LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1422 11.12.2017 Datum des Originals: 08.12.2017/Ausgegeben: 14.12.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 514 vom 8. November 2017 des Abgeordneten Dr. Dennis Maelzer SPD Drucksache 17/1198 Opferentschädigungsrente für ehemalige Heimkinder. Welche Position vertritt die Landesregierung ? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Petitionsausschuss des Landtages hat festgestellt, dass von 1949 bis 1975 etwa 700.000 bis 800.000 Kinder und Jugendliche in Säuglings-, Kinder- und Jugendheimen lebten, deren Heimaufenthalt vielfach von traumatisierenden Lebens- und Erziehungsverhältnissen geprägt war. Wem während der Heimunterbringung Unrecht und Leid zugefügt wurde, das heute noch zu Beeinträchtigungen führt, konnte durch den Fonds „Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975“ (Fonds Heimerziehung West) Unterstützung gewährt werden. Das Land Nordrhein-Westfalen hat sich mit 27 Prozent an dem Fonds beteiligt. Zahlungen aus dem Fonds stellen keine Entschädigung dar, sondern dienen ausdrücklich der Abmilderung der Folgenschäden der Heimunterbringung bzw. zur Absicherung von Rentenansprüchen Betroffener aufgrund nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge. In einem Verfahren vor dem Landessozialgericht wurde jetzt einem Betroffenen durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe eine Opferentschädigungsrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) eingeräumt. Dies sei die erste Opferentschädigung, die durch ein ehemaliges Heimkind in Deutschland erstritten wurde. Durch die Einigung vor dem Landessozialgericht entsteht ein Rechtstitel. Das Landessozialgericht Essen will ein Anerkennungsurteil aussprechen. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 514 mit Schreiben vom 8. Dezember 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und dem Minister der Justiz beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1422 2 1. Wie viele ehemalige Heimkinder konnten Leistungen aus dem Fonds Heimerziehung West in Anspruch nehmen? (Bitte Betroffene aus Nordrhein-Westfalen und bundesweit getrennt aufschlüsseln.) Eine endgültige Feststellung der gesamten Leistungen kann erst nach Ende der Laufzeit des Fonds am 31. Dezember 2018 erfolgen. Auf der Grundlage des letzten Datenberichts der Geschäftsstelle des Fonds vom 30. September 2017 ist Folgendes festzustellen: Nach der inzwischen abgeschlossenen Antragstellung mit entsprechenden Bereinigungen kann in den Ländern West von insgesamt 17.032 berücksichtigungsfähigen ehemaligen Heimkindern ausgegangen werden, die materielle Hilfen bzw. Rentenersatzleistungen erhalten. Auf Nordrhein-Westfallen entfallen insgesamt 3.681 Personen, mit denen 7.478 Vereinbarungen über materielle Leistungen und 2.029 Vereinbarungen über Rentenersatzleistungen getroffen wurden. 2. Wie viele Sach- und Geldleistungen wurden in welcher Höhe aus dem Fonds Heimerziehung West gewährt? Das Volumen der bis zum 30. September 2017 verausgabten Zahlungen aus dem Fonds West beträgt insgesamt 216.096.879,47 €. Davon entfallen auf materielle Leistungen 154.956.424,89 €. Die bisherigen Durchschnittszahlungen betrugen 9.694,97 €. Auf Rentenersatzleistungen entfallen 61.140.454.58 €. Die bisherigen Durchschnittszahlungen betrugen 6.942,03 €. 3. Worauf führt die Landesregierung zurück, dass von den bis zu 800.000 betroffenen Heimkindern bisher erst eine betroffene Person eine Opferentschädigungsrente erstreiten konnte? Voraussetzung für einen Versorgungsanspruch nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) ist, dass der Nachweis erbracht oder glaubhaft gemacht werden kann, dass der Betroffene Opfer eines rechtswidrigen vorsätzlichen tätlichen Angriffs geworden ist, der zu dauerhaften psychischen oder physischen Gesundheitsstörungen geführt hat. Trotz der unbestritten vielfach erfolgten Traumatisierung betroffener Menschen in den Heimen sind die Voraussetzungen nachweisbarer Erkrankungen infolge des Heimaufenthalts bei vielen ehemaligen Heimkindern nicht erfüllt. Es kann deshalb von der Gesamtzahl der Betroffenen nicht auf Anspruchsberechtigte nach dem OEG geschlossen werden. 4. Welchen gesetzlichen Veränderungsbedarf sieht die Landesregierung, um die Möglichkeit des Erhalts einer Opferentschädigungsrente für ehemalige Heimkinder zu erleichtern? Aus Sicht der nordrhein-westfälischen Landesregierung besteht kein gesetzlicher Änderungsbedarf . In den Fällen, in denen Betroffene während des Heimaufenthalts Opfer seelischer oder körperlicher Gewalt geworden sind, steht den Betroffenen für die Folgen ein Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz zu. Das bestehende Recht sieht bereits LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1422 3 heute eine Beweiserleichterung vor, die es beim Fehlen von Nachweisen erlaubt, die schlüssigen Angaben des Betroffenen einer positiven Entscheidung zugrunde zu legen. 5. Wie unterstützt das Land Betroffene mit dem Willen, eine Opferentschädigungsrente zu erlangen? Die in Nordrhein-Westfalen für die Durchführung des OEG verantwortlichen Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe verfügen über qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter , die die Betroffenen im Vorfeld eines Antragsverfahrens und in dem Verfahren selbst ausführlich und kompetent beraten. Hierbei suchen sie mit den Betroffenen nach bedarfsgerechten Hilfemöglichkeiten und helfen ihnen bei der Maßnahmeplanung und Leistungssteuerung . Diese Mitarbeiter informieren auch über weitergehende Beratungsangebote, soweit angezeigt auch über solche außerhalb der Verwaltung durch freie Träger.