LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1402 06.12.2017 Datum des Originals: 06.12.2017/Ausgegeben: 11.12.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 482 vom 2. November 2017 des Abgeordneten Matthi Bolte-Richter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1072 Von Roboflop zum Trojanerteddy – Smart Toys in NRW-Kinderzimmern Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut IT.NRW lebten 2015 1 569 596 Kinder unter 10 Jahre in Nordrhein-Westfalen. Damit machen Kinder in dieser Altersklasse gut ein Zehntel der Gesamtbevölkerung in NRW aus und sind schon allein aufgrund ihrer Anzahl für Wirtschaftsunternehmen eine interessante Zielgruppe. Spielzeughersteller und andere Unternehmen lassen sich daher immer neue Produkte einfallen, um diese Zielgruppe zu bedienen. Dabei findet auch die fortschreitende Digitalisierung immer weiter Einzug in die Kinderzimmer. Dass diese Entwicklung aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht unproblematisch ist, zeigt jetzt eine aktuelle Untersuchung von sieben Smart Toys durch Stiftung Warentest1, bei der gefährliche Sicherheitslücken entdeckt wurden. So benötigen drei dieser Spielzeuge für eine Bluetooth-Verbindung weder ein Passwort noch einen PIN-Code, sodass jeder Smartphone- Besitzer sich mit diesem verbinden und mit dem Kind Kontakt aufnehmen kann. Bei den übrigen vier, als kritisch eingestuften Spielzeugen fand Stiftung Warentest keine unsicheren Funkverbindungen, jedoch problematisches Ausspähverhalten bei den dazugehörigen Apps. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 482 mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister des Innern, dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und dem Minister der Justiz beantwortet. 1 https://www.test.de/Smart-Toys-Wie-vernetzte-Spielkameraden-Kinder-aushorchen-5221688-0/ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1402 2 1. Wie bewertet die Landesregierung Smart Toys insbesondere mit Blick auf den Datenschutz? Da die am Markt angebotenen Smart Toys technisch sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, ist nach Ansicht der Landesregierung eine allgemeingültige Bewertung der von diesen Spielzeugen ausgehenden Gefahren für die Privatsphäre weder sachgerecht noch möglich. 2. Sieht die Landesregierung die Notwendigkeit, in diesem Zusammenhang das Datenschutzrecht oder die Datenschutzaufsicht weiterzuentwickeln? 3. Beabsichtigt die Landesregierung, auf Bundesebene für eine stärkere Regulierung dieses Marktsegments aktiv zu werden? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. In Kürze tritt eine umfassende Reform des Datenschutzrechts in Kraft. Mit der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO), deren Regelungen ab dem 25.05.2018 europaweit anzuwenden sind, werden zahlreiche Vorgaben für die Verarbeitung personenbezogener Daten gemacht, denen auch die Hersteller von Smart Toys unterliegen werden. Auch wird in der DS-GVO betont, dass insbesondere Kinder eines besonderen Schutzes ihrer persönlichen Daten bedürfen, weil sie sich der betreffenden Risiken, Folgen und Garantien und ihrer Rechte bei der Verarbeitung personenbezogener Daten möglicherweise weniger bewusst sind. Die Hersteller von Smart Toys sind daher in der Pflicht, ihre Angebote auf die Konformität mit den künftigen Vorgaben der DS-GVO hin zu überprüfen. Zuständige Überwachungsbehörde ist die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI). Im Respekt vor der Unabhängigkeit der LDI macht die Landesregierung dieser keine Vorgaben zur Ausübung der Datenschutzaufsicht. Ferner hat die Bundesnetzagentur die Möglichkeit, auf der Grundlage von § 90 Telekommunikationsgesetz vernetzte Kinderspielzeuge aus dem Verkehr zu ziehen, wenn diese als eine verbotene Sendeanlage anzusehen sind. So hat die Bundesnetzagentur beispielsweise im Februar 2017 die Kinderpuppe „Cayla“ verboten und gleichzeitig angekündigt, noch mehr interaktives Spielzeug auf den Prüfstand zu stellen und wenn nötig dagegen vorzugehen. Diese Aktivitäten werden von der Landesregierung ausdrücklich begrüßt. Auf die Verbotsnorm in § 90 Telekommunikationsgesetz kann allerdings kein generelles Verbot von Sendeanlagen in Kinderspielzeug gestützt werden, sondern es bedarf hier jeweils einer Prüfung im Einzelfall. Die Nutzung eines vernetzten Spielzeugs setzt oftmals die Installation einer App auf einem Smartphone oder Tablet voraus. Durch die Installation stimmen die Verbraucher jedoch dann unter anderem der Datenweitergabe an Dritte zu. Diese datenschutzrechtliche Einwilligung des Nutzers in die kommerzielle Verwertung seiner Daten ist eine (synallagmatische) Gegenleistung des Nutzers, die jedoch in der Regel - lediglich - in den formularmäßigen „Nutzungsbedingungen“ bzw. „Datenrichtlinien“ geregelt ist. Das Ministerium der Justiz püft daher unter Beteiligung der betroffenen Ressorts, ob es sinnvoll und sachgerecht ist, dem Nutzer deutlicher als bisher transparent zu machen, dass und womit er sich vertraglich zu einer Gegenleistung verpflichtet. Vergleichbar mit dem bereits in § 312 j Absatz 3 BGB für den elektronischen Geschäftsverkehr geregelten „Button“, mit dem der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigen muss, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet, sollte durch eine Ergänzung von § 312j LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1402 3 Absatz 3 BGB eine entsprechende „Button-Lösung“ auch für das „Bezahlen mit Daten“ geschaffen werden. Die vorgeschlagene Regelung betrifft weder die datenschutzrechtliche Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten (Art. 6 EU-DSGVO) noch die datenschutzrechtlichen Bedingungen für eine wirksame Einwilligung (Art. 7 EU-DSGVO), sondern die rein zivilrechtliche Frage, wie eine datenschutzrechtliche Einwilligung (datenschuldrechtlich) zum Bestandteil des (synallagmatischen) Vertrages gemacht werden kann. Die angedachte Regelung wurde zwar im Rahmen der Befassung mit sozialen Netzwerken entwickelt, ist aber darauf nicht zu beschränken. Vielmehr sollte sie auch bei sonstigen Angeboten von Online-Diensten oder Apps, bei denen - auch - mit Daten „bezahlt“ wird, Anwendung finden. Daher sieht die Landesregierung aktuell keinen weiteren Regulierungsbedarf speziell für Smart Toys. Sollte sich allerdings das gesetzliche Schutzniveau – auch aufgrund der rasanten technischen Entwicklungen – als nicht ausreichend erweisen, wird die Landesregierung weitergehende Herstellerpflichten prüfen und sich – abhängig vom Ausgang der Prüfung - für diese auf Bundes- oder EU-Ebene einsetzen. 4. Inwieweit betrachtet die Landesregierung Kinder als besonders zu schützende Verbraucherinnen und Verbraucher im Kontext der Digitalisierung? Digitale Medien sind fester Bestandteil unserer Gesellschaft und damit auch im Alltag von Kindern verankert. Smart Toys sollten in diesem Zusammenhang weniger als Spielzeug denn als Zugangsmöglichkeit zum Internet begriffen werden. Sobald sich Spielsachen mit dem Internet verbinden, eröffnen sich auch Onlinerisiken. Damit sind sowohl die Konfrontation mit für Kinder ungeeigneten Inhalten wie auch Risiken bei digitalen Kommunikationsangeboten wie Kontaktaufnahme durch Fremde im heimischen Schutzraum oder die ungewollte Verwendung von Daten nicht auszuschließen. Gerade auch im Kontext der Digitalisierung ergibt sich aus der Unerfahrenheit von Kindern daher ein besonderes Schutzbedürfnis. Zwar gibt es Angebote, die auch schon jungen Kindern Basiskompetenzen zur Vermeidung von Risiken vermitteln; allerdings sind in der relevanten Altersgruppe der unter 10-Jährigen für die Sicherheit der Kinder in erster Linie Erwachsene verantwortlich – insbesondere Eltern und andere Erziehungsbeauftragte. Der Schwerpunkt liegt hier also auf der Schaffung eines sicheren Umfeldes für Kinder, der Aufklärung von Eltern und der Bereitstellung von Angeboten, die Eltern bei der Medienerziehung unterstützen. Die Landesregierung will darüber hinaus aktuelle und innovative Angebote zur Förderung von Medienkompetenz schaffen und dies in Zukunft noch verstärken. Teilhabe und Medienvielfalt sind in der digitalen Gesellschaft ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen. Dabei geht es vor allem um generationenübergreifende Angebote. Die Zusammenarbeit aller Ressorts im Bereich der Medienkompetenzförderung soll durch eine neu gegründete „Projektgruppe Medienkompetenz“ koordiniert und voran gebracht werden. Eltern können sich bei Fragen an die Auskunftsstelle der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Landesstelle Nordrhein-Westfalen e.V. (AJS) wenden. Diese Landesstelle wird aus Mitteln des Kinder- und Jugendförderplans des Landes Nordrhein-Westfalen institutionell gefördert. Die AJS führt darüber hinaus mit dem Netzwerk „Eltern – Medien – Jugend-schutz“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1402 4 regelmäßige Weiterbildungen für Fachkräfte der Elternarbeit durch und vermittelt mit dem Projekt „ElternTalk“ praktische Medienkompetenz für Eltern. 5. Welche konkreten Maßnahmen wird die Landesregierung konkret unternehmen, um den digitalen Verbraucherschutz für Kinder und Jugendliche zu verbessern? Das Land Nordrhein-Westfalen wird sich weiter in der Finanzierung von jugendschutz.net, des gemeinsamen Kompetenzzentrums von Bund und Ländern für den Jugendschutz im Internet (§ 18 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – JMStV), engagieren. Jugendschutz.net hat sich bereits im Jahr 2016 mit den potenziellen Risiken digital vernetzter Spielzeuge befasst („Internetfähige Spielzeuge erobern Kinderzimmer, März 2016). Die Erkenntnisse sind in die Broschüre „Digitales Kinderzimmer - Praktische Hilfen für Eltern und pädagogische Fachkräfte“ eingeflossen. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/gutes-aufwachsen-mit-medien/86410 Darüber hinaus wird das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration Nordrhein- Westfalen das im Rahmen der frühkindlichen Bildung im März diesen Jahres gestartete und auf zwei Jahre angelegte Modellprojekt im Elementarbereich „Digitale Medien in der frühkindlichen Bildung“ fortsetzen. Im Modellprojekt werden ausgewählte Kindertageseinrichtungen mit digitalen Medien ausgestattet. Ziel ist, die medienpädagogische Arbeit in Kitas zu unterstützen und Fachkräften sowie Eltern mehr Medienkompetenz zu vermitteln. Während des gesamten Projektzeitraums werden die Kitas bei ihrer Arbeit medienpädagogisch und wissenschaftlich begleitet und unterstützt. Die Landesregierung setzt sich für eine Verstetigung der Arbeit der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ein, die mit erheblichen Mitteln des Landes insitutionell gefördert wird. So können sich Verbraucher an die 61 Verbraucherberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen wenden, die auch Anfragen zu vernetztem Spielzeug beantworten, indem die rechtlichen Grundlagen erläutert, der individuelle Sachverhalt eingeordnet und Ratschläge zum weiteren Vorgehen gegeben werden. Die Landesregierung begrüßt auch die diversen Online-Informationsangebote zu relevanten Themen des digitalen Verbraucherschutzes für Kinder und Jugendiche. So wird speziell für Jugendliche und junge Erwachsene seitens der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ein Online-Jugendmagazin „checked4you.de“ unterhalten. Ferner besteht mit „Klicksafe.de“ eine Sensibilisierungskampagne und Plattform zur Förderung der Medienkompetenz im Umgang mit dem Internet und neuen Medien im Auftrag der Europäischen Kommission. Ziel ist, Eltern über Risiken zu informieren, Hilfestellungen zu vermitteln und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie jede und jeder selbst aktiv werden kann. Auf der Internetseite „http://www.klicksafe.de/eltern/kinder-von-3-bis-10-jahren/vernetztes-spielzeug/#s|Spielzeug“ finden Eltern auch umfassende Informationen und Tipps zum Umgang mit vernetztem Spielzeug. Bei Klicksafe.de handelt es sich um ein gemeinsames Projekt der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz und der Landesanstalt für Medien Nordrhein- Westfalen.