LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1632 05.01.2018 Datum des Originals: 04.01.2018/Ausgegeben: 10.01.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 581 vom 29. November 2017 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/1362 Immer mehr Muslimischer Antisemitismus an Berliner Schulen -- auch in Nordrhein- Westfalen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach einer aktuellen Umfrage des American Jewish Committee (AJC) gehört Antisemitismus von Muslimen an Berliner Schulen zum Alltag. Aus der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland wird von Aussagen jüdischer Eltern und deren Kindern berichtete, denen Antisemitismus auf dem Schulhof offen entgegenschlägt. Auch die Direktorin am American Jewish Committee in Berlin weist darauf hin, dass das Gefühl der Unsicherheit in der jüdischen Gemeinde seit Jahren wächst. Das American Jewish Committee hatte kürzlich gemeinsam mit dem Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg eine Lehrerbefragung an 21 Berliner Schulen zu diesem Thema unternommen. Die Erkenntnis: Ein radikaler Islam werde zunehmend zum Problem in Schulen – nicht nur für jüdische Schüler, sondern auch für Nichtgläubige, für Mädchen oder für (vermeintlich) homosexuelle Mitschüler und Lehrkräfte. Streng religiöse Aspekte des Islam nehmen in Berlin demnach einen immer größeren Platz in den Schulen ein und stehen manchmal sogar im Konflikt zum Bildungsauftrag. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 581 mit Schreiben vom 4. Januar 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister des Innern sowie der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1632 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Werte des Grundgesetzes gelten für alle gleichermaßen. Rassis-mus, Antisemitismus und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihres Lebensstils haben in einer offenen Gesellschaft keinen Platz. Die Landesregierung wird auch in Zukunft jedem Extremismus, politisch motivierter Gewalt sowie jeglicher Art von Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Sexismus entschieden entgegentreten. Schulen sollen Orte sein, an denen Demokratie und Menschenrechte erlernt und gelebt werden. Grundlage sind Artikel 7 der Landesverfassung sowie § 2 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, in denen die Bildungs- und Erziehungsziele der schulischen Bildung aufgeführt sind. Verschiedene zum Teil bundesweit angelegte Programme unterstützen Schulen bei ihrem Engagement für eine an den Werten der Demokratie ausgerichtete Bildung. Dies bedeutet neben der Thematisierung von Antisemitismus und seinen verschiedenen Erscheinungsformen auch, sich den Traditionslinien antisemitischer Diskurse in Deutschland zu widmen. 1. Trifft dies nach Erkenntnissen der Landesregierung im Wesentlichen auch auf Schulen von NRW zu? Für Nordrhein-Westfalen liegen keine vergleichbaren Untersuchungen vor. Die Landesregierung geht jedoch davon aus, dass auch in Nordrhein-Westfalen ähnliche Vorkommnisse zu verzeichnen sind. 2. Welche konkreten Erkenntnisse liegen diesbezüglich der Landesregierung vor? Für den Zeitraum 1.1.2014 bis 5.12.2017 wurden insgesamt 61 antise-mitische Straftaten an nordrhein-westfälischen Schulen gemeldet. Von den 61 Straftaten wurden 47 dem Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) Rechts, zehn Straftaten dem bis 2016 gültigen Phänomenbereich PMK Ausländer, drei Straftaten dem Phänomenbereich Sonstige/ nicht zuzuordnen sowie eine dem Phänomenbereich PMK Links zugeordnet. Einzelheiten entnehmen Sie der Anlage 1. 3. Gibt es eine systematische Erfassung antisemitischer Vorfälle an den Schulen von NRW? Antisemitische Straftaten werden im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes „Politisch motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK) erfasst. 4. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus den ihr diesbezüglich vorliegenden Informationen? Der Verfassungsschutz beobachtet islamistische Bestrebungen und legt dabei ein besonderes Augenmerk auf antisemitische Positionierungen sowie entsprechende ideologische Versatzstücke. Antisemitismus ist eine bedeutende ideologische Komponente aller islamistischen Strömungen. Islamistische Kreise reagieren offen mit antisemitischen Aussagen oder Handlungen auf politische Entwicklungen im Nahen Osten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1632 3 5. Wie sehen die aktuellen Überlegungen und Planungen der Landesregierung zu Präventionsmaßnahmen und –projekten gegen diese äußerst besorgniserregende Entwicklung aus? Seit 2009 ist Antidiskriminierungsarbeit einer der Arbeitsschwerpunkte der landesgeförderten Integrationsagenturen in Trägerschaft der Freien Wohlfahrtspflege. In diesem Rahmen setzen die Integrationsagenturen Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie um, die auf die Bedarfe und die Situation in den sozialen Räumen zugeschnitten sind. Dazu gehören zum Beispiel Fortbildungen und Antidiskriminierungstrainings für Haupt- oder Ehrenamtliche, präventive Workshops in Kooperation mit Schulen oder die konkrete Ansprache der Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Die 13 spezialisierten Integrationsagenturen - Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit - besitzen zusätzlich eine Beratungsfunktion für von Diskriminierung betroffene Menschen. Sie widmen sich zudem gezielt besonderen Problemlagen, wie der Diskriminierung von Neuzugewanderten aus Südosteuropa auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt und greifen das Thema Antisemitismus und Antiziganismus auf, um zu sensibilisieren und zu informieren. Als eine Servicestelle mit dem besonderen Schwerpunkt Antisemitismus wurde SABRA (Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit und Beratung bei Rassismus und Antisemitismus) im Juni 2017 in Düsseldorf gegründet. Sie bietet u.a. Empowerment-Workshops für Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Altersstufen an und begleitet bei Gesprächen mit Verantwortlichen und Institutionen. Durch die Kooperation mit dem „Kompetenzzentrum Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V. (ZWST)“ vermittelt sie bei Bedarf Betroffene an die Opferberatungsstelle. Die Landeszentrale für politische Bildung initiiert Bildungsprozesse, um im Vorfeld und in Frühphasen der Entwicklung antidemokratischer Haltungen jungen Menschen aller Nationalitäten und Religionen menschenrechtsorientierte Werte und Normen zu vermitteln und damit respektvolles Handeln als unabdingbare Haltung in unserer demokratischen Gesellschaft zu stärken. Hierzu zählen sowohl Angebote zur Auseinandersetzung mit dem aktuellen Antisemitismus als auch zur Information über unterschiedliche Formen extremistischer Phänomene wie beispielsweise dem religiös und politisch begründeten Extremismus. Zum Angebotsspektrum der Landeszentrale zählen Projekttage für Schülerinnen und Schüler, Fortbildungen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die Entwicklung von pädagogischen Konzepten und Methoden sowie die Bereitstellung von Büchern und audiovisuellen Medien. Anlage 1 Deliktsgruppen 2014 2015 2016 2017 2014 2015 2016 2017 2014 2015 2016 2017 2014 2015 2016 2017 2014 2015 2016 2017 2014 2015 2016 2017 Tötungsdelikte (einschließlich Versuche) 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Branddelikte 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Sprengstoffdelikte 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Landfriedensbruchdelikte 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr etc. 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Körperverletzungsdelikte 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 1 0 0 0 1 0 0 Widerstandshandlungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Raub 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Erpressung 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Freiheitsberaubung 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Sexualdelikte 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Zwischensumme Gewaltdelikte 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 1 0 0 0 1 0 0 Bedrohungen/Nötigungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Sachbeschädigungen 1 0 0 0 1 0 0 0 1 1 5 3 / / / 0 0 1 0 0 3 2 0 3 Verstöße gegen §§ 86, 86a StGB 0 0 0 0 0 0 0 0 5 3 6 4 / / / 0 0 0 0 0 5 3 5 4 Volksverhetzungen 4 3 0 0 0 0 0 0 2 4 0 13 / / / 0 0 0 0 0 6 7 6 13 Störung des öffentlichen Friedens 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 1 0 Beleidigungen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Verstöße gegen das Vereinsgesetz 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 0 0 0 0 0 0 0 0 sonstige Straftaten 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 / / / 0 1 0 0 0 2 0 0 0 Summe Gesamt 6 3 1 0 1 0 0 0 8 8 11 20 / / / 0 1 2 0 0 16 13 12 20 Antisemitische Straftaten an Schulen Ausländer Links Rechts sonstige / Nicht zuzuordnen Gesamtreligiöse Ideologie