LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/12099 14.12.2020 Datum des Originals: 11.12.2020/Ausgegeben: 18.12.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4653 vom 4. November 2020 des Abgeordneten Frank Sundermann SPD Drucksache 17/11706 Chaotische Informationspolitik der Landesregierung bei den Soforthilfen zulasten der Hilfeempfänger Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Landeregierung hat im Frühjahr und Sommer dieses Jahres Corona-Soforthilfen des Bundes in einem Umfang von rd. 4,6 Mrd. € bewilligt. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der bewilligenden Behörden gilt unser größter Dank und höchster Respekt für die Bewältigung dieser Mammutaufgabe. Anfang Juli haben die Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen begonnen, die Empfänger der Corona-Soforthilfen vom Frühjahr 2020 aufzufordern, die Abrechnung ihrer Kosten vorzunehmen und gegenüber dem Land nachzuweisen. Nach zahlreichen Beschwerden und Protesten wurde das Abrechnungsverfahren durch die Landesregierung am 14. Juli gestoppt und bis dato noch nicht wieder aufgenommen (Stand: 10.09.2020). Die Kritik vieler betroffener Unternehmen und Selbständigen ging dahin, dass die Anrechnung von Aufwendungen zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abrechnung der Mittel ganz oder teilweise abgelehnt wurde, die zum Zeitpunkt der Auszahlung der Hilfen in den FAQ des Wirtschaftsministeriums NRW noch als möglich aufgeführt wurde. Dies widerspräche – selbst wenn die Förderbedingungen sich nachträglich anders darstellen – dem gebotenen Vertrauensschutz für die betroffenen Unternehmen und Selbständigen, die auf Grundlage der Angaben des Wirtschaftsministeriums ihre Dispositionen getroffen haben. Es haben mich ebenfalls Hinweise erreicht, dass in den telefonischen Hotlines der Bezirksregierungen widersprüchliche Angaben zu den Verwendungsmöglichkeiten der Soforthilfen gegenüber den Empfängern gemacht wurden, was ebenfalls zu Problemen bei der Abrechnung der Hilfen geführt hat. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4653 mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 namens der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12099 2 Vorbemerkung der Landesregierung Bei der NRW-Soforthilfe 2020 handelt es sich um das größte Förderprogramm der Landesgeschichte. Es hat für dringend benötigte Liquidität während der Krise gesorgt. Innerhalb von wenigen Wochen wurden rund 430.000 Anträge bewilligt und in einem Volumen von 4,5 Milliarden Euro an Unternehmen, Solo-Selbstständige und Freiberufler ausgezahlt. Als die Not während des Lockdowns im März und April am größten war, konnten zwei Dritteln der Antragsteller ihr Zuschuss in jeweils voller Höhe innerhalb von nur zehn Tagen nach Antragstellung zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere im Vergleich mit den schwerpunktmäßig vom Bund umgesetzten Hilfsprogrammen wie Überbrückungshilfen und Novemberhilfen zeigt sich, dass die NRW- Soforthilfe 2020 überaus schnell und unbürokratisch den Liquiditätsbedarf der betroffenen Unternehmen decken konnte. 1. Welche Beschwerden hinsichtlich des Nachweises der Corona-Soforthilfe haben die Landesregierung und ihre nachgeordneten Behörden in welchem Umfang erreicht (Fallzahlen, Streitwerte sowie Anteil an Zuwendungsempfängern)? Bei dem Rückmeldeverfahren zur NRW-Soforthilfe 2020 handelt es sich ausdrücklich nicht um einen Verwendungsnachweis. Um unbürokratisch und schnell zu helfen, hat die Landesregierung auf eine Schätzung des Förderbedarfs im Vorhinein verzichtet und stattdessen allen Soforthilfeempfängern zunächst die vollen Pauschalbeträge ausgezahlt. Im Rückmeldeverfahren wird lediglich die selbstständige Ermittlung der zutreffenden Förderhöhe durch die Empfänger nachgeholt. Mit Start des Rückmeldeverfahrens im Juni 2020 äußerten Verbände und Soforthilfe- Empfänger Kritik an den Berechnungsvorgaben des Bundes für den Liquiditätsengpass. Die Kritik bezog sich vornehmlich auf die mangelnde Berücksichtigung von Personalausgaben und gestundeten Ausgaben. Als Reaktion auf diese Hinweise hat das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie das Rückmeldeverfahren umgehend angehalten. Seitdem konnten in Zusammenarbeit mit dem Bund in allen Punkten Verbesserungen erreicht werden. Ein wesentlich verbessertes Rückmeldeverfahren mit großzügig bemessenen Fristen für die Rückmeldung im Frühjahr 2021 und für eine mögliche Rückzahlung im Herbst 2021 wurde erneut im November 2020 gegenüber den Zahlungsempfängern bekannt gegeben. 2. Zu welchen Zeitpunkten wurden durch die Landesregierung und ihre nachgeordneten Behörden welche Sachverhalte in der öffentlichen Information (FAQs, Zuwendungsbescheide, Webseiten, Informationsleitfäden für Externe, interne Anweisungen) bzgl. der Regelungen zur Beantragung, Auszahlung und Abrechnung der Soforthilfe geändert (bitte tabellarisch und chronologisch aufführen)? 3. Welche Begründung für die jeweiligen unter 2. aufgelisteten Änderungen (bitte zu jeder Änderung eine Begründung darlegen) gab es? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12099 3 4. Wie wurden die Antragsteller und die Empfänger der Soforthilfen jeweils über die unter 2. aufgelisteten Änderungen informiert? (Bitte mit Zeitpunkt) Die Fragen 2 bis 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. FAQ und Webseiten Die FAQ auf der Webseite zur NRW-Soforthilfe 2020 sind insbesondere in den ersten Tagen nach der vorläufigen Bekanntgabe des Förderprogramms angepasst, erweitert und präzisiert worden. Hier waren die noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen mit dem Bund und die von dort vorgegebenen Bedingungen maßgeblich. Bei den grundlegenden Förderbedingungen hat es in den ersten Tagen der Antragstellung zwei wesentliche Änderungen / Erweiterungen gegeben: 1. Das Datum wurde vom 1.12.2019 auf 31.12.2019 in folgendem Punkt geändert, um den Kreis der Antragsberechtigten zu erweitern: Gefördert wird u.a. wer Waren oder Dienstleistungen bereits vor dem 31. Dezember 2019 am Markt angeboten hat. 2. Der Bund hat die Kompatibilität mit dem Bezug von ALG II festgelegt. Am 29. März 2020 wurde die Fragestellung „Wofür darf der Zuschuss genutzt werden?“ um den Hinweis ergänzt, dass die Soforthilfe auch für die Finanzierung des Lebensunterhalts genutzt werden kann. Dieser Hinweis entfiel am 1. April 2020 nach einem Hinweis des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie auf den vereinfachten Zugang zu ALG II. Zum 12. Mai 2020 wurde allen Fördernehmern aus März und April, die in diesen Monaten kein ALG II beantragt hatten, als Vertrauensschutz ein pauschaler fiktiver Unternehmerlohn von 2.000 Euro zugesprochen. Die Bedingungen zur Beanspruchung dieses fiktiven Unternehmerlohns wurden in einer separaten Frage und Antwort ergänzt. Zudem wurden die Hinweise auf die Förderprogramme des MKW mit dem Schwerpunkt auf Künstlerinnen und Künstler aktualisiert. Eine Frage und Antwort zur korrekten Berechnung der Umsatzeinbrüche als Voraussetzung zur Antragsberechtigung wurde ergänzt. Zusätzlich ergaben sich Anpassungen unter „Fragen und Antworten zum digitalen Antrags- Verfahren“, da einzelne technische Schwierigkeiten, die bei den Antragstellern zu Rückfragen geführt haben, in der Zwischenzeit nicht mehr relevant waren. Dafür wurden neue Fragestellungen aufgenommen, z. B. welche Gründe eine verzögerte Auszahlung haben könnte oder was bei einem Betrugsverdacht zu unternehmen ist. Diese Hinweise wurden auf einer Pressekonferenz erläutert. In einer Presseerklärung am 25. Juni 2020 wurde der Beginn des Rückmeldeverfahrens angekündigt. Anfang Juli 2020 wurden die FAQ zum Rückmeldeverfahren auf die Webseite des MWIDE eingestellt. Im Rahmen einer Presseerklärung wurden diese am 14. Juli 2020 um Hinweise zum Anhalten des Rückmeldeverfahrens ergänzt. Ein weiteres Update erfolgte am 13. November 2020, begleitet durch eine Pressemitteilung, um die Soforthilfeempfängerinnen und -empfänger über den weiteren Prozess zu informieren. Zuwendungsbescheide Die Bescheide lauten für alle Bezirksregierungen gleich und wurden einheitlich ausgestellt. Der erste Zuwendungsbescheid erging am 27. März 2020. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12099 4 Ab dem 22. April 2020 wurde in den Standardtext ein Punkt 4 eingefügt, der das kontoführende Kreditinstitut berechtigt, bei begründeten Zweifeln an der Antragsberechtigung des Kontoinhabers, eine eingegangene Soforthilfe an die Bewilligungsbehörde zurück zu überweisen. Antragsteller mit älteren Bescheiden wurden über die öffentlichen Kanäle des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie über die Änderungen informiert. Informationsleitfäden für Externe und interne Anweisungen Die FAQ zum jeweiligen Zeitpunkt und die Förderrichtlinie waren die Informationsgrundlage für Externe und Interne. Die beratenden externen Stellen wurden vor Veröffentlichung der FAQ über die Inhalte informiert. 5. Wie geht die Landesregierung mit Empfängern um, denen aus diesen mangelhaften Informationen ein offensichtlicher und unverschuldeter Nachteil entstanden ist? Durch Anpassungen der anrechenbaren Positionen entstehen den Empfängerinnen und Empfänger der Soforthilfe in Nordrhein-Westfahlen keine Nachteile. Sie ermitteln ihren tatsächlichen Förderbedarf im Zuge der Rückmeldung nach denselben Kriterien mit einem für alle gleichen Stand. Bereits früher im Verfahren erfolgte Rückmeldungen können dabei nach aktuellem Stand aktualisiert werden. Damit haben alle Empfängerinnen und Empfänger der Soforthilfe die Möglichkeit, ihre tatsächliche Förderhöhe nach den aktuellen Kriterien zu bestimmen. Auch Empfängerinnen und Empfänger, die abseits des Verfahrens die Soforthilfe bereits ganz oder teilweise freiwillig zurückgezahlt haben, erhalten die Möglichkeit einer Korrektur.