LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/12101 14.12.2020 Datum des Originals: 11.12.2020/Ausgegeben: 18.12.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4674 vom 13. November 2020 des Abgeordneten Michael Hübner SPD Drucksache 17/11838 Bremse statt unbürokratische Hilfe bei der Digitalisierung im Einzelhandel? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Corona-Pandemie hat große Auswirkungen auf beinahe alle wirtschaftlichen Bereiche unseres Landes. Die nicht zuletzt durch den zweiten Lockdown noch einmal dynamisierte Digitalisierung im Einzelhandel stellt die hier tätigen Unternehmen vor große Herausforderungen. Aus diesem Grunde hat die Landesregierung im Juni dieses Jahres unter Riege von Wirtschafts- und Digitalminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart das Sonderprogramm „Digitalen und stationären Einzelhandel zusammendenken“ ausgerufen. Gefördert werden sollen damit „kurzfristige Projekte von Kleinunternehmen, die sich erstmalig digital aufstellen oder den Auf- oder Ausbau der digitalen Technologien für ihr Unternehmen voranbringen wollen.“ Das Projekt müsse zudem unmittelbar der Abwehr oder der Abmilderung der Folgen der Corona-Krise dienen. „Wir wollen, dass unsere Unternehmen gestärkt aus der Krise hervorgehen können“, begründete Prof. Pinkwart in seinem Projektaufruf vom 25. Juni 2020. Im gleichen Projektaufruf wurde der Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Nordrhein-Westfalen wie folgt zitiert: „Die Unterstützung bei konkreten Digitalvorhaben mit schlanken Antrags- und zügigen Bewilligungsverfahren haben die Händler nötiger denn je.“ Auch der Hauptgeschäftsführer IHK NRW betonte vor dem Hintergrund dieser dynamischen Krisensituation, wie wichtig schnelle Hilfe sei. Am 9. November – nachdem der Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags NRW das Fördervolumen des Sonderprogramms in Höhe von 15 Millionen beschlossen hatte – stellte Oliver Kehrl, Beauftragter der CDU-Landtagsfraktion für Handel und vitale Innenstädte in einer Pressemitteilung fest: „Ohne größere Flexibilität und Innovation wird der Einzelhandel in den Innenstädten das Rennen gegen Amazon und Co. nicht gewinnen.“ Vom 25. Juni bis zum 15. September konnten Einzelhandelsunternehmen mit innovativen Digitalisierungs-Vorhaben Förderanträge beim Projektträger ETN einreichen. Neben einer automatischen Eingangsbestätigung erhielten die Antragssteller weder eine Bearbeitungsnummer oder eine Möglichkeit, den Bearbeitungsstand digital abzufragen. Laut Homepage des Projektträgers wird darüber hinaus gebeten, von einer telefonischen Rücksprache abzusehen. Ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn ist zudem nicht möglich – im LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12101 2 Rennen gegen Amazon und Co. sind die antragsstellenden Unternehmen also auf die Flexibilität, Innovation und vor allem die Schnelligkeit der Landesregierung angewiesen. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4674 mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Aufgrund der verfügten Einschränkungen im Kontext der Corona-Pandemie zählt der stationäre Einzelhandel zu den besonders stark betroffenen Branchen. Nach dem mehrwöchigen nahezu vollständigen Lockdown, gelten auch seit der Freigabe der Ladenöffnung für den gesamten Einzelhandel weiterhin erhebliche Einschränkungen, so dass Einzelhändler und Einzelhändlerinnen weiterhin erhebliche Umsatz- und Kundenfrequenzrückgänge zu verzeichnen haben. Es ist durchaus zu erwarten, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie zusätzliche Geschäftsschließungen zur Folge haben werden. Insbesondere die kleinen Geschäfte, die bisher online noch nicht oder nicht ausreichend präsent waren, standen und stehen jetzt aufgrund der Corona-bedingten Entwicklungen vor ganz besonderen Herausforderungen. Sie hatten und haben oft keine Möglichkeit aus eigener Kraft digitaler zu werden. Vielen fehlte deshalb auch gerade in Zeiten des Lockdowns und auch in der Folge die Möglichkeit, Kundenbeziehungen aufrechtzuerhalten und ihre Waren und Dienstleistungen auch online anzubieten. Mit Hilfe digitaler Lösungen und Angebote können gerade kleine Handelsunternehmen die Auswirkungen der Corona-Krise für ihr Unternehmen zukünftig abwehren oder abmildern. Ich habe deshalb in diesem Jahr den seit 2016 jährlich veröffentlichten Projektaufruf „Digitalen und stationären Einzelhandel zusammendenken“, der bisher dem Grundgedanken folgte, dass Projektideen als Vorbilder und Orientierungshilfe für andere Standorte in Nordrhein-Westfalen fungieren und jeweils neue Innovationen gefördert werden, ausgesetzt und stattdessen den Schwerpunkt auf die kurzfristig wirksame Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit der kleinen Handelsunternehmen fokussiert. Der Aufruf wurde am 24. Juni 2020 als Sonderprogramm für diese Zielgruppe gestartet. Ende der Einreichfrist war der 15. September 2020. Der Höchstbetrag der Förderung liegt bei 12.000 € bei einem Fördersatz von bis zu 90 Prozent. Hinsichtlich Antragsverfahren und Förderbedingungen wurden dabei alle rechtlich zulässigen Vereinfachungsmöglichkeiten genutzt. Aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen, die Handelsverband und IHK NRW bestätigt hatten, wurde mit 500 förderwürdigen Anträgen gerechnet. Für den dafür erforderlichen Mittelbedarf war entsprechende Haushaltsvorsorge im Einzelplan 14 getroffen worden. Bis zum Ende der Einreichfrist sind allerdings insgesamt 2.179 Förderanträge eingegangen. Nach den Erfahrungen des Projektträgers Jülich (PTJ), der im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie die gesamte Organisation und das Bewertungs- und Bewilligungsverfahren übernommen hat, ist zu erwarten, dass davon 1.700 bis 1.900 Anträge förderwürdig sein werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12101 3 Angesichts der vorgenannten Antragszahlen haben wir einen weiteren Mittelbedarf von 15 Mio. € zur Finanzierung aus dem NRW-Rettungsschirm angemeldet. Nach entsprechender Einwilligung des Haushalts- und Finanzausschusses des Landtages hat das Finanzministerium am 9. November 2020 15 Mio. € aus dem Sonderprogramm Rettungsschirm des Landes zur Verfügung gestellt. Für das Sonderprogramm 2020 zum Projektaufruf „Digitalen und stationären Einzelhandel“ stehen nunmehr insgesamt 19 Mio. € zur Verfügung. Der Projektträger Jülich arbeitet intensiv daran, dass für alle Antragsteller und Antragstellerinnen bis Jahresende Klarheit herrscht, ob ihr Antrag bewilligt, abgelehnt oder zumindest einem vorzeitigen Maßnahmebeginn zugestimmt wird. Für förderwürdige Projekte könnten Händlerinnen und Händler, denen der Zuwendungsbescheid oder die Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmebeginn vorliegt, damit noch in diesem Jahr entsprechende Aufträge an Dienstleister vergeben, bei Projekten mit vorzeitigem Maßnahmebeginn natürlich zunächst auf eigenes Risiko. Die Händlerinnen und Händler werden zum Umgang mit der Möglichkeit des vorzeitigen Maßnahmebeginns von den Bearbeiterinnen und Bearbeitern beim Projektträger auf Wunsch beraten. 1. Wie viele Förderanträge konnten bis zum 12. November 2020 bereits bearbeitet oder bewilligt werden? Am 30. November 2020 stellte sich die Bearbeitungssituation der insgesamt 2.179 eingegangenen Förderanträge wie folgt dar: Anzahl der Förderanträge mit erfolgter Vollständigkeitsprüfung erfolgter fachlicher Bewertung erteilten Zuwendungsbescheiden erteilter Zulassung zum vorzeitigen Maßnahmebeginn 1.983 (91%) 803 243 228 Erkennbar ist, dass die nach jetzt erfolgter Mittelbereitstellung aus dem NRW-Rettungsschirm mögliche Zulassung von Ausnahmen vom vorzeitigen Maßnahmebeginn ein Beschleunigungspotential bietet, das der Projektträger verstärkt einsetzt. Der Projektträger Jülich (PTJ) und alle Beteiligten arbeiten unter Hochdruck an der Bearbeitung und haben hierzu auch weiteres Personal akquiriert. Es gilt allerdings zu beachten, dass jeder Förderantrag einer inhaltlichen und fachlichen Prüfung und Bewertung nach den im Aufruf festgelegten inhaltlichen Bewertungskriterien unterzogen werden muss. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12101 4 2. Förderzweck des Sonderprogramms sind „kurzfristige Projekte“: Wie schnell müssten nach Einschätzung der Landesregierung Digitalisierungsprojekte im Einzelhandel umgesetzt werden, damit sie helfen, die Folgen der Corona-Krise unmittelbar abzuwehren oder abzumildern? Es wird davon ausgegangen, dass Einzelhändlerinnen und Einzelhändler ihre individuellen Projekte, mit denen ihr Unternehmen den Anschluss an die Digitalisierung erhalten oder ausbauen kann, unter Inanspruchnahme von Dienstleistern in etwa drei bis vier Monaten umsetzen können. Bereits die digitale Sichtbarkeit eines Handelsunternehmens oder der Aufbau eines Onlineshops kann helfen, die Folgen der Corona-Krise abzuwehren oder abzumildern. Sollte diese Zeit für die Antragstellenden nicht reichen, besteht die Möglichkeit, den Bewilligungszeitraum zu verlängern. 3. Welche Ansprüche setzt die Landesregierung an sich selbst bei einem „schlanken Antrags- und zügigen Bewilligungsverfahren“? Auch ein schlankes Antrags- und zügiges Bewilligungsverfahren muss den Ansprüchen der Rechtssicherheit und Rechtmäßigkeit genügen. So muss auch gewährleistet und im Einzelfall geprüft werden, dass jeder eingereichte Antrag auf eine Projektförderung den vorgegebenen Antrags-, Bewertungs- und Bewilligungskriterien genügt. Da sich sowohl Antragsteller als auch eingereichte Projekte unterscheiden, bedarf jeder Antrag auch im Sinne des sparsamen und rechtssicheren Einsatzes von Steuermitteln einer Einzelfallprüfung. 4. Genügt eine automatisierte, per Mail verschickte Eingangsbestätigung auch den digitalen Innovationsansprüchen der Landesregierung bei der Gewährung ihrer Zuschüsse aus dem Sonderprogramm? Im Sonderprogramm 2020 zum Projektaufruf „Digitalen und stationären Einzelhandel zusammendenken“ konnten Interessenten den Antragsvorduck mit Erläuterungen von der Website www.digihandel.nrw herunterladen und in der Antragsphase auch an Webinaren teilnehmen. Die Anträge waren in elektronischer Form einzureichen. Nicht nur die Eingangsbestätigungen werden digital übermittelt, sondern auch Zuwendungs- und Ablehnungsbescheide und ggf. die Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmebeginn.