LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1497 19.12.2017 Datum des Originals: 18.12.2017/Ausgegeben: 22.12.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 512 vom 9. November 2017 der Abgeordneten Berivan Aymaz und Matthi Bolte-Richter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1152 Droht Aachener Friedenspreisträgerinnen und -preisträgern Verfolgung und Einschränkung der Reisefreiheit? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Anfang 2016 kamen in der Türkei zahlreiche Akademikerinnen und Akademiker in Haft und verloren ihre Arbeitsstellen, weil sie einen Friedensappell unterzeichnet hatten. Darin wandten sie sich gegen die türkische Politik in den Kurdengebieten und forderten den türkischen Staat auf, Zerstörungen in den Kurdengebieten zu stoppen. Sie gehören zu einem Bündnis von insgesamt 1.128 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern eines offenen Briefs an die türkische Regierung. Aufgrund der drohenden Repressionen verließen daraufhin viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Türkei, um in Deutschland Schutz vor Verfolgung und Unterdrückung zu finden und in Freiheit eine neue berufliche Perspektive zu suchen. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 30.10./31.10./1.11.2017 kündigt sich jetzt in Deutschland eine Welle neuer Strafverfahren für diese Regierungskritikerinnen und Regierungskritiker aus der Türkei an. Betroffen seien türkische Akademikerinnen und Akademiker, die nach Deutschland ins Exil gegangen sind. Die Staatsanwaltschaft in der Türkei wirft den türkischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bzw. Intellektuellen „Propaganda für eine Terrororganisation“ vor. Es soll sich dabei um einen Kreis von etwa 100 Personen handeln. Die Initiative „Wissenschaftler für den Frieden“ wurde 2016 für ihr Engagement mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Der Preis ist auch eine Anerkennung für das mutige Handeln seiner Mitglieder, dem oft erhebliche Repressionen folgten. Das Bündnis der Akademikerinnen und Akademiker für den Frieden hatte sich bereits 2012 organisiert. Es tritt nach eigenen Angaben für eine friedliche und demokratische Lösung des türkisch-kurdischen Konfliktes ein. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1497 2 Zwar droht den betroffenen Mitgliedern der Initiative „Wissenschaftler für den Frieden“ aktuell eine Auslieferung an die Türkei wohl nicht, denn über ein solches Ersuchen entscheidet in Deutschland das jeweilige zuständige Gericht. Allerdings können sie von der Türkei über Interpol international zur Fahndung ausgeschrieben werden. Ab diesem Zeitpunkt können die Betroffenen nicht mehr gefahrlos reisen, wie es zuletzt der Fall des Kölner Schriftstellers Doğan Akhanlı gezeigt hat. Dies stellt eine enorme Einschränkung der Grund- und Menschenrechte der Betroffenen dar. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 512 mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister der Justiz und dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet. 1. Was wurde seitens der Landesregierung unternommen, um herauszufinden, wie viele in NRW Schutz suchende Akademikerinnen und Akademiker aus der Türkei von dort gegen sie eingeleiteten Strafverfahren betroffen sind? 2. Wie werden die Betroffenen von den NRW-Behörden über diese Strafverfahren informiert? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Im Anschluss an die Festnahme des deutschen Schriftstellers Doghan Akhanli durch die spanischen Behörden infolge eines türkischen Festnahmeersuchens hat das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen Interpol-Fahndungsersuchen der vergangenen fünf Jahre, bei denen Ausschreibungen zur Festnahme und Auslieferung auf Grundlage einer „Red Notice“ aufgrund einer Entscheidung des Bundesamtes für Justiz nicht umgesetzt worden sind, für Nordrhein-Westfalen erhoben. Ob aus Gründen der Gefahrenabwehr eine Benachrichtigung der betroffenen Personen über die ausländische Ausschreibung in Betracht kommt, wird im Rahmen einer sich anschließenden Einzelfallprüfung entschieden. Auch bei neu eingehenden Interpol-Fahndungsersuchen wird entsprechend verfahren. 3. Wie werden die Betroffenen von den NRW-Behörden bei Verfolgung unterstützt? Soweit Betroffene über ein ausländisches Fahndungsersuchen informiert werden, werden diese gleichzeitig im Hinblick auf ggf. mit Auslandsreisen verbundene Risiken informiert. Zudem wird, sofern Asylsuchende Anhaltspunkte dafür vortragen oder sonstige Umstände erkennbar sind, die auf eine besondere Gefährdung ihrer Person schließen lassen, geprüft, ob zu ihrer Sicherheit auf ihre Unterbringung in einer Sammelunterkunft verzichtet werden kann. 4. Welche Maßnahmen sind bisher über die Innenministerkonferenz eingeleitet worden, damit Schutzbedürftige und verfolgte Regimekritikerinnen und Regimekritiker nicht weiter mittels Red Notices auf Fahndungslisten von Interpol gesetzt werden? Die Informations- und Steuerungsprozesse im Zusammenhang mit „Red Notices“ hat der Arbeitskreis II der Konferenz der Innenminister und -senatoren aus Anlass seiner Sitzung am 18. und 19.10.2017 erörtert. Er hat festgestellt, dass relevante polizeiliche und justizielle Interpol-Informationsprozesse zunächst auf Bundesebene zwischen dem Bundesministerium LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1497 3 des Innern und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz abgestimmt werden sollen. 5. Wie setzt sich NRW konkret dafür ein, dass die Aachener Friedenspreisträgerinnen und Friedenspreisträger nicht auf den Interpol- Fahndungslisten landen? Die Entscheidung, ob und wie eine Interpol-Ausschreibung in die nationale Fahndung in Deutschland umgesetzt wird, trifft gemäß § 15 Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) das Bundeskriminalamt, das in Fällen, denen besondere Bedeutung in politischer, tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung zukommt, zuvor die Bewilligung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz einholt.