LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/12228 23.12.2020 Datum des Originals: 23.12.2020/Ausgegeben: 30.12.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4697 vom 27. November 2020 der Abgeordneten Matthi Bolte-Richter und Arndt Klocke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/11994 Verhalten des Landesbetriebs Straßen.NRW zum Lärmschutz und zur Mobilitätswende in Bielefeld Im September 2019 hat der Stadtentwicklungsausschuss der Stadt Bielefeld einen Beschluss zum Thema Lärmschutz auf der B61 (Ostwestfalendamm) gefasst. Es wurde eine Höchstgeschwindigkeit rund um die Uhr von 80 km/h angeordnet, um die Anwohnerinnen und Anwohner besser vor Lärmemissionen zu schützen. Auf dem im Zuständigkeitsbereich des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW) liegenden Abschnitt wurde dieser Beschluss bisher nur teilweise umgesetzt. Abschnittsweise gilt dort weiterhin die Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h zwischen 6:00 und 22:00 Uhr. Der Landesbetrieb begründet seine Haltung damit, dass dieser Ende 2019 im Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Minden nicht ordnungsgemäß angehört wurde. In seinem Urteil hatte das Gericht festgestellt, dass die bisherige Berechnung der Lärmbelastung für die Anwohnerinnen und Anwohner falsch war und unter anderem LKW mit 3,5 Tonnen falsch klassifiziert wurden. Auf diesen falschen Berechnungen begründen sich die Lärmschutzmaßnahmen , die Straßen.NRW auf dem eigenen Teilabschnitt umsetzt. Während die Stadt Bielefeld die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf dem eigenen Abschnitt durch eine stationäre Blitzanlage kontrolliert, wird auf dem Abschnitt des Landesbetriebes nicht kontrolliert. Das führt zu zahlreichen Geschwindigkeitsüberschreitungen; die Anwohner im Stadtgebiet leiden unter stark erhöhtem Verkehrslärm. Neben einem konsequenten Lärmschutz möchte die Stadt Bielefeld auch im Verkehrssektor die CO2-Emissionen reduzieren, um die Klimaschutzziele umzusetzen. Im Zentrum der Anstrengungen steht dabei eine Mobilitätswende, die anderen Verkehrsteilnehmenden mehr Platz im Straßenverkehr einräumen soll. So will die Stadt Bielefeld mit ihrer Mobilitätsstrategie den Anteil des Umweltverbundes am Gesamtverkehrsaufkommen auf 75 Prozent steigern und strebt gleichzeitig eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs von 50 auf 25 Prozent an.1 1 https://bielefeld.wideviu.de/wp-content/uploads/sites/88/2019/05/Rupprecht_Consult-1.pdf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12228 2 Der Minister für Verkehr hat die Kleine Anfrage 4697 mit Schreiben vom 18. Dezember 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Haltung des Landesbetriebs Straßen.NRW, auf den in der Straßenbaulast des Landes liegenden Abschnitten der B61 (Ostwestfalendamm ) die Höchstgeschwindigkeit nicht auf 80 km/h beschränken zu wollen, obwohl die Stadt Bielefeld dies für den gesamten Ostwestfalendamm beschlossen hat? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Haltung von Straßen.NRW, eine vom Verwaltungsgericht Minden festgestellte falsche Berechnung der Lärmbelastung auf der B61 nach wie vor zur Grundlage für die Anordnung von Tempo 100 km/h zu nehmen? 3. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass sich Straßen.NRW an geltende Gerichtsbeschlüsse hält und dem Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner vor Lärmbelastung Priorität vor den Bedürfnissen eines schnelleren Autoverkehrs einräumt? Die Fragen 1 bis 3 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen hat als Baulastträger eine neuerliche lärmtechnische Berechnung durchgeführt, bei der die Anmerkungen im Urteil des Verwaltungsgerichts Minden berücksichtigt wurden. Die Ergebnisse wurden mit der Stadt Bielefeld als zuständige Straßenverkehrsbehörde abgestimmt. Die Beschilderung der von der Stadt Bielefeld auf dieser Basis am 30.09.2020 angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h für den Bereich eines ca. 800 m langen Abschnitts in der Baulast des Landes wurde am 07.10.2020 aufgestellt und damit umgesetzt. Dem Ansinnen der Anwohnerinnen und Anwohner wird damit Rechnung getragen. Die Einrichtung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h für den gesamten Ostwestfalendamm ist im Einvernehmen mit der Stadt Bielefeld nicht beabsichtigt. 4. Sieht die Landesregierung in der Umsetzung von Section Control eine geeignete Methode, die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf dem gesamten Ostwestfalendamm zu überwachen? Der Deutsche Verkehrsgerichtstag hat sich im Jahr 2009 für einen Modellversuch „Abschnittskontrolle " (sog. Section Control) unter bestimmten Kriterien ausgesprochen. Zu der auch von Seiten des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) angestrebten Realisierung zeigte sich im Jahr 2014 das Land Niedersachsen in Form eines Pilotprojekts bereit. Nach dem erforderlichen Zertifizierungsverfahren der Technik durch die Physikalisch-Technische-Bundesanstalt und den niedersächsischen Landesbetrieb für das Mess- und Eichwesen erfolgte dann im Januar 2019 der Start des bundesweit einzigartigen Pilotprojekts. Dieses sollte zunächst am 30.06.2020 enden. Die Durchführung des Pilotprojektes wurde jedoch verwaltungsgerichtlich beklagt. Nachdem das Land Niedersachsen mit § 32 Abs. 7 eine taugliche Rechtsgrundlage in das Niedersächsische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) eingefügt hatte, bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Durchführung des Pilotbetriebes mit Beschluss vom 31.07.2020. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/12228 3 Das Pilotprojekt befindet sich derzeit in der Schlussphase. Nach seinem Abschluss Ende 2020 wird das Land Niedersachsen seine hieraus gewonnenen Erkenntnisse in einem Abschlussbericht niederlegen und auch zur Frage, ob darauf basierend eine bundesweite Nutzung empfohlen werden kann, Stellung nehmen. In Nordrhein-Westfalen existiert eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz der sog. Section Control nicht. Insoweit hält es die Landesregierung derzeit für nicht geboten, sich zu einer Eignung einzelner Standorte zu äußern. 5. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass auch der Landesbetrieb Straßenbau NRW auf den in der Straßenbaulast des Landes liegenden Straßen die von Kommunen beschlossene Umsetzung der Klimaschutzziele und der Mobilitätswende unterstützt ? Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und der rechtlichen Möglichkeiten werden die Interessen der Kommunen zur Umsetzung der Klimaschutzziele und der Mobilitätswende selbstverständlich auch vom Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen auf den in seiner Zuständigkeit liegenden Straßen berücksichtigt. Wie auch im hier geschilderten Fall, werden entsprechende Maßnahmen bei Bedarf zwischen den Kommunen und dem Landesbetrieb abgestimmt .