LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/12109 14.12.2020 Datum des Originals: 14.12.2020/Ausgegeben: 18.12.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4694 vom 25. November 2020 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/11970 Was tut die Landesregierung zur Unterstützung des ökologischen Weihnachtsbaumanbaus in Nordrhein-Westfalen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Rund 28 Millionen Tannenbäume werden in Deutschland jedes Jahr verkauft. Jeder dritte Baum stammt dabei aus NRW, der weitaus überwiegende Teil direkt aus der Sauerland- Region. Neben dem konventionellen Weihnachtsbaumanbau, der häufig mit einem erheblichen Einsatz von Pestiziden und Mineraldünger einhergeht, hat sich in den letzten Jahren auch der ökologische Weihnachtsbaumanbau (zertifiziert nach EU-Bio-Standard) etabliert. Nach dem Sturmtief Kyrill in 2007 und den damit verbundenen Folgen, sahen viele Waldbesitzerinnen und -besitzer in der Anlegung von Weihnachtsbaumplantagen die Möglichkeit, über eine Verpachtung der Fläche wirtschaftliche Ausfälle zu kompensieren. Durch den Anstieg der intensiven Weihnachtsbaumkulturen wurden in der Folge Wälder, Biodiversität und Böden stark belastet und zum Teil auch Anwohnerinnen und Anwohner. Daher hat die rot-grüne Landesregierung Ende 2013 mit einer Änderung des Landesforstgesetzes (LFoG) Maßnahmen auf den Weg gebracht, um den Wald vor einer schädigenden Ausbreitung von intensiven Weihnachtsbaum-Plantagen zu schützen. Die damals angelegten Plantagen dürfen nun bis Ende 2028 betrieben werden, PEFC-zertifizierte Flächen noch einmal 15 Jahre länger. Dann müssen diese Flächen der Waldentwicklung zurückgegeben werden. Weitere Kriterien sollten die Neuanlage von Weihnachtsbaumplantagen erschweren, wie zum Beispiel Regelungen zum Abstand oder zur Größe. In dem Zusammenhang der damaligen Gesetzesreform wurde der Forstbehörde ermöglicht, mit den Anbauern eine Vereinbarung über einen ökologisch verträglichen Weihnachtsbaumanbau abzuschließen. Mit einer solchen Vereinbarung wurde das Ziel verfolgt, den Anbau von ökologischen Weihnachtsbäumen zu stärken. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4694 mit Schreiben vom 14. Dezember 2020 namens der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12109 2 Vorbemerkung der Landesregierung In Nordrhein-Westfalen werden auf etwa 18.000 ha Weihnachtsbäume und Schmuckgrün produziert. Über Zweidrittel der Anbaufläche befindet sich auf landwirtschaftlichen Flächen. Der Anfragesteller nimmt Bezug auf die Änderung des Landesforstgesetzes durch Gesetz vom 03.12.2013 (GV. NRW. S. 727), das am 12.12.2013 in Kraft getreten ist. Mit der Änderung des Landesforstgesetzes wurde die Anlage von Weihnachtsbaum- und Schmuckreisigkulturen auf Waldflächen grundsätzlich genehmigungspflichtig. Der Bestandsschutz für die bis zum 12.12.2013 angelegten Weihnachtsbaum- und Schmuckreisigkulturen endet am 31.12.2028. Nur soweit bis Ende 2016 öffentlich-rechtliche Verträge zum umweltverträglichen Weihnachtsbaumanbau mit der Forstbehörde geschlossen wurden, können die Flächen über 2028 hinaus weiterhin für den Weihnachtsbaum- und Schmuckreisiganbau genutzt werden. Wurden keine Verträge abgeschlossen, sind diese Flächen bis zum 31.12.2028 durch waldbauliche Maßnahmen, die der Forstbehörde anzuzeigen sind, in eine Waldnutzung zu überführen. Andernfalls sind die Waldbesitzer verpflichtet, sich die Umwandlung der Fläche in eine andere Nutzungsart als Wald von der Forstbehörde genehmigen zu lassen. Die Antworten beziehen sich aufgrund des vom Anfragesteller genannten Bezugs ausschließlich auf Anbauflächen im Wald. Es sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass ausschließlich Weihnachtsbäume, die auf landwirtschaftlichen Flächen erzeugt wurden, unter den Anwendungsbereich der EG-Öko- Verordnung und dem dazugehörigen Öko-Kontrollverfahren incl. Zertifizierung fallen. Nach umweltverträglichen Standards auf Waldflächen erzeugte WBK werden daher im folgenden nicht als „ökologischer Anbau“ angesprochen. 1. Wie hat sich die Nutzung von Waldfläche durch Weihnachtsbaumkulturen seit der Änderung des LFoG in 2013 bis heute entwickelt? (Bitte nach konventionellen, ökologischen und PEFC-zertifizierten Anbau sowie nach Landkreisen differenzieren) Bis zur Gesetzesänderung im Dezember 2013 war es möglich, Weihnachtsbaumkulturen (WBK) auf Waldflächen ohne eine forstbehördliche Umwandlungsgenehmigung anzulegen. Der Gesetzgeber hatte diese Art der Waldflächenbewirtschaftung wegen der ursprünglich geringen Flächengröße nicht für regelungsbedürftig gehalten. Erst die Ausdehnung der Anbauflächen in Folge des Orkans Kyrill im Januar 2007 veranlasste den Gesetzgeber zur dargestellten Gesetzesänderung im Dezember 2013. Bis 2016 hat die Forstbehörde die auf Waldflächen angelegten WBK daher nur neutral, ohne Betreiber-Bezug, in einem Verzeichnis erfasst. Aus der Gesamtzahl der WBK Flächen konnten die Betreiber bis 2016 einen öffentlichrechtlichen Vertrag abschließen, um über die Bestandesschutzregelung bis Dezember 2028 die WBK im Wald weiter zu betreiben. An der bereits 2018 festgestellten Höhe der Bestandesschutzflächen abzüglich Flächen der Vertragsaufgabe von 65,86 ha und den vertragsteilnehmenden Flächen hat sich daher bis auf „redaktionelle“ Anpassungen von 7,44 ha am Ausmaß der Fläche nichts Wesentliches geändert. Ab 2014 angelegte WBK unterliegen nicht der Bestandesschutzregelung und werden von der Forstbehörde als ungenehmigte Waldumwandlungen eingeordnet und ordnungsrechtlich verfolgt. Erfasst ist eine Fläche von insgesamt 88,69 ha. Darin enthalten sind 16,11 ha strittige Umwandlungsfläche, über die derzeit ein Rechtsstreit beim OVG Münster geführt wird. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12109 3 Darüber hinaus räumt § 1 Abs. 2 Satz 2 Landesforstgesetz (LFoG) als Ausnahmeregelung jedem Waldbesitzer die Anlage von WBK unter zwei ha Gesamtfläche ohne Einschränkung als Nebennutzung im Betrieb ein. Von dieser Möglichkeit machten 21 Betreiber mit einer Fläche von 16,69 ha seit 2014 Gebrauch. Von der weiteren Ausnahmeregelung, der Anlage und dem Betrieb von WBK auf Waldflächen unter Energieleitungen, wurde auf 3,87 ha mit fünf Flächen Gebrauch gemacht. Waldbauliche Maßnahmen wurden auf 16,11 ha gewählt. Hierzu zählen im weitesten Sinne Wiederaufforstungen mit Nebennutzungen im Zuge der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft. Situation bis Dezember 2013 bis Dezember 2006 angelegt: 2.081 ha nach Kyrill ab Januar 2007 angelegt: 3.411 ha (Jan. 2007 bis Dez. 2013) Gesamtsumme bis 2013 angelegt: 5.492 ha davon Bestandesschutz 3.374 ha öffentlich-rechtlicher Vertrag darin 2.118 ha enthalten Anbaufläche mit spezifischen Standards mit 59,72 ha (Angaben aus der Erhebung Landesbetrieb Wald und Holz NRW zur Anfrage des Abgeordneten Norwich Rüße, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 23.11.2018 an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 05. Dezember 2018) Situation 2020 (kreisbezogen) Bestandesschutz bis 2028 (incl. aufgegebene Flächen) 3.225 ha öffentlich-rechtlicher Vertrag 2.048 ha (abzgl. Vertragsaufgabe 65,86 ha) 5.273 ha enthalten sind Anbaufläche mit spezifischen Standards mit 67,80 ha gesetzlich eingeräumte Ausnahmen bis 2018 185 ha 5.458 ha neu angelegte Ausnahmeflächen waldbauliche Maßnahme 16 ha 2 ha Regel 17 ha Energieleitungen 3 ha öffentlich-rechtlicher Vertrag (Anpassungen) 7 ha Umwandlung 2 ha 45 ha Rechtmäßig geführte WBK Fläche 5.503 ha unrechtmäßig angelegte WBK Fläche 89 ha Gesamtsumme WBK Fläche NRW 07.12.2020 5.592 ha (Angaben aus GIS Auswertung Landesbetrieb Wald und Holz NRW 12/2020) Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW erhebt keine gesonderten Daten zu mit spezifischen Standards produzierenden WBK – Flächen. Es liegen in Gesprächen gewonnene Informationen zu umweltverträglicher produzierenden Betrieben vor. Diese sind den Angaben zu den Kreisen zugeordnet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12109 4 Landkreisdifferenzierte Angaben können nur zum aktuellen Stand gemacht werden. 2017 wurden sämtliche Daten in das neue GIS-System ForstGIS 4.0 migriert. Es besitzen alle vorher im Zuge der Erstaufnahme aufgenommenen Daten die gleiche Datensignatur, so dass darüber keine Detailauswertungen geführt werden können. Landkreisdifferenzierte Auswertungen entnehmen Sie den Anlagen. Auswertungsbedingte Differenzen ergeben sich aus der Nichtberücksichtigung von Kleinstflächen bis ca. 100 m² sowie der Verifizierung des Flächenstatus einzelner Flächen. Als Fazit halten sich Zuwächse und Abgänge weitestgehend die Waage. Es wird ein Flächenzuwachs zwischen 2013 und 2020 von ca. 150 ha WBK Fläche festgestellt. Dieser resultiert mit ca. 50 ha aus dem Zuwachs durch Zuordnung und Neuanlage von WBK innerhalb der gesetzlichen Regelungen zu § 1 Abs. 2 Satz 2 – 6 LFoG sowie ca. 100 ha unrechtmäßig angelegten WBK gem. § 1 Abs.1 Satz 1.1 LFoG. Diese Flächen befinden sich in der ordnungsbehördlichen Bearbeitung. Daneben führen Flächenabgänge, in der Regel durch das „Durchwachsen“ älterer WBK Flächen in normale Waldbewirtschaftung zu dem Flächenabgang. Der konkrete Umfang wird von Wald und Holz NRW nicht kontinuierlich erfasst. 2. Was tut die Landesregierung, um den ökologischen Weihnachtsbaumanbau zu fördern: Gibt es zum Beispiel konkrete Unterstützungs- und Beratungsangebote für Betriebe, die gerne umsteigen wollen? Die Förderung des Weihnachtsbaumanbaus auf Waldflächen, auch nach umweltverträglichen Standards, ist nicht Teil der forstlichen Förderprogramme und Wiederbewaldungskonzepte. Im Zuge der Gesetzesänderung wurden 2014 Weihnachtsbaumversuchsflächen angelegt. Hier werden u.a. verschiedene biologische Substrate, Düngeformen und Abstände getestet. Ein Zwischenbericht wird 2021 vorliegen. 3. Verfolgt die Landesregierung beim Ausbau des ökologischen Weihnachtsbaumanbaus konkrete Wachstumsziele – ähnlich wie der Steigerung des Flächenanteils für den ökologischen Landbau? Nein, die Landesregierung verfolgt keine konkreten Wachstumsziele für den Ausbau eines umweltverträglichen Standards unterliegenden Weihnachtsbaumanbaus. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12109 5 4. Die durch das Zusammenwirken von Stürmen, Sommerdürren und Borkenkäferkalamitäten entstandenen Waldschäden sind dramatisch. Erachtet die Landesregierung die im Jahr 2013 erfolgten Änderungen des Landesforstgesetzes als ausreichend, um der Entstehung neuer, intensiver Weihnachtsbaumkulturen auf neu auftretenden Kahlflächen entgegen zu wirken? (Antwort bitte begründen) Die durch die Gesetzesänderung im Dezember 2013 vollzogene Herausnahme der Weihnachtsbaum- und Schmuckreisigkulturen aus dem Waldbegriff des Landeswaldgesetzes regelt abschließend, dass WBK auf Waldflächen kein Wald im Sinne des Gesetzes sind und deren Neuanlage ausschließlich im Zuge einer zu genehmigenden Waldumwandlung erfolgen kann. Diese Waldumwandlungsgenehmigungen werden im Regelfall nur erteilt, wenn die neue Nutzungsart für das Gemeinwohl von größerem Interesse ist und die nachteiligen Wirkungen der Umwandlung durch Nebenbestimmungen, wie z.B. die Verpflichtung zu Ersatzaufforstungen, abgewendet werden können. Rechte und Pflichten sowie wirtschaftliche Interessen des Waldbesitzers werden im Abwägungsprozess hinreichend berücksichtigt. Ungenehmigt angelegte WBK werden von der Forstbehörde ordnungsrechtlich verfolgt. Im Übrigen unterstützt Wald und Holz NRW die Waldbesitzer über die Forstbetriebsbezirke bei Erfüllung der Wiederaufforstungspflicht. Im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 Satz 2 LFoG zugelassenen Nebennutzung haben die Waldbesitzenden Möglichkeiten zur Weihnachtsbaum- und Schmuckreisiggewinnung. Wald und Holz NRW steht dazu in ständigem Austausch mit dem Gartenbauverband NRW, Fachgruppe Weihnachtsbaum- und Schmuckreisiganbau. 5. Nach der neuen EU-Bioverordnung, deren Einführung auf den 01.01.2022 verschoben wurde, ist es u.a. in Biobetrieben auch mit Ausnahmegenehmigungen nicht mehr möglich, Pflanzgut einzusetzen, welches in den Baumschulen mit konventionellen Mitteln behandelt wurde. Deutschlandweit gibt es nur drei Biobaumschulen für den Forstbereich, der Bedarf an Bio-Pflanzgut kann kaum in ausreichender Qualität gedeckt werden. Plant die Landesregierung, Baumschulen zu unterstützen, auf Bio umzustellen? Nein, die Landesregierung plant keine Unterstützung forstlicher Baumschulen, um auf Bioproduktion umzustellen. Die Umstellung auf Bioproduktion ist eine wirtschaftliche Entscheidung eines jeden Baumschulbetreibenden. Für land- und gartenbauliche Betriebe, die sich gesamtbetrieblich dem Öko-Kontrollverfahren nach der EU-Öko-Verordnung unterstellen und die sonstigen Fördervoraussetzungen erfüllen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit des Einbezugs von Baumschulflächen in die Förderung des Öko-Landbaus. Weihnachtsbaumkulturen selbst sind allerdings von der Förderung ausgeschlossen. Auch unter der neuen EU-Öko-Verordnung kann unter bestimmten Voraussetzungen mit Ausnahmegenehmigung konventionelles Pflanz- und Vermehrungsmaterial eingesetzt werden, wenn dieses aus ökologischer Erzeugung nachweislich nicht verfügbar ist. Eine Behandlung mit nach der Öko-Verordnung nicht zugelassenen Mitteln darf in diesem Fall nach der Ernte des Pflanzguts nicht mehr erfolgen [Anhang II Teil I Nr. 1.8.5.3. VO (EU) 2018/848]. Ungeachtet dessen wird die Einschätzung geteilt, dass die hiesige Nachfrage nach ökologisch erzeugtem Pflanzgut hoher Qualität das Angebot übersteigt.