LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/151 13.07.2017 Datum des Originals: 12.07.2017/Ausgegeben: 18.07.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2 vom 2. Juni 2017 des Abgeordneten Matthi Bolte-Richter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/29 Einmal hin, alle Daten drin? Gesichtserkennung im Supermarkt Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Durch Berichterstattung u.a. der Lebensmittel-Zeitung wurde in dieser Woche bekannt, dass die Handelskette Real in 40 ihrer 283 Filialen neuartige Technologien der Videoüberwachung einsetzt, um das Verhalten ihrer Kundinnen und Kunden und ihre Reaktion auf Werbung im Kassenbereich genauer auszuwerten. Die Auswertung werde nicht von Real selber vorgenommen, sondern durch eine Firma aus Augsburg. An sie soll Real entsprechende Werbeplätze vermietet haben. Kameras an den Werbebildschirmen erfassen die Gesichter von Kundinnen und Kunden im Kassenbereich und speichern sie für eine kurze Zeit. Eine Software ermittelt sodann das Alter und das Geschlecht der Personen sowie die Blickdauer, innerhalb derer sie die Werbung betrachteten. Diese Daten werden dann für die weitere Analyse und die Weiterentwicklung des Werbesystems verwendet. So soll beispielsweise die sogenannte Werbeansprache zielgruppengerechter werden. Das heißt, dass Wartende im Kassenbereich der Supermarktfilialen von Kameras erfasst und mittels Software einer Zielgruppe zugeordnet werden und ihnen sodann auf ihre Zielgruppe zugeschnittene Werbung auf Bildschirmen gezeigt wird. Besagter Berichterstattung zufolge soll es bei der Testphase in den 40 Betrieben nicht bleiben. Bald soll die Technologie an insgesamt 1.100 Bildschirmen in fast allen 283 Real-Filialen eingesetzt werden. Ebenso würden weitere große Handelsketten den Einsatz vergleichbarer Technologien prüfen. Da die Real Gruppe einem zitierten Sprecher zufolge davon ausgeht, dass datenschutzrechtliche Probleme nicht vorliegen und der alleinige Hinweis auf Videoüberwachung ohne weitere Information über die anschließend stattfindende Analyse LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/151 2 ausreichend sei, sind auch in NRW tausende Kundinnen und Kunden mit erheblichen Eingriffen in ihre Privatsphäre konfrontiert, ohne hinreichend informiert zu sein. Der Innenminister hat die Kleine Anfrage 2 mit Schreiben vom 12. Juli 2017 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie bewertet die Landesregierung den dargestellten Vorgang insgesamt in datenschutzrechtlicher Hinsicht? 2. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die in diesem Fall vorgenommene Erhebung, Verarbeitung und Weitergabe personenbezogener Daten den Vorgaben des § 6b BDSG unterfällt? 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die in diesem Fall vorgenommene Erhebung, Verarbeitung und Weitergabe personenbezogener Daten den Vorgaben des § 6b BDSG - insbesondere vor dem Hintergrund des durch die Gesichtserkennung und Geschlechts- und Altersanalyse erhöhten Eingriffs in die Privatsphäre der Betroffenen - entspricht? Wegen des sachlichen Zusammenhanges werden die Fragen 1 bis 3 zusammen beantwortet. Die Fragen 1 bis 3 zielen auf eine datenschutzrechtliche Beurteilung eines konkreten Sachverhaltes durch die Landesregierung ab. Die Landesregierung hat aber nicht die Zuständigkeit einer Datenschutzaufsichtsbehörde. Diese Aufgabe wird vielmehr von unabhängigen Aufsichtsbehörden wahrgenommen. Bezogen auf Nordrhein-Westfalen ist die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) unter anderem gemäß § 22 Absatz 5 Satz 2 Datenschutzgesetz NRW Aufsichtsbehörde im Sinne des § 38 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Sie überwacht daher auch die Einhaltung des Datenschutzrechts im nicht-öffentlichen Bereich. Die LDI ist wegen ihrer Unabhängigkeit nicht Teil der Landesregierung und nur dem Gesetz unterworfen (Artikel 77a Landesverfassung NRW). Im vorliegenden Fall ist zudem nicht ausgeschlossen, dass wegen der noch nicht abschließend aufgeklärten Verantwortung für die Videoerfassung im Einzelnen möglicherweise auch Aufsichtsbehörden aus anderen Ländern zuständig sein können. Im Respekt vor der Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden der Länder sieht die Landesregierung davon ab, anstelle einer zuständigen Aufsichtsbehörde den vorliegenden Sachverhalt datenschutzrechtlich zu bewerten. 4. Sieht die Landesregierung aufgrund des stetig zunehmenden Einsatzes sog. Intelligenter Videotechnik Handlungsbedarf beim Regelungskreis des § 6b BDSG? Angesichts der gerade erst im Bundesrecht erfolgten Änderung des § 6b BDSG im „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ vom 28. April 2017 und der absehbaren Änderung der Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume im „Datenschutz-Anpassungs- und - Umsetzungsgesetz EU“ im Zusammenhang mit der Umsetzung des europäischen Datenschutzrechtes wird zur Zeit kein Handlungsbedarf gesehen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/151 3 5. Welche weiteren mit dem dargestellten Vorgang vergleichbaren Fälle sind der Landesregierung bekannt? Die Landesregierung hat Hinweise, dass die Aufsichtsbehörden noch in weiteren Fällen ähnliche Sachverhalte auf Datenschutzkonformität hin überprüfen.