LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1459 14.12.2017 Datum des Originals: 13.12.2017/Ausgegeben: 19.12.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 520 vom 9. November 2017 der Abgeordneten Arndt Klocke und Johannes Remmel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1204 Bau der A1-Brücke bei Leverkusen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der ZDF-Sendung Frontal 21 vom 17. Oktober 2017 war der Neubau der A1-Brücke zwischen Köln und Leverkusen Thema (https://www.zdf.de/politik/frontal-21/neubau-der-a1- rheinbruecke-100.html ). Dabei wurde insbesondere problematisiert, dass ein Teil der neuen Brückenpfeiler in die Giftmülldeponie Dhünnaue gebaut werden, die dafür wieder geöffnet werden müsste. In der Deponie, die als die größte Giftmülldeponie Europas gilt, lagern seit 1923 mehr als drei Millionen Tonnen verschiedene Abfälle der chemischen Industrie, die unter anderem Dioxin und PCB enthalten und zum Teil sogar explosiv sein können. Die in der Sendung zu Wort kommenden Experten warnen vor einer Öffnung der Deponie. Sie erläutern, dass die Planungsbehörde Straßen.NRW zwar viele Bohrungen durchgeführt hätte, diese aber nicht ausreichend analysiert worden seien. Auch seien bei den Bohrungen nicht alle gefundenen Bodenschichten untersucht worden, sondern nur etwa 10 Prozent. Die Experten warnen vor großer Gefährdung der Bauarbeitenden und der Bevölkerung, da bei Aushubarbeiten niemand sagen könnte, welche Stoffe sich gerade im Bereich des Aushubs befinden. Auch die Bauart der neuen Brücke wird kritisch gesehen, da die Brückenpfeiler nicht durch die Deponie hindurch auf festen Grund gebaut, sondern auf einem Erdpolster mitten im Deponieabfall stehen würden. Dadurch sei die Standfestigkeit der Brücke nicht gewährleistet. In der Sendung wird auch spekuliert, dass die ursprünglich angesetzten Kosten für den Aushub von 36 Millionen Euro aufgrund eines Rechenfehlers auf über 100 Millionen Euro ansteigen würden. Verkehrsminister Hendrik Wüst verweist dabei in einem kurzen Interview auf allgemeine Kostensteigerungen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1459 2 Im November 2016 hat das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz eine Vorlage für den Umweltausschuss zu den umwelt- und abfallrechtlichen Folgen des Neubaus erstellt. Dabei werden diverse Maßnahmen zur Vorbereitung, Erstellung und Sicherung der Baustelle in der Deponie genannt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1459 3 Der Minister für Verkehr hat die Kleine Anfrage 520 mit Schreiben vom 13. Dezember 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Im Bericht vom 28.10.2016 des seinerzeitigen Verkehrsministers Michael Groschek auf eine Anfrage der CDU-Fraktion im Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr (Vorlage 16/4397) wurde ausgeführt: „Der von Straßen.NRW im Rahmen der Planfeststellung vorgelegte Feststellungsentwurf einschließlich der im Verfahren eingegangenen Einwendungen und Stellungnahmen wird von der Planfeststellungsbehörde der Bezirksregierung Köln geprüft und nur genehmigt, wenn die vorgelegten Planungen und Konzepte dem gesetzlichen Rahmen und dem Stand der Technik entsprechen. Aufgrund der kontinuierlichen Überwachung und des flexiblen Maßnahmenpakets zur Vermeidung von Emissionen und des Einsatzes erprobter Verfahren werden Risiken beherrschbar sein.“ Die Bezirksregierung Köln als zuständige Planfeststellungsbehörde hat am 10.11.2016 den Planfeststellungsbeschluss erlassen. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens wurden alle maßgebenden Belange erörtert und sorgfältig abgewogen. Die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses wurde am 11.10.2017 höchstinstanzlich vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. 1. Wie bewertet die Landesregierung die in der Sendung gemachten Vorwürfe, die Bodenuntersuchungen wären nicht ausreichend, um sich ein tatsächliches Bild der Lage in der Deponie zu machen? Die Vorwürfe der Sendung des ZDF sind aus Sicht der Landesregierung vor dem Hintergrund des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses unbegründet. Dazu wird ausgeführt: Für die Maßnahmenplanung sind innerhalb der Altablagerungsflächen gezielte Untersuchungen der Eingriffsbereiche entlang der Fahrbahnen und in den Bereichen der Brückenpfeiler durchgeführt worden. Zur Erkundung des chemischen Inventars sowie des Baugrundes wurden zunächst von Januar 2014 bis August 2015 ca. 75 Bohrungen und rd. 70 Rammkernsondierungen innerhalb der Altablagerungsfläche niedergebracht. Das Bohrraster und der Untersuchungsumfang zur Erkundung der Eingriffsbereiche sind aus Sicht des beauftragten, zuständigen Fachgutachters als ausreichend und repräsentativ zu bewerten. Im vorliegenden Fall orientierte sich der Analysen- und Untersuchungsumfang an der DepV (Verordnung über Deponien und Langzeitlager – Deponieverordnung, 2009) Die Festlegung des Aufschluss- und Analysenprogramms ist systematisch abgeleitet worden. Im ersten Schritt wurden alle schon vorliegenden Ergebnisse früherer Bodenuntersuchungen systematisch ausgewertet. Die Altablagerung Dhünnaue wurde in der Vergangenheit in mehreren Kampagnen zu unterschiedlichen Zwecken untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden entsprechend berücksichtigt. Darüber hinaus wurden weitere Informationen über die relevanten Produktionen der Bayer Werke im fraglichen Zeitraum eingeholt und in die Festlegung des Analyseprogramms einbezogen. Um alle Eventualitäten einzubeziehen, wurden an jeder untersuchten Probe Screening-Untersuchungen durchgeführt. Das Analysenprogramm ist damit sehr umfassend hergeleitet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1459 4 Bislang wurden aus den Aushubbereichen unterhalb der Abdichtungssysteme für die grundlegende Charakterisierung bereits ca. 200 Proben analysiert. Im vorliegenden Fall orientierte sich der Analysen- und Un-tersuchungsumfang an der DepV (Verordnung über Deponien und Langzeitlager – Deponieverordnung, 2009). Im Rahmen der vorauseilenden Untersuchungen vor dem tatsächlichen Aushub werden weitere Untersuchungen durchgeführt. Neben der generellen Analytik werden alle organoleptisch auffälligen Proben, d .h. alle ohnehin als gefährlicher Abfall eingestuften Proben, generell auch GC/MS-Screenings (GC:= Gaschromatographie, MS:= Massenspektrometer ) sowie ICP-Screenings (ICP:= Induktiv gekoppeltes Plasma) unterzogen werden. Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen kommt damit seinen Untersuchungspflichten in weit mehr als ausreichendem Maß nach und wird dies auch in Zukunft sicherstellen. 2. Im oben erwähnten Bericht des Ministeriums wird angekündigt, dass im Zuge der Ausführungsplanung und der Bauausführung weitere Maßnahmen getroffen werden sollen. Wie sehen diese Maßnahmen konkret aus, um Bauarbeitende und Bevölkerung vor Explosionen, Bränden und austretenden Giften zu schützen? Die geplanten Schutzmaßnahmen umfassen in Anlehnung an das Abfallrecht ein redundantes Multibarrierenkonzept. Dieses wird durch die Kombination technischer Mittel, organisatorischer Maßnahmen und messtechnischer Überwachungen sicherstellen, dass keine schädlichen Emissionen aus den Baubereichen nach außen treten können. Die diesbezüglichen Planungen werden für jedes Bauvorhaben/Baulos gesondert aufgestellt und mit den zuständigen Behörden abgestimmt. Die Schutzmaßnahmen umfassen u.a. folgende Konkretisierungen der Schutzelemente: Art und Größe der Einhausungen Konstruktion der Abluftreinigung Art und Leistungsstärke der Absaugungen Festlegung der persönlichen Schutzausrüstung für das Baustellenpersonal Leistungsspektrum der Staub- und Gasmesssysteme Präzisierung der Bodenkühlung Bauart der Spezialcontainer für den Abtransport Festlegung des vorauseilenden Erkundungsprogramms Aufstellen der Arbeits- und Sicherheitspläne Aufstellen der Qualitätssicherungspläne 3. Aus welchen Gründen wird auf eine Brückengründung unterhalb der Deponie verzichtet bzw. die Brückenpfeiler mitten in den Deponiekörper gestellt? 4. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die Standfestigkeit der Brücke durch die Art der Brückengründung im Falle von Setzungen, Erdbeben o.ä. nicht gefährdet ist? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1459 5 Die Gründung der Brückenpfeiler erfolgt nicht (wie im Frontal 21-Bericht vom 17.10.2017 dargestellt) im Deponat, sondern mittels Bohrpfahlgründung unterhalb der Altablagerung im tragfähigen Untergrund. Grundlage hierfür sind das Baugrundgutachten und die statischen Berechnungen unter Berücksichtigung der relevanten Lastfälle auf Basis der gültigen Regelwerke. Die Standsicherheit der Brücke wird abschließend durch einen Prüfingenieur bestätigt, wie beim Bau von Brücken in der Zuständigkeit des Landes grundsätzlich üblich. 5. Wie hoch schätzt die Landesregierung allein die Kosten für den Bau der Brückenpfeiler in der Deponie ein? (bitte die aktuellen Zahlen ohne den Fehler bei der Berechnung der Aushubmenge) Die Brückenpfeiler der neuen Rheinbrücke zwischen Köln und Leverkusen im Bereich der Altablagerung Dhünnaue kosten nach derzeitiger Kenntnis ca. 10,7 Mio. €. Ein Berechnungsfehler der Aushubmengen, wie im Frontal 21-Bericht vom 17.10.2017 dargestellt, ist der Landesregierung nicht bekannt.