LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/12217 22.12.2020 Datum des Originals: 22.12.2020/Ausgegeben: 29.12.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4693 vom 25. November 2020 der Abgeordneten Thomas Röckemann und Markus Wagner AfD Drucksache 17/11969 Staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen Terrorismus in Nordrhein- Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach den Anschlägen in Paris, Dresden, Conflans-Saint-Honorine, Nizza und Wien berieten die Innen- und Justizminister der Europäischen Union am 13. November 2020, dem fünften Jahrestag nach den Anschlägen in Paris, ein gemeinsames Konzept gegen den Terrorismus in Europa. Vor allem der Schengenraum soll in den Fokus rücken, um die EU-Außengrenzen wirksam zu schützen.1 In dem Entwurf heißt es „Die Geißel des gewaltbereiten Extremismus und Terrorismus wird Europa nicht in seinen Grundfesten erschüttern. Die Terroristen können ihren Kampf nicht gewinnen“.2 Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahre 2001 von der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems. Dabei wird die statistische Erfassung in die Bereiche „PMK-links“, „PMK-rechts“, „PMK-ausländische Ideologie“, „PMK-religiöse Ideologie“ eingeteilt. Eine ähnliche Anfrage wurde im Bundestag unter der Drucksachennummer 19/6595 gestellt. 3 Sie bezog sich lediglich auf das Jahr 2018 und nicht auf das Land Nordrhein-Westfalen. Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 4693 mit Schreiben vom 22. Dezember 2020 namens der Landesregierung beantwortet. 1 https://www.tagesschau.de/ausland/eu-innenminister-migration-101.html (abgerufen am 13.11.2020). 2 https://de.reuters.com/article/eu-sicherheit-innenminister-idDEKBN27T0WJ (abgerufen am 13.11.2020). 3 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/069/1906904.pdf (abgerufen am 13.11.2020). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12217 2 1. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden seit dem Jahre 2010 bei den General- und Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen mit Bezug zum religiösen Terrorismus eingeleitet? (Bitte nach Religion/Glaubenszugehörigkeit, Jahr, Art und Anzahl der Tatvorwürfe aufschlüsseln) 2. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden seit dem Jahre 2010 bei den General- und Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen mit Bezug zum ausländischen Terrorismus eingeleitet? (Bitte nach Jahr, Art und Anzahl der Tatvorwürfe aufschlüsseln) 3. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden seit dem Jahre 2010 bei den General- und Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen mit Bezug zum Rechtsterrorismus eingeleitet? (Bitte nach Jahr, Art und Anzahl der Tatvorwürfe aufschlüsseln) 4. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden seit dem Jahre 2010 bei den General- und Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen mit Bezug zum Linksterrorismus eingeleitet? (Bitte nach Jahr, Art und Anzahl der Tatvorwürfe aufschlüsseln) 5. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden seit dem Jahre 2010 bei den General- und Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen ohne erkennbaren Bezug unter „Sonstige“ eingeleitet? (Bitte nach Jahr, Art und Anzahl der Tatvorwürfe aufschlüsseln Die Fragen 1 bis 5 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Zu Ermittlungsverfahren der erfragten Art hat der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf dem Ministerium der Justiz mit Berichten vom 21. März 2019 und 26. März 2020 u. a. mitgeteilt, dass die bei ihm mit Allgemeinverfügung vom 13. März 2018 angesiedelte Zentralstelle für Terrorismusverfolgung Nordrhein-Westfalen (ZenTer NRW) zum 1. April 2018 insgesamt 148 Ermittlungsverfahren wegen Bildung terroristischer Vereinigungen (§ 129a Strafgesetzbuch) bzw. krimineller und terroristischer Vereinigung im Ausland (§ 129b Strafgesetzbuch) übernommen habe, die bereits vor dem 1. April 2018 durch den Generalbundesanwalt an die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf gemäß §§ 142a Absätze 2 bis 4, 120 Absatz 1 Gerichtsverfassungsgesetz abgegeben worden waren. Hiervon seien insgesamt 27 Verfahren der Kategorie „ausländisch“ und die anderen der Kategorie „religiös“ zuzuordnen. Darüber hinaus habe die ZenTer NRW im Zeitraum 1. April 2018 bis 12. März 2019 38 neue Ermittlungsverfahren wegen §§ 129a, 129b Strafgesetzbuch von dem Generalbundesanwalt übernommen, wobei die Verfahrensübernahme in 27 Fällen im Jahr 2018 und in elf Fällen im Jahr 2019 erfolgt sei. Sieben dieser Verfahren seien der Kategorie „ausländisch“ und die weiteren 31 Verfahren der Kategorie „religiös“ zuzuordnen. Ferner habe die Zentralstelle in dem identischen Zeitraum 71 Ermittlungsverfahren wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Strafgesetzbuch), zwei Verfahren wegen Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89b Strafgesetzbuch), 46 Verfahren wegen Terrorismusfinanzierung (§ 89c Strafgesetzbuch) und zwei Verfahren wegen Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 91 Strafgesetzbuch) geführt. Von diesen insgesamt 121 Ermittlungsverfahren gemäß §§ 89a ff. Strafgesetzbuch seien 89 im Jahr 2018 und 32 im Jahr 2019 geführt worden. Im Zeitraum 13. März 2019 bis 17. März 2020 habe die ZenTer NRW 34 weitere Ermittlungsverfahren gemäß §§ 129a, 129b Strafgesetzbuch von dem Generalbundesanwalt übernommen (27 Verfahren im Jahr 2019 und sieben Verfahren im Jahr 2020). Hiervon seien 32 der Kategorie „religiös“ und zwei der Kategorie „ausländisch“ zuzuordnen. Darüber hinaus LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12217 3 habe die ZenTer NRW in demselben Zeitraum 77 neue Ermittlungsverfahren gemäß §§ 89a ff. Strafgesetzbuch geführt (58 Verfahren im Jahr 2019 und 19 Verfahren im Jahr 2020). Diese gliederten sich wie folgt auf: • 20 Verfahren wegen § 89a Strafgesetzbuch, • vier Verfahren wegen 89b Strafgesetzbuch, • 51 Verfahren wegen § 89c Strafgesetzbuch und • zwei Verfahren wegen § 91 Strafgesetzbuch. Ergänzend hat der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf dem Ministerium der Justiz am 16. Dezember 2020 berichtet, dass es sich bei den insgesamt von der ZenTer NRW gemäß §§ 89a ff. Strafgesetzbuch geführten Ermittlungsverfahren ganz überwiegend um solche handele, die mit einem islamistischen Hintergrund der Kategorie „religiös“ zuzuordnen seien. Darüber hinausgehende Daten liegen in aufbereiteter Form nicht vor und können mit einem für die Strafrechtspflege vertretbaren Aufwand nicht beschafft werden. In den bundesweit abgestimmten Statistiken der Justiz und den Datenbanken der nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften werden Ermittlungsverfahren „wegen Terrorismus“ bzw. „mit Bezügen zum Terrorismus“ nicht gesondert erfasst. Die umfassende Erhebung der erfragten Daten bedürfte folglich der Durchsicht sämtlicher hierfür in Betracht zu ziehenden staatsanwaltschaftlichen Verfahrensakten seit dem Jahr 2010.