LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1400 06.12.2017 Datum des Originals: 06.12.2017/Ausgegeben: 11.12.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 531 vom 15. November 2017 des Abgeordneten Josef Neumann SPD Drucksache 17/1233 Defizite in der psychotherapeutischen Versorgung im Ruhrgebiet – Was unternimmt die Landesregierung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Eine Studie des IGES Instituts (Gutachten zur Erhebung der Versorgungssituation im Ruhrgebiet, Juli 2017) kommt zu dem Ergebnis, dass die psychotherapeutische Versorgung im Ruhrgebiet deutlich schlechter ist als in Vergleichsregionen. Dies geht darauf zurück, dass die Berechnung des Versor-gungsbedarfes verschiedene Regionaltypen (z. B. Großstadt, Kleinstadt, Land) berücksichtigt und diese Systematik für das Ruhrgebiet als ungeeignet angesehen worden ist. Mit Beginn der Berechnung 1999 wurde deshalb die schlechte Ist - Situation im Ruhrgebiet als Soll-Situation definiert und damit die mangelhafte Versorgung festgeschrieben. Zudem wurde die hohe Dichte an Krankenhäusern angeführt, die die Defizite der ambulanten Versorgung ausgleichen würde. Die psychotherapeutische Versorgung war davon allerdings nicht betroffen, weil von Seiten der Krankenhäuser hier keine Versorgung geleistet wird. Die Defizite in der psycho-therapeutischen Versorgung können im Gegensatz zur ärztlichen Praxis jedoch nicht durch Fallzahlsteigerungen gemildert werden, was z. B. zu Wartezeiten auf einen ersten Termin von 4 bis 6 Monaten und zu einer erhöhten Nachfrage von Psychotherapien im Rahmen der Kostenerstattung gemäß § SGB V 13.3 führt. Die Sonderregelung für das Ruhrgebiet ist laut IGES-Studie nicht mehr gerechtfertigt und fällt Ende 2017 weg. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 531 mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 namens der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1400 2 Vorbemerkung der Landesregierung Hintergrund der Kleinen Anfrage ist offensichtlich die bundesweite Bedarfsplanung in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung, die dem Ruhrgebiet von Anfang an eine Sonderrolle eingeräumt hat. In der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossenen Bedarfsplanungs-Richtlinie ist das Ruhrgebiet als gesonderte Region mit abweichenden, in der Regel höheren Verhältniszahlen ausgewiesen. In der Folge lag der rechnerische Bedarf an Haus- und Fachärztinnen und -ärzten sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten zum Teil deutlich unter dem vergleichbarer Regionen. Schon im Rahmen der grundsätzlichen Überarbeitung der Bedarfsplanung im Jahre 2012 hat sich Nordrhein-Westfalen für die Abschaffung der Sonderregelung eingesetzt. Da die Länder ebenso wie die Patientenvertretung im G-BA nur ein Mitberatungsrecht haben, konnte damals lediglich eine Übergangsregelung erreicht werden. Diese sah vor, dass vorläufig an der Sonderregion festgehalten, der G-BA aber beauftragt wird, die Versorgungssituation bis Ende 2017 zu überprüfen. Falls der G-BA bis spätestens Ende 2017 keine Anpassung oder unveränderte Fortgeltung der Rege-lungen für das Ruhrgebiet beschließt, treten die Sonderregelungen ersatzlos außer Kraft. Zur Überprüfung der Versorgungssituation hat der G-BA ein Gutachten in Auftrag gegeben; dieses Gutachten des IGES Instituts liegt seit Mitte 2017 vor und ist auf der Internetseite des G-BA veröffentlicht. Auf der Basis dieses Gutachtens hat der G-BA nunmehr am 17. November 2017 eine Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie beschlossen. In der psychotherapeutischen Versorgung wurde die Verhältniszahl, d.h. die geplante Einwohner- Psychotherapeutendichte von derzeit 8.743 auf 5.435 abgesenkt. Im Ergebnis entstehen dadurch zum 1. Januar 2018 nach Angaben des G-BA in der Summe etwa 85 weitere Zulassungsmöglichkeiten für Psychotherapeutinnen und -therapeuten im Ruhrgebiet. 1. Sind der Landesregierung die Mängel in der psychotherapeutischen Versorgung im Ruhrgebiet bekannt? Die Landesregierung hat die in der Bedarfsplanungs-Richtlinie vorgesehene geringere Versorgungsdichte im vertragsärztlichen Bereich stets für unbegründet erachtet, dies gilt im besonderen Maß für die psychotherapeutische Versorgung. Der Landesregierung ist außerdem bekannt, dass trotz einer bestehenden rechnerischen Überversorgung (die tatsächliche Zahl der Psychotherapeutensitze liegt teilweise deutlich über dem geplanten Soll) die Wartezeiten auf einen Therapieplatz im Ruhrgebiet noch deutlich länger sind als in anderen Regionen des Landes. 2. Wie bewertet die Landesregierung das IGES Gutachten auch im Hinblick auf die psychotherapeutische Versorgung im Ruhrgebiet? U.a. in der psychotherapeutischen Versorgung zeigt das IGES-Gutachten ein systematisch geringeres Niveau der Versorgungsdichte auf, das sich nicht ausreichend begründen lasse und in dieser Hinsicht auch keine generelle Fortgeltung des Sonderstatus in der Bedarfsplanung rechtfertige. So erfordere das systematisch geringere Niveau eine deutlich höhere durchschnittliche Fallzahlbelastung der Psychotherapeutenpraxen im Ruhrgebiet, um einen vergleichbaren Versorgungszugang wie in anderen Regionen zu gewährleisten. Es stehe darüber hinaus im Kontrast zu deutlichen Hinweisen einer überdurchschnittlich hohen Morbidität im Ruhrgebiet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1400 3 Die Landesregierung teilt diese Auffassung ausdrücklich. Sie hat sich daher insbesondere über das Mitberatungsrecht (kein Stimmrecht) der Länder im G-BA für eine Aufhebung der Sonderrolle bzw. eine sachgerechte Folgeregelung eingesetzt. 3. Was gedenkt die Landesregierung zu unternehmen, um die im Vergleich zu anderen Regionen schlechtere psychotherapeutische Versorgung im Ruhrgebiet zu beheben und welche kurzfristigen Ansätze zur Lösung der Problematik sieht die Landesregierung? Mit der beschlossenen Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie und der damit einhergehenden Absenkung der Verhältniszahlen für die psychotherapeutische Versorgung ist der G-BA grundsätzlich der Empfehlung des Gutachtens gefolgt. Das Ruhrgebiet wird – entsprechend dem Vorschlag der Gutachter – weiterhin als einheitliches Versorgungsgebiet mit einer einheitlichen Verhältniszahl beplant. Im Ergebnis wird damit das Ruhrgebiet in der psychotherapeutischen Versorgung ab 2018 rein rechnerisch nicht mehr schlechter gestellt. Die Landesregierung hat sich zwar für eine weitergehende Absenkung der Verhältniszahl und damit für eine höhere Aufstockung der Zulassungsmöglichkeiten eingesetzt, konnte sich damit aber im G-BA nicht durchsetzen. Da die Länder in der ambulanten Versorgung keine unmittelbaren Handlungsmöglichkeiten haben, besteht derzeit keine Möglichkeit, eine weitere Verbesserung der Versorgung zu erreichen. Es bleibt vielmehr abzuwarten, wie sich die zusätzlichen Sitze und die seit dem 1. April 2017 geltende Strukturreform der psychotherapeu-tischen Versorgung (u.a. psychotherapeutische Sprechstunde, Psychotherapeutische Akutbehandlung, Rezidivprophylaxe) aus-wirken. Außerdem hat der G-BA derzeit aufgrund einer gesetz-lichen Vorgabe ein Gutachten zur ambulanten Bedarfsplanung in Auftrag gegeben. Mit den Ergebnissen des Gutachtens soll die Bedarfsplanung weiterentwickelt und angepasst werden, so dass sie dem tatsächlichen Versorgungsbedarf noch besser gerecht wird. 4. Wie bewertet die LR die psychotherapeutische Versorgung insgesamt in NRW? Der Landesregierung ist bekannt, dass es auch in Nordrhein-Westfalen lange Wartezeiten auf psychotherapeutische Behandlungen gibt, obwohl nach der Bedarfsplanung nahezu flächendeckend ausreichende Versorgungskapazitäten zur Verfügung stehen oder sogar Überversorgung ausgewiesen wird. Neben langen Wartezeiten weist auch ein nicht unerheblicher Anteil psychotherapeutischer Behandlungsleistung im Wege des Kostenerstattungsverfahrens auf eine notwendige Anpassung der Bedarfsplanung hin. So zeigte etwa die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (BT-Drucksache 18/2140), dass die bundesweiten Aus-gaben für Psychotherapien nach dem Kostenerstattungsverfahren pro Quartal zwischen 2004 und 2013 von 1,7 Mio. Euro auf 15,4 Mio. Euro angestiegen sind. 5. Wird die LR auf die zuständigen Vertragsparteien Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen einwirken, um die Mängel möglichst schnell zu beheben? Die regionalen Möglichkeiten zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung sind eng begrenzt (z.B. Sonderbedarfszulassungen). Im Übrigen werden die verbindlichen Vorgaben in Form der Bedarfsplanungs-Richtlinie oder der Psychotherapie-Richtlinie durch LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1400 4 die gemeinsame Selbstverwaltung auf Bundesebene auf der Basis bundesgesetzlicher Regelungen gesetzt. Insofern bestehen für die Landesregierung kaum Einflussmöglichkeiten auf die regionalen Vertragspartner.