LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/12215 22.12.2020 Datum des Originals: 21.12.2020/Ausgegeben: 29.12.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4698 vom 30. November 2020 der Abgeordneten Dr. Nadja Büteführ, Ernst-Wilhelm Rahe und Alexander Vogt SPD Drucksache 17/11995 Lokaljournalismus unter Druck! Warum bleibt die Landesregierung untätig? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Lokaljournalismus und die 44 lokalen Radiosender stehen unter Druck. Die zweite Corona- Welle verschärft diese Situation. Der im Mai beschlossene, sogenannte „Solidarpakt Lokalfunk NRW“ sollte den lokalen Hörfunk und damit die Medienvielfalt in NRW retten. Allerdings scheint der Solidarpakt nur ein Feigenblatt für die Landesregierung zu sein, um die medienpolitische Planlosigkeit oder die medienpolitischen Absichten im NRW-Lokalfunk-System zu verschleiern. Die im Solidarpakt verankerte Beschäftigungsgarantie bis zum 30. September 2020 war für die redaktionelle Personalsituation von vornherein wirkungslos. Denn der Stellenplan der Lokalradiosender für das Folgejahr wird immer erst am Ende des Jahres zwischen den Veranstaltergemeinschaften und den Betriebsgesellschaften verhandelt. Auch die Fördersumme von 700.000 Euro (jeweils 350.000 Euro durch das Land und die Landesanstalt für Medien NRW), die durchschnittlich weniger als 16.000 Euro pro Radiosender bedeutete, war von vornherein ungenügend. Begründet wurde diese begrenzte Fördersumme mit angeblichen Begrenzungen durch das EU-Beihilferecht. Die Landesregierung lobte sich seinerzeit selbst und betonte, die „Kombination aus finanzieller Hilfe einerseits und einer Beschäftigungsgarantie andererseits“ sei in dieser Form als „bundesweit einmalig“ herauszustellen.1 Derzeit, also wenige Wochen nach dem Auslaufen des „Solidarpakts“ sind in den Verhandlungen um die Wirtschafts- und Stellenpläne für 2021 massive Einschnitte beim festangestellten Personal und bei den Etats für die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erkennen. Nach Auffassung der zuständigen Gewerkschaften hätte man die Verlängerung des Solidarpakts längst veranlassen müssen. Es wird zurecht kritisiert, dass sich die Journalistinnen und Journalisten erneut um ihre Stellen und Aufträge Sorgen machen müssen.2 1 Vgl. Protokoll der 43. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien am 14.05.2020. 2 Vgl. Presse-Information Deutscher Journalistenverband (DJV) NRW vom 10.11.2020. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12215 2 Selbst Veranstaltergemeinschaften (VGen) von wirtschaftlich stärkeren Lokalsendern werden nach Informationen aus Gewerkschafts- und aus VG-Kreisen von den Betriebsgesellschaften dazu gedrängt, den geplanten Personalkürzungen zuzustimmen. Die verschärfte wirtschaftliche Situation und das Verhalten der Betriebsgesellschaften in dem seit über 30 Jahren erfolgreichen NRW-Lokalfunk-System bringt die Medienvielfalt in NRW in Gefahr. Die Landesregierung stellt fest, dass „in der besonderen Struktur der Lokalsender und deren gesellschaftsrechtlicher Verflechtung mit den Verlagen“ eine besondere Verantwortung liegt.3 Die Verlagshäuser in NRW haben mit dem „Zwei-Säulen-Modell“ (Trennung von Programmverantwortung und wirtschaftlicher Betätigung im Werbemarkt) und der flächendeckenden wirtschaftlichen Ausstattung des Lokalfunks in 44 Verbreitungsgebieten eine rechtliche Grundlage für die privilegierte Beteiligung an den Betriebsgesellschaften im Gesamtsystem des lokalen Rundfunks. Durch die Kürzung der Haushaltstitel für journalistische Arbeit in den Lokalstationen wird dieses Verlegerprivileg von den Verlagshäusern selbst infrage gestellt. Gleiches würde auch für die Aufgabe einzelner Betriebsgesellschaften in NRW aufgrund ökonomischer Schwierigkeiten gelten. Außerdem müssen die Veranstaltergemeinschaften in ihrem Bemühen gestärkt werden, die redaktionelle Ausstattung ihres Lokalprogramms zu sichern und die Ausdünnung des Stellenplans sowie des Etats für freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verhindern. Der Ministerpräsident hat die Kleine Anfrage 4698 mit Schreiben vom 21. Dezember 2020 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Inwieweit sind der Landesregierung die Versuche einzelner Betriebsgesellschaften bekannt, die Personalausstattung sowie die Etats für freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Verhandlungen über die Wirtschafts- und Stellenpläne für 2021 mit den Veranstaltergemeinschaften auszudünnen? Der Landesregierung liegen hierzu keine eigenen Informationen vor. Die für die Aufsicht über den privaten Rundfunk zuständige Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen teilte auf Nachfrage mit, dass ihr vereinzelt sehr unspezifische bzw. wenig konkrete Hinweise zu Veränderungen der personellen Ausstattung der lokalen Hörfunksender zugegangen seien. Auf ihre Nachfragen bei den lokalen Veranstaltergemeinschaften seien die Befürchtungen jeweils bisher nicht bestätigt worden. Bislang gehe die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen davon aus, dass die Zusagen aus dem Solidarpakt betreffend den Erhalt von Arbeitsplätzen eingehalten worden sind und sich dies über den Verwendungsnachweis auch bestätigen wird. 3 Vgl, Protokoll der 43. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien am 14.05.2020 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12215 3 Die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen hat ergänzend darauf hingewiesen, dass es in einem Verbreitungsgebiet bereits zu Beginn der Pandemie zu Kurzarbeit gekommen sei. Ob dies Einfluss auf die Förderung im Rahmen des Solidarpakts hat, werde geprüft. Das Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen sieht im Rahmen der Zulassung Maßgaben zur wirtschaftlichen und organisatorischen Ausstattung der Lokalsender vor. Veränderungen in der Personal- und Finanzausstattung haben sich daher in dem in den Lizenzen jeweils festgelegten Rahmen zu bewegen. Die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen hat mitgeteilt, dass sie auch insofern im Kontakt mit allen Veranstaltergemeinschaften sowie mit Vertretern des VLR, des BG-Verbandes und radio NRW stehe. 2. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um angesichts der aktuell weiter andauernden Corona-Krise die Maßnahmen des „Solidarpakts Lokalfunk NRW“ weiterzuführen bzw. damit die personelle Ausstattung der lokalen Hörfunkstationen in NRW über den Monat September 2020 hinaus zu sichern? Sowohl bei der Unterstützung des Solidarpaktes durch Mittel des Landes Nordrhein-Westfalen als auch bei den vom Bund zur Verfügung gestellten Fördermitteln hat die Landesregierung deutlich gemacht, dass diese Hilfen nur zeitlich begrenzte Maßnahmen zur Reduzierung der pandemiebedingten Belastungen sein können. Sie ersetzen nicht zusätzlich erforderliche Anstrengungen des Lokalfunks, die grundsätzlichen Herausforderungen der sich verändernden Medienlandschaft zu bewältigen. Mit den Mitteln aus dem „Solidarpakt Lokalfunk NRW“ sowie dem Maßnahmenpaket „NEUSTART KULTUR“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien kann ein erheblicher Teil der pandemiebedingten Schäden im Lokalen Hörfunk abgemildert werden. Die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen wurde vor dem Hintergrund der von ihr durchgeführten Verfahren zur Vergabe von Hilfen aus dem Solidarpakt bzw. dem Bundesprogramm „NEUSTART KULTUR“ um Einschätzung gebeten. Nach ihrer Mitteilung zeichnet sich in 2020 für den gesamten Audiobereich in NRW eine rückläufige ökonomische Entwicklung ab. Die Entwicklung seien jedoch bei weitem nicht so drastisch wie im März des Jahres durch Branchenbeteiligte prognostiziert. Aus Sicht der Landesanstalt für Medien liegen aktuell keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Unternehmen im Bereich des Lokalfunks alleine aufgrund der unmittelbaren Folgen der Pandemie in eine existentielle Lage geraten seien. Vor diesem Hintergrund sind vonseiten der Landesregierung derzeit keine weiteren spezifischen Zuwendungen an den Lokalen Hörfunk in Nordrhein-Westfalen geplant (siehe auch Antwort zu Frage 5 der Kleinen Anfragen 4555 bis 4598). 3. Verfolgt die Landesregierung weiterhin das Ziel, den flächendeckenden Lokalfunk in allen 44 Verbreitungsgebieten unter den Bedingungen des „Zwei-Säulen- Modells“ nachhaltig zu sichern? Die Landesregierung hat mit den angestoßenen Reformen im Rahmen der Gesamtstrategie „Radio in NRW 2022“, wie im Koalitionsvertrag avisiert, die Rahmenbedingungen für ein vielfältiges und zukunftsfähiges Radio und einen wirtschaftlich tragfähigen Lokalfunk im digitalen Zeitalter geschaffen. Es bedarf nun der Initiative der Beteiligten, die durch den neuen Rahmen gegebenen Möglichkeiten zu nutzen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12215 4 4. Unter welchen personellen Bedingungen wurden jeweils die Sendelizenzen für die 44 Lokalstationen erteilt (mit der Bitte um Auflistung der 44 Verbreitungsgebiete nach Lizensierungsdatum und -dauer sowie der Anzahl der festen Stellen - inkl. Volontärinnen und Volontäre sowie des Etats für freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Lizenzerteilung; ggf. zur Wahrung des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses in anonymisierter Form)? Die lizenzgebende und aufsichtführende Stelle ist die Landesanstalt für Medien Nordrhein- Westfalen. Als staatsfern organisierte Stelle obliegt ihr nach pflichtgemäßem Ermessen die Prüfung und Konkretisierung der gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen im Einzelfall. 5. Welche Mindestanforderungen muss eine Lokalradioredaktion aus Sicht der Landesregierung erfüllen, um ihrem Programmauftrag gerecht werden zu können (bezogen auf die Zahl der festen und freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Dauer des lokalen Programms etc.)? Die Mindestvoraussetzungen für die Veranstaltung von Lokalem Hörfunk legt das Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen fest. Die Entscheidung im Einzelfall obliegt der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (vgl. hierzu auch Antwort zu Frage 4).