkten die landesweiten Maßnahmen der Landesregierung den Alltag der Bürger in den vergangenen Monaten unterschiedlich stark ein. Seit dem 17. Oktober 2020 sieht die Corona-Schutzverordnung unterschiedliche Regelungen für die Kreise und kreisfreien Städte unter Berücksichtigung der jeweiligen Infektionslage vor. Hierfür wurden die 7-Tages-Inzidenzstufen 0 bis 0,035 Prozent, 0,035 Prozent bis 0,05 Prozent und ab 0,05 Prozent eingeführt. Die neuen Regelungen ab dem 17. Oktober 2020 sehen weitgehende Maßnahmen vor, so z. B. die Maskenpflicht auf bestimmten öffentlichen Flächen an der frischen Luft und Sperrstunden für gastronomische Einrichtungen. Noch bevor die Maßnahmen ihre Wirkung entfalten konnten, wurden bereits am 28. Oktober von Bund und Ländern zusätzliche zeitlich begrenzte Maßnahmen beschlossen. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4642 mit Schreiben vom 1. Dezember 2020 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Welches Ziel (Ausrottung des Virus, Überbrückung bis zur Impfung, Herdenimmunität ohne Impfung etc.) verfolgt die Landesregierung mit ihren Maßnahmen? Die aktuelle durch SARS-CoV-2 verursachte Pandemie entwickelt sich weltweit sehr dynamisch. Das Wissen über diesen neuartigen Erreger wächst durch die intensive Forschungsarbeit zahlreicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kontinuierlich, Therapieoptionen haben sich aufgrund zunehmender Erfahrung mit Covid-19 verbessert, die Impfstoffentwicklung zeigt bereits vielversprechende Ergebnisse. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12013 2 Da in der aktuellen Lage jedoch noch keine zugelassenen Impfstoffe zur Verfügung stehen und die Therapie schwerer Krankheitsverläufe komplex und langwierig ist, ist das Hauptziel der Maßnahmen der Landesregierung, die Verbreitung der Erkrankung so weit wie möglich zu verlangsamen, um damit die Erkrankungswelle auf einen längeren Zeitraum zu strecken und eine Überforderung des Gesundheitswesens zu vermeiden. Diese Handlungsrationale der Verlangsamung bestimmt neben dem Schutz der besonders vulnerablen Personengruppen und der Bereitstellung von Behandlungskapazitäten die Maßnahmen durch alle Phasen der Epidemie. 2. Welche Zustände / welcher Zustand (7-Tages-Inzidenz, Auslastung der Intensivbetten bzw. Krankenhauskapazitäten, tägliche Todesfälle, Zulassung eines Impfstoffs, Impfquote nach Zulassung etc.) müssen/ muss erreicht werden, um das Ziel aus Frage 1 als erreicht zu betrachten? 3. Welche Zustände / welcher Zustand (7-Tages-Inzidenz, Auslastung der Intensivbetten bzw. Krankenhauskapazitäten, tägliche Todesfälle, Zulassung eines Impfstoffs, Impfquote nach Zulassung etc.) müssen/ muss erreicht werden, um die Corona- Schutzverordnung vollständig aufzuheben? 4. Welche Zustände (7-Tages-Inzidenz, Auslastung der Intensivbetten bzw. Krankenhauskapazitäten, tägliche Todesfälle, etc.) müssen eintreten, damit die zeitlich begrenzten Maßnahmen nicht verlängert werden? 5. Welche Zustände (7-Tages-Inzidenz, Auslastung der Intensivbetten bzw. Krankenhauskapazitäten, tägliche Todesfälle, Rückschläge in klinischen Impfstoffstudien etc.) müssen erreicht werden, damit zusätzliche Maßnahmen durchgeführt werden? Die Fragen 2 - 5 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Zur Einschätzung der Infektionslage wird ein engmaschiges Monitoring durchgeführt, auf dessen Grundlage die Risikobewertung kontinuierlich angepasst wird. Dabei wird sowohl die aktuelle epidemiologische Lage in Deutschland und international berücksichtigt als auch die Verfügbarkeit von Schutz- und Behandlungsmaßnahmen. Parameter des Monitorings sind z.B. Fallzahlen und Trends der gemäß Infektionsschutzgesetz gemeldeten Fälle sowie die geographische Verteilung und der zeitliche Verlauf des Infektionsgeschehens. Außerdem werden die Krankheitsschwere, d.h. der Anteil schwerer, klinisch kritischer und tödlicher Krankheitsverläufe sowie die Ressourcenbelastung des Gesundheitssystems (Öffentliches Gesundheitswesen, klinische Versorgung) beobachtet. Das Robert Koch-Institut (RKI) stellt die entsprechenden jeweils tagesaktuellen Daten in den täglichen Situationsberichten dar: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.ht ml Zusätzlich werden in den Situationsberichten täglich über Ausbruchsgeschehen, die Infektionsverbreitung in Pflege- und Betreuungseinrichtungen und die Belastung der Intensivkapazitäten auf Grundlage des DIVI-Intensivregisters (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) https://www.intensivregister.de/#/intensivregister berichtet. Das Register gibt einen Überblick darüber, in welchen Kliniken in Deutschland aktuell wie viele Kapazitäten auf Intensivstationen zur Verfügung stehen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12013 3 An verschiedenen Wochentagen stellt das RKI jeweils zusätzliche Informationen bereit wie z.B. Daten zu bundesweiter Testhäufigkeit und -kapazitäten, Ergebnisse aus weiteren Surveillance-Systemen des RKI zu Atemwegserkrankungen, Inanspruchnahme von Notaufnahmen oder Daten aus der Mortalitätssurveillance. Die jeweils aktuellen Daten zu Verbreitung und Verlauf der Pandemie in Nordrhein-Westfalen auf Landes-, Kreis- und kommunaler Ebene sind beim Landeszentrum Gesundheit NRW abrufbar https://www.lzg.nrw.de/inf_schutz/meldewesen/infektionsberichte/corona_infektionsbericht/in dex.html . Aus allen genannten Parametern ergibt sich ein jeweils aktuelles Lagebild, das eine qualitative Risikoeinschätzung und Anpassung der erforderlichen Maßnahmen erlaubt. Die starre Festlegung von quantitativen Auslöseschwellen könnte der Dynamik und Komplexität der Lage nicht gerecht werden. Allerdings hat sich gezeigt, dass die Kontaktpersonennachverfolgung, die ein essentieller Baustein der Pandemiebekämfung zur Unterbrechung von Infektionsketten ist, bei einer 7- Tages-Inzidenz von deutlich über 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern von den Gesundheitsämtern derzeit nur noch schwer zu leisten ist. Daher zielen die aktuellen Maßnahmen darauf, die z.Zt. hohe Rate von Neuinfektionen durch umfassende Maßnahmen zu Kontaktreduzierungen in der Bevölkerung wieder deutlich zu reduzieren.