LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1257 17.11.2017 Datum des Originals: 16.11.2017/Ausgegeben: 22.11.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 395 vom 11. Oktober 2017 des Abgeordneten Guido van den Berg SPD Drucksache 17/912 Wie steht die Landesregierung zu den von der EU beabsichtigten neuen Grenzwerten bei Quecksilber- und Sickoxide-Emissionen für Großfeuerungsanlagen (LCP BREF)? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die EU-Kommission hat am 31. Juli 2017 ihre Überarbeitung des BREF-Dokuments für Großfeuerungsanlagen (LCP BREF) vorgestellt. Demnach sollen Emissions-Bandbreiten von maximal 175 Milligramm Stickoxide je Normkubikmeter Rauchgas (mg/Nm³ NOx) sowie eine Bandbreite von unter 1 bis 7 Mikrogramm Quecksilber je Normkubikmeter Rauchgas (µg/Nm³) für bestehende Braunkohlenkraftwerke mit einer thermischen Leistung von mehr als 300 Megawatt (MW) erreicht werden. Der Beschluss ist am 17. August 2017 im EU-Amtsblatt veröffentlicht worden. Nach der Industrie-Emissionen Richtlinie (IED) haben nun die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass betreiberseitig die neuen Grenzwerte nach Ablauf einer vierjährigen Umsetzungsfrist im Normalbetrieb der Anlagen nicht überschritten werden. Gegen den Beschluss kann eine Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof bis zum 10. November 2017 erhoben werden. Angeblich sollen die Landesregierungen von Nordrhein- Westfalen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt sowie die Sächsische Staatsregierung in einem Schreiben an die Bundesregierung im August 2017 eine solche Klage in Erwägung gezogen haben. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 395 mit Schreiben vom 16. November 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet. 1. Welche Einschätzungen hat die Landesregierung zum verfah-rensmäßigen Zustandekommen der EU-Beschlüsse im Artikel 75-Ausschuss, zur LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1257 2 sachgerechten Abwägung und Ableitung neuer Grenzwerte für Stickoxide und den Grenzwertbandbreiten für Quecksilber? 4. Teilt die Landesregierung Bedenken, dass die Grenzwerte fachlich nicht korrekt entwickelt worden sein sollen? Fragen 1 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Die Landesregierung hat sich für eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Zustandekommens der Grenzwerte ausgesprochen. Nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen des deutschen Vertreters im Artikel 75-Ausschuss erhielt die Entscheidung zu den BVT-Schlussfolgerungen für Großfeuerungsanlagen vom 28.4.2017 die notwendigen qualifizierten Mehrheiten (Staaten- Mehrheit: 71,42 % mit 20 von 28 EU-Mitgliedsstaaten; Bevölkerungsmehrheit: 65,14 %). Hinsichtlich der Abwägung und Ableitung der Emissionsbandbreite zur Emissionsbegrenzung von Stickstoffoxiden für bestehende (d. h. vor dem 7.1.2014 in Betrieb gegangene) braunkohlegefeuerte Wirbelschichtfeuerungen und Staubfeuerungen (BVT 20 Tabelle 3, Fußnote 5) sind Deutschland und andere Staaten für eine weniger strenge Emissionsbegrenzung (190 mg/m3 statt 175 mg/m3) eingetreten. Bezüglich der beschlossenen Emissionsbandbreiten zur Emissionsbegrenzung von Quecksilber hat Deutschland keine von der Beschlussvorlage abweichende Regelung gefordert. 2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Auswirkungen der neuen Grenzwerte des LCP BREF für Großfeuerungsanlagen in Nordrhein-Westfalen? In Nordrhein-Westfalen werden derzeit noch 21 Braunkohle-Kraftwerksblöcke mit einer Feuerungswärmeleistung von mehr als 300 MWth betrieben, davon befinden sich zwei in der Sicherherheitsbereitschaft. Drei weitere Kraftwerksblöcke werden in den Jahren 2018 und 2019 in die Sicherheitsbereitschaft überführt werden. Das LCP BREF schreibt für diese Anlagen als Mindestanforderung einen Emissionsgrenzwert für Stickstoffoxide von 175 mg/m³ vor. Sechs Kraftwerksblöcke haben diesen Wert in der Vergangenheit in einzelnen oder mehreren Jahren unterschritten (Aussage auf Basis der von den Betreibern gemeldeten Emissionsfernüberwachungsdaten der letzten 5 Jahre, siehe beigefügte Tabelle). Zur sicheren Einhaltung des Wertes müssen bei diesen Anlagen und den anderen Kraftwerksblöcken weitere Maßnahmen durchgeführt werden. Soweit dies mit verhältnismäßigen Mitteln nicht möglich ist, können Ausnahmen beantragt werden. Gemäß den der Landesregierung vorliegenden Daten zu den Quecksilber- Emissionskonzentrationen für die der 13. BImSchV unterliegenden Braunkohlekraftwerke für das Jahr 2012 haben 42 von 48 der derzeit in Betrieb befindlichen nordrhein-westfälischen Braunkohlefeuerungen die von der EU für bestehende große Braunkohlekraftwerke beschlossene obere Grenze der Emissionsbandbreite für Quecksilber von 7 µg/m3 unterschritten (vgl. auch LT-Vorlage16/3833). Zudem ist bekannt, dass derzeit im Rahmen der Hgcap(ture)-Forschungs-initiative des VGB PowerTech e. V. Versuche mit verschiedenen Verfahren zur Quecksiber-Emissionsminderung an Kraftwerken, insbesondere auch an einem Braunkohleblock in Nordrhein-Westfalen durchgeführt werden. Es ist daher zu erwarten, dass in naher Zukunft Erkenntnisse zur LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1257 3 praktischen Anwendbarkeit weitergehender spezifischer Qecksilberminderungstechniken vorliegen werden. 3. Ist es zutreffend, dass sich die Landesregierung Nordrhein-Westfalen wegen der Folgen gemeinsam mit den Landesregierun-gen von Brandenburg und Sachsen- Anhalt sowie der Sächsischen Staatsregierung an die Bundesregierung gewandt hat (Wenn ja, mit welchem Inhalt)? Die Ministerpräsidenten der Länder Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein- Westfalen haben sowohl in direkten Gesprächen mit dem Chef des Bundeskanzleramtes, als auch durch gemeinsame Schreiben an den Chef des Bundeskanzleramtes Peter Altmaier, an den Präsidenten der EU-Kommission Jean-Claude Juncker und den EU-Umweltkommissar Karmenu Vella Änderungen am Durchführungsbeschluss über BVT-Schlussfolgerungen für Großfeuerungsanlagen vom 28. April 2017 in Bezug auf die Grenzwerte für Stickstoff- und Quecksilberemissionen gefordert. Zudem haben die vier Ministerpräsidenten die Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries gebeten, auch angesichts der sozialen und wirtschaftspolitischen Auswirkungen der verschärften EU-Vorgaben Nichtigkeitsklage gegen die BVT-Schlussfolgerungen nach Art. 263 AEUV zu erheben. In der Sache vertreten die vier Ministerpräsidenten zudem die Auffassung, dass im Rahmen der nationalen Umsetzung der BVT-Schlussfolgerungen für Großfeuerungsanlagen eine abstrakt-generelle Ausnahmeregelung für NOx-Grenzwerte bei bestimmten Braunkohleanlagen in der 13. BImSchV eingeführt werden sollte. Diese Position wurde auch in den Gesprächen der Braunkohlenländer mit den beteiligten Bundesessorts und den Bundeskanzleramt deutlich gemacht. 5. Wie beurteilt die Landesregierung Hinweise, dass in der EU nur solche Techniken festgelegt werden dürfen, die ökonomisch ver-hältnismäßig und technisch verfügbar seien, um zu einer verhält-nismäßigen Entscheidung zu kommen? Mit der Industrieemissions-Richtlinie 2010/75/EU vom 24. November 2010 selbst – die Grundlage für die Erarbeitung und Verabschiedung von BVT-Schlussfolgerungen ist – wird geregelt, dass BVT-Schlussfolgerungen auf Basis der besten verfügbaren Techniken abzuleiten sind. Bei der Definition in Artikel 3 Nr. 10 der Richtlinie werden verfügbare Techniken definiert als Techniken, die in einem Maßstab entwickelt sind, der unter Berücksichtigung des Kosten/Nutzen-Verhältnisses die Anwendung unter in dem betreffenden industriellen Sektor wirtschaftlich und technisch vertretbaren Verhältnissen ermöglicht.