LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/12066 09.12.2020 Datum des Originals: 08.12.2020/Ausgegeben: 15.12.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4610 vom 20. Oktober 2020 des Abgeordneten Frank Sundermann SPD Drucksache 17/11565 Ausbau der Erneuerbaren Energien vorantreiben Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Nordrhein-Westfalen bleibt hinter den zur Erreichung der Klimaziele notwendigen Zubaumengen zurück. Trotz wohlmeinender Ankündigungen im Rahmen der Energieversorgungsstrategie fällt NRW beim Ausbau der erneuerbaren Energien angesichts der widersprüchlichen Politik der Landesregierung kraftlos hinter die großen Erwartungen und die notwendigen Ziele zurück. Dadurch sind nicht nur die Erreichung der Klimaziele, sondern auch die Zukunft der Industrie in NRW gefährdet. Im Jahr 2019 sind laut der Jahresbilanz des Landesverbandes Erneuerbare Energien in Nordrhein-Westfalen (LEE NRW) nur 37 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 125 Megawatt (MW) neu in Betrieb genommen worden. Das ist innerhalb eines Jahres der niedrigste Ausbau seit über 20 Jahren und ein Rückgang um 68% gegenüber 2018. Die Windenergie trägt dabei 2019 mit 8% am Stromverbrauch mehr als doppelt so viel zur Stromversorgung bei, als die Solarenergie mit 3,3%. Sie ist damit mit Abstand der bedeutendste Energieträger bei den Erneuerbaren Energien. Laut LEE NRW müssten jedes Jahr etwa 944 MW bzw. 210 moderne Windenergieanlagen neu ans Netz gehen, wenn Nordrhein-Westfalen seinen tatsächlichen Anteil am 65-Prozent-Ziel der Bundesregierung erreichen will. Im Bereich der Solarenergie ist 2019 ein Wachstum von 59 Prozent mehr Photovoltaik-Anlagen gegenüber 2018 festzustellen. Die installierte Leistung stieg um 471 Megawatt. Der Zubau findet dabei vor allem auf Dachflächen statt. Die Potenziale bei Freiflächen die etwa geringwertiger landwirtschaftlicher Flächen oder entlang von Infrastrukturtrassen sind aufgrund restriktiver Rahmenbedingungen zu 95 Prozent ungenutzt. Die Potenzialstudie des LANUV von 2012 für die Solarenergie zeigt auf, dass Freiflächen einen Stromertrag von 33 TWh (47 Prozent des gesamten Potenzials) beisteuern könnten. Um das bundesweite Ausbauziel von 65-Prozent zu erreichen, müssten laut LEE NRW in NRW jedes Jahr etwa 1.160 MW Photovoltaik-Leistung zugebaut werden, also mehr als doppelt so viel wie im Jahr 2019 real erreicht wurde. Die auch von der Landesregierung angestrebte verstärkte Nutzung von Wasserstoff bei Verkehr und Industrie im Zuge der Sektorkopplung dürfte die künftig nachgefragten Energiemengen erheblich beeinflussen. Hier stellt sich die Frage, ob die oben diskutierten Ausbaupfade der Landesregierung bei den erneuerbaren Energien mit den mittelfristigen Bedarfen zusammenpassen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12066 2 Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4610 mit Schreiben vom 8. Dezember 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, dem Minister für Verkehr und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung hat im Bereich der Erneuerbaren Energien auf Bundes- und Landesebene zahlreiche Maßnahmen initiiert und umgesetzt, um deren nachhaltigen Ausbau umweltgerecht, akzeptanzgesichert, technologieoffen sowie markt- und systemintegrativ weiterhin erfolgreich voranzutreiben. Ergänzend sind aus Sicht der Landesregierung in den nächsten Jahren kontinuierlich und anlassbezogen weitere Maßnahmen und Initiativen erforderlich, um die gesetzten Ziele zu erreichen. 1. In der Antwort der Landesregierung (Drs Nr 17/10721) auf die Kleine Anfrage der Grünen 4086 hebt die Landesregierung die den Jahren 2019 und 2020 genehmigten Volumina bei der Windenergie hervor. Wie viele dieser in den Jahren 2019 und 2020 genehmigten Windenergieanlagen gehen auf Anträge zurück, die vor der letzten Novelle des Windenergieerlasses von 2018 gestellt wurden? Zur Beantwortung von Frage 1 wurden durch das LANUV NRW die im System „Informationssystem Stoffe und Anlagen – ISA“ der Umweltverwaltung des Landes Nordrhein- Westfalen hinterlegten Daten abgefragt. Die diesen Berichten zugrundeliegenden Daten bilden die Tätigkeiten der Umweltschutzbehörden in Nordrhein-Westfalen überwiegend ab. Ein Abgleich der Leistungsangaben kann nicht erfolgen, da diese in ISA nicht systematisch für alle Anlagen erfasst werden. Da der aktuelle Windenergie-Erlass am 22. Mai 2018 im Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen veröffentlicht wurde und am Tag nach dieser Veröffentlichung in Kraft getreten ist, wurde für die Beantwortung dieses Datum als Bezugspunkt für die oben genannte Abfrage gewählt. Demnach wurden für das Abfragedatum in ISA 31 Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen (WEA) gelistet, deren Genehmigungsanträge vor der Novelle des Windenergie-Erlasses 2018 gestellt wurden. Davon wurden 25 Genehmigungen im Jahr 2019 und sechs weitere im Jahr 2020 erteilt. Für den Abfragezeitraum vom 23. Mai 2018 bis 25.November 2020 sind 169 Genehmigungen von Windenergieanlagen erteilt worden, deren Beantragung nach Inkrafttreten des Windenergie-Erlasses 2018 erfolgte. Für den Zeitraum seit in Kraft treten des Windenergie- Erlasses wurden somit insgesamt 200 Genehmigungen für Windenergieanlagen erteilt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12066 3 2. Wie viele der in Frage 1) erwähnten Windenergieanlagen befinden sich tatsächlich im Bau oder sind bereits in Betrieb? Eine Aussage zum Baubeginn oder der Inbetriebnahme kann auf Basis der zur Beantwortung von Frage 1 abgefragten ISA-Daten nicht erfolgen, da diese Informationen dort nicht systematisch für alle Anlagen erfasst werden. Laut aktueller Auswertungen der Fachagentur Windenergie an Land aus Februar und November 2020 wurden bisher zwischen Januar und November 2020 in Nordrhein-Westfalen mit 252 MW deutschlandweit die meisten WEA in Betrieb genommen, auf Platz 2 folgt Brandenburg mit 156 MW (Stand: 30.11.2020, Werte vorläufig). Bei den Inbetriebnahmen von Windenergieanlagen im gesamten Jahr 2019 liegt Nordrhein-Westfalen als Binnenland mit nicht optimalen Standortvoraussetzungen und gleichzeitig sehr dichter Bebauung mit 128 MW hinter Brandenburg (201 MW) und Niedersachsen (181 MW). 3. Wie sind die oben erwähnten Ausbauzahlen bei der Photovoltaik in NRW im Jahr 2019 im Vergleich mit den 15 anderen Bundesländern und bezogen auf das Potenzial einzuordnen (bitte nach Freiflächen und Dachflächen gesondert ausweisen)? In Nordrhein-Westfalen wurden im Jahr 2019 18.401 Photovoltaik (PV)-Anlagen mit einer Leistung von 471 MWp neu installiert. Der Zubau erfolgte mit über 18.000 Anlagen hauptsächlich auf Gebäuden als PV-Dachanlagen. Gleichzeitig wurden 38 Freiflächen-PV- Anlagen mit einer Leistung von 16 MWp in Nordrhein-Westfalen ans Netz angeschlossen. Gemessen an den absoluten PV-Ausbauzahlen im Jahr 2019 belegt Nordrhein-Westfalen im Bundesländervergleich den zweiten Platz hinter Bayern, dem Bundesland mit der höchsten Sonneneinstrahlung in Deutschland. Der Landesregierung liegen gegenwärtig keine gesicherten Daten über die aufgegliederten Ausbauzahlen in Freiflächen- und Dachflächen-Anlagen aus den anderen Bundesländern für 2019 vor, weshalb ein separater Bundesländervergleich nach PV-Segment nicht möglich ist. Insgesamt ist festzuhalten, dass der Trend beim PV-Ausbau in Nordrhein-Westfalen einen eindeutigen Anstieg widerspiegelt; dies gilt sowohl für PV-Dachanlagen als auch für Freiflächenanlagen. Darüber hinaus lassen die weiterhin vorhandenen großen Potenziale eine positive Trendfortsetzung auch in den kommenden Jahren zu. 4. Wie bewertet die Landesregierung die vom LEE NRW mit Blick auf die für das 65%- Ziel notwendigen Ausbauvolumina festgestellte Ausbaulücke bis 2030 von ca. 7.000 MW bei den Solarenergie-Kapazitäten und ca. 6.500 MW bei den Windenergiekapazitäten? Das in der Frage thematisierte, von der Bundesregierung festgelegte 65%-Ziel der Erneuerbaren Energien am deutschen Stromverbrauch für das Jahr 2030 ist ein bundesweites Ziel. Es bindet den Bund, legt aber keine Ziele für die einzelnen Bundesländer fest. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, welches das 65%-Ausbauziel aufgreift und technologiespezifische Ausbaupfade für den Bund festlegt, stellt das Hauptinstrument für den wettbewerblich geregelten Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland dar. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12066 4 Nordrhein-Westfalen hat sich ausdrücklich zu den europäischen und nationalen Klimaschutzzielen bekannt und im Rahmen der Energieversorgungsstrategie (2019) landesspezifische Ausbauziele für unter anderem Photovoltaik und Windenergie onshore für das Jahr 2030 formuliert. So hält die Landesregierung bei Photovoltaik und Windenergie zusammen mehr als eine Verdopplung der installierten Leistung bis 2030 gegenüber 2018 für möglich. Dies bedeutet bei der Photovoltaik einen Anstieg von 4,6 GW auf 11,5 GW und bei der Windenergie von 5,4 GW auf 10,5 GW. Dabei haben sich beim Ausbau in den letzten Jahren immer wieder Schwankungen gezeigt, so dass auch in Zukunft nicht von einer linearen Entwicklung ausgegangen werden kann. 5. Welchen Anteil an regenerativ erzeugtem Wasserstoff für hiesige Verkehrs- und Industrieanwendungen strebt die Landesregierung bis 2030 an und welche Folgen hat dies für den von der Landesregierung angestrebten Ausbaupfad bei den unterschiedlichen Energieträgern der erneuerbaren Energien? Die Bundesregierung hat in Ihrer nationalen Wasserstoffstrategie (2020) die Zielmarke von 5 GW Elektrolyse bis zum Jahr 2030 definiert. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen strebt dabei an, hiervon 1 bis 3 GW innerhalb von Nordrhein-Westfalen aufzubauen. Hierdurch ließen sich etwa 2,8 bis 8,4 TWh Wasserstoff für Anwendungen in der Industrie oder der Mobilität herstellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass parallel mit dem Aufbau großer Elektrolysekapazitäten auch der überregionale Infrastrukturaufbau (Wasserstoff-Pipelines) von entscheidender Bedeutung insbesondere für die industrielle Versorgung und damit auch für das Industrieland Nordrhein-Westfalen ist. Die in der Beantwortung auf Frage 4 aus der Energieversorgungsstrategie zitierten Werte hinsichtlich des Ausbaus der Erneuerbaren Energien sind im Wesentlichen für die Deckung der reinen Stromanwendungen vorgesehen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass ein großer Teil der zusätzlichen Bedarfe von Wasserstoff neben der bereits erwähnten Anbindung von zusätzlicher Offshore-Windenergieerzeugungsleistung zu dem durch Import abgedeckt wird.