LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1586 22.12.2017 Datum des Originals: 22.12.2017/Ausgegeben: 29.12.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 584 vom 30. November 2017 der Abgeordneten Sigrid Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1368 Konzeptionslos und unfair – Umgang mit den Schulen, die inklusiv arbeiten Wollen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Schulen in Nordrhein-Westfalen schlagen Alarm. Per Verfügung sollen einzelne Schulen für das neue Schuljahr mindestens drei zieldifferent zu unterrichtende Schülerinnen und Schüler pro Klasse aufnehmen. Gleichzeitig wird Schulen, die sich zu inklusiven Schulen entwickeln wollen, verboten, in den Prozess einzusteigen. In Bezug auf die weiterführenden Schulen dreht die Schulministerin Schulentwicklung zurück. Die Ruhrnachrichten berichten am 23.11.2017 über die Pläne der FDP-Ministerin. Eltern kommentieren: „Die Gymnasien sollen sich langsam aus der Inklusion zieldifferenter Schüler schleichen". Eltern kritisieren die Maßnahmen als „Rosinenpickerei“ von Kindern: „Inklusion kann nicht bedeuten, dass wir anfangen zu sortieren.“ Angesichts der deutlich werdenden Vorhaben erweist sich die Formulierung im Koalitionsvertrag von CDU und FDP als vergiftetes Lob: „Die Gesamtschulen sind ein wichtiger Bestandteil einer vielfältigen Schullandschaft und bereiten auf die duale Ausbildung und Hochschulreife vor. Ihre langjährigen Erfahrungen im Bereich der Inklusion können einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Gestaltung dieser gesellschaftlichen Aufgabe leisten. Wir wollen die Gesamtschulen wieder in die Lage versetzen, eigene Inklusionskonzepte umsetzen zu können.“ Die Realität sieht nämlich anders aus: Ohne Rechtsgrundlage werden nun über die Bezirksregierungen strikte Verfügungen zu Aufnahmezahlen an Schulen und Schulträger gegeben. Ohne zu wissen, mit welchen Ressourcen die Schulen verlässlich und gesichert rechnen können, welche Rahmenbedingungen für die Lerngruppen und Lerngruppengrößen gesetzt werden, werden Schulen und Schulträger unmündig gemacht. Mehr als deutlich wird, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie Inklusion einseitig bestimmten Schulen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1586 2 zugewiesen werden soll. Unberücksichtigt bleibt zudem, dass die Schulen, die jetzt mit der Verfügung konfrontiert sind, in der Regel auch besondere Leistungen für die Integration von zugewanderten Kindern und Jugendlichen erbringen und sich engagiert für die Chancen sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler ins Zeug legen. Das unfaire Umgehen mit diesen engagierten Schulen führt zu Empörung. Sie sehen die Qualität ihrer Arbeit gefährdet. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 584 mit Schreiben vom 22. Dezember 2017 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie viele Inklusionskinder sollen allgemeinbildende Schulen maximal pro Lerngruppe aufnehmen, wenn sie jetzt gezwungen werden, mindestens drei Kinder pro Lerngruppe aufzunehmen? 2. Inwieweit wird bei Zuweisungen der Elternwille, die Zahl von Kindern, die unetikettierten sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf aufweisen, Verschiedenheit der Unterstützungsbedarfe und die räumliche Situation berücksichtigt? 3. Warum werden Schulen ausgebremst, die sich nach schulinternem Vorlauf auf den Weg zur inklusiven Schule machen wollen? 4. Mit welchen Ressourcen und Rahmenbedingungen können Schulen mit der Umsetzung der Verfügung durch die Bezirksregierungen verlässlich rechnen hinsichtlich Stellenzuweisung und -besetzung, multiprofessioneller Ausstattung und Reduzierung der Lerngruppengrößen? 5. Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgen die Verfügungen der Bezirksregierungen? Die Fragen 1 bis 5 werden aus Gründen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Inklusion in Schulen stand in der letzten Legislaturperiode stark in der Kritik. Die neue Landesregierung hat „Eckpunkte für die Neuausrichtung der Inklusion in der Schule“ erarbeitet, die in Kürze mit verschiedenen Beteiligten erörtert werden sollen (u.a. mit Lehrer- und Elternverbänden, Schulleitungsvereinigungen, Schulträgern). Ziel der geplanten Neuausrichtung ist eine Bündelung der Angebote des Gemeinsamen Lernens. Solche Schulen sollen personell und sächlich auskömmlich ausgestattet sein, um qualitativ hochwertige Inklusionsangebote zu ermöglichen. An diesen Schulen – so ist es im Haushaltsentwurf 2018 vorgesehen – sollen auch multiprofessionelle Teams als Teil des Kollegiums installiert werden. Diese sollen gemeinsam mit Lehrkräften der allgemeinen Lehrämter und Lehrkräften für Sonderpädagogik über die Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit förmlich festgestelltem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung hinaus präventiv tätig werden können. Über die Verteilung der mit dem Haushaltsentwurf 2018 bereitgestellten zusätzlichen Ressourcen auf die einzelnen Schulen und zu den Rahmenbedingungen können derzeit noch keine konkreten Aussagen gemacht werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1586 3 Auch die Neuausrichtung der Inklusion mit einer Konzentration auf weniger Schulen als bisher ändert nichts an der Rechtslage. Die Schulaufsichtsbehörde richtet mit Zustimmung des Schulträgers an einer Schule das Gemeinsame Lernen ein, es sei denn, die Schule ist dafür personell und sächlich nicht ausgestattet und kann auch nicht mit vertretbarem Aufwand dafür ausgestattet werden (§ 20 Absatz 5 Schulgesetz NRW). Aus diesem Grund kann nicht von „Ausbremsen“ die Rede sein – die Akteure vor Ort planen die inklusiven Angebote in Kenntnis der Situation an der einzelnen Schule sorgsam. Dennoch kann und wird es in einem Bündelungsprozess nicht ausbleiben, dass nicht alle Schulen, die sich bereits schulintern auf den Weg gemacht haben oder dies beabsichtigen, dauerhaft umfassende Angebote sonderpädagogischer Förderung werden machen können. Das Schuljahr 2017/2018 und die Vorbereitungen für das Schuljahr 2018/2019, die aktuell schon vorgenommen werden müssen, um den Schülerinnen und Schülern mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung einen Platz im Gemeinsamen Lernen oder an einer Förderschule anbieten zu können, basieren auf der weiterhin gültigen Rechtslage.