LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1295 22.11.2017 Datum des Originals: 20.11.2017/Ausgegeben: 27.11.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 423 vom 12. Oktober 2017 des Abgeordneten Stefan Zimkeit SPD Drucksache 17/940 Möglicher Wechsel von der Firmenzentrale von Thyssen in die Niederlande – Steuerausfälle für das Land und die Kommunen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die geplante Fusion der Stahlsparte von Thyssen mit dem indischen Konzern Tata stößt bei den Beschäftigten und den Gewerkschaften auf massiven Widerstand. Die neue Gesellschaft mit etwa 48.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern soll dem Vernehmen nach ihren Sitz in den Niederlanden haben. Dabei gehen nicht nur Rechte der Mitbestimmung für die Beschäftigten verloren, sondern es locken auch Steuervorteile. Nach einer Studie von OXFAM sind die Niederlande auf Platz 3 der Steueroasen weltweit, noch vor den Bahamas und Jersey. So erklärt Oxfam in er Presseerklärung vom 24. Mai 2016: Dem Bericht zufolge sind in den Niederlanden mehr als 14.000 Unternehmen ansässig, die ausschließlich dem Zweck dienen, Zahlungsströme um- und weiterzuleiten, viele davon sind Briefkastenfirmen. Internationale Konzerne wickeln darüber Zahlungen von bis zu 3,5 Billionen Euro pro Jahr ab, die in keinem Verhältnis zu ihrer wirtschaftlichen Aktivität vor Ort stehen. Im Jahr 2013 liefen in den Niederlanden 83 Prozent aller eingehenden und 78 Prozent aller ausgehenden Investitionen über solche Firmen. So ist es in den Niederlanden auch möglich, das Konzerne sich durch weitreichende Absprachen mit den Behörden auf eine Steuergestaltung zu ihren Gunsten einigen können. Dem Geschäftsbericht 2015/2016 der thyssenkrupp AG ist zu entnehmen, dass der ausgewiesene Steueraufwand des Gesamtkonzerns sich auf 319 Mio. € belief. Auch wenn die Stahlsparte nur einen Teil des Gesamtkonzerns ist, so werden durch die Verlagerung in die Niederlande den öffentlichen Kassen Einnahmen aus Ertragsteuern fehlen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1295 2 Der Minister der Finanzen hat die Kleine Anfrage 423 mit Schreiben vom 20. November 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung sowie dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet. 1. Teilt die Landesregierung die Ansicht, dass die Niederlande eine Steueroase sind? 2. Wenn ja, wie steht die Landesregierung zu diesen Praktiken? 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass eine Verlagerung des Standortes der neuen Stahlsparte von Thyssen und Tata in die Niederlande zu Steuerausfällen in den öffentlichen Kassen des Landes NRW sowie den betroffenen Kommunen in NRW führen wird? Die Fragen 1 bis 3 werden zusammen beantwortet. Der Landesregierung ist bekannt, dass die Niederlande Standortpolitik auch mit attraktiven steuerlichen Rahmenbedingungen betreiben. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht der reguläre Körperschaftsteuersatz von knapp 25 %, sondern andere steuerliche Vergünstigungen wie zum Beispiel eine umfassende steuerliche Forschungsförderung. Speziell für ausländische Holding- und Finanzierungsgesellschaften im internationalen Konzernverbund bietet das niederländische Steuersystem besondere Bedingungen, zu denen ein umfangreiches Netzwerk von Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und ein weitgehender Verzicht auf Quellensteuern für Unternehmen in ausländischem Besitz zählen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch in Deutschland in- und ausländische Dividenden bei Kapitalgesellschaften einer weitgehenden Steuerbefreiung unterliegen. Daneben haben die Niederlande in der Vergangenheit individuelle Steuerabsprachen mit Unternehmen in Form sog. Tax Rulings getroffen. Diese Absprachen sind teilweise Gegenstand von Beihilfeermittlungen der EU-Kommission. In den letzten Jahren sind hier aber durch die Maßnahmen gegen Gewinnverlagerung und -verkürzung der OECD (BEPS-Projekt) und durch die Ergänzung bestehender und Einführung neuer EU-Richtlinien erhebliche Änderungen und Verbesserungen eingetreten. So werden beispielsweise Steuerabsprachen seit 2017 EU-weit ausgetauscht und in ein zentrales Verzeichnis eingestellt. Zudem sind im Zuge der BEPS-Umsetzung auf EU-Ebene bestimmte Steuergestaltungen bereits jetzt oder in naher Zukunft nicht mehr möglich. So hat die EU unter niederländischem Vorsitz eine umfangreiche Richtlinie mit Maßnahmen gegen Gewinnverlagerung und Steuervermeidung verabschiedet. Die Landesregierung setzt sich für eine zügige europaweite Umsetzung dieser Maßnahmen ein. Steuerliche Informationen zum Einzelfall ThyssenKrupp unterliegen dem Steuergeheimnis nach § 30 AO. 4. Wird der Ministerpräsident bei seiner nächsten Reise in die Niederlande dieses Thema mit Regierungsvertretern erörtern und offensiv ansprechen? Der Ministerpräsident setzt sich auch gegenüber der niederländischen Regierung dafür ein, dass die Vorgaben der Europäischen Union in allen Mitgliedstaaten so schnell wie möglich umgesetzt werden.