LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1638 08.01.2018 Datum des Originals: 08.01.2018/Ausgegeben: 11.01.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 633 vom 14. Dezember 2017 des Abgeordneten Helmut Seifen AfD Drucksache 17/1529 Vertrauensverlust in das staatliche Schulsystem: Entwicklung der Privatschulen in NRW Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Statistische Bundesamt veröffentlichte am 13.02.2017 Zahlen zu aktuellen Entwicklungen im Bildungswesen. So konstatierte das Statistische Bundesamt, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler an Privatschulen in den vergangenen Jahren gestiegen sei. Im Schuljahr 2015/2016 besuchten bundesweit 9 Prozent aller Schülerinnen und Schülern an allgemeinbildenden Schulen eine Privatschule. Vor 10 Jahren waren es noch 7 Prozent.1 In Sachsen-Anhalt liegt der Anteil noch höher: Dort besucht mittlerweile fast jeder zehnte Schüler eine Privatschule.2 Die Bereitschaft von Eltern für die Bildung der Kinder mitunter hohe monatliche Beiträge in Kauf zu nehmen, hat vielfältige Gründe. Dabei spielen Indikatoren wie Klassengröße, erteilte Unterrichtsstunden, Homogenität der Schülerschaft und Leistungsbereitschaft der Schüler, das soziale Umfeld sowie der allgemeine Ruf einer Schule zweifellos eine wichtige Rolle. Die bundesweit gestiegenen Zahlen der Schülerinnen und Schüler an Privatschulen müssen als besorgniserregendes Signal für den Zustand des staatlichen Schulsystems gedeutet werden. Eltern ziehen den öffentlichen Schulen immer häufiger Privatschulen vor, weil sie offensichtlich mehr und mehr das Vertrauen in das staatlich getragene Bildungssystem und das dort herrschende Ausstattungs- und Unterrichtsniveau verlieren. 1https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/ImFokus/BildungForschungKultur/PrivatschulenUnterrichts stunden.html (12.12..2017; 13.30 Uhr). 2 http://www.focus.de/regional/magdeburg/schulen-fast-jeder-zehnte-schueler-besuchtprivatschule _id_7913772.html (12.12.2017; 10.12 Uhr). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1638 2 Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 633 mit Schreiben vom 8. Januar 2018 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung: In Nordrhein-Westfalen können Schülerinnen und Schüler ihre Schulpflicht an öffentlichen Schulen, an Ersatzschulen und an anerkannten Ergänzungsschulen erfüllen. Aufgrund der den Ergänzungsschulen zustehenden weitergehenden Freiheiten als den Ersatzschulen, u.a. in der Organisationform, den Unterrichtsinhalten und der Qualifikation ihrer Lehrkräfte, sowie der fehlenden Bezuschussung durch das Land NRW werden diese Schulen im Gegensatz zu den öffentlichen Schulen und den Ersatzschulen statistisch nicht erfasst. Die Antworten zu den Fragen 1 bis 4 beschränken sich daher auf die Ersatzschulen in Nordrhein- Westfalen. Mit den Amtlichen Schuldaten des Landes Nordrhein-Westfalen (ASD) werden jährlich zum Stichtag 15. Oktober unter anderem die Zahl der öffentlichen Schulen und privaten Ersatzschulen sowie die Zahl der dortigen Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrerinnen und Lehrer erhoben. Diese Angaben werden vom Ministerium für Schule und Bildung Nordrhein-Westfalen jährlich im „Statistik-Telegramm“ veröffentlicht, einer Broschüre, in der die wichtigsten Daten und Kennziffern der Schullandschaft in Nordrhein-Westfalen in Zeitreihen von jeweils 10 Jahren dargestellt sind. Das Statistik-Telegramm kann mit den zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage aktuellsten verfügbaren Daten für das Schuljahr 2016/2017 im Bildungsportal (www.schulministerium.nrw.de) unter Service Schulstatistik Amtliche Schuldaten heruntergeladen werden. Daten für das Schuljahr 2017/2018 sind derzeit nicht in endbereinigter Form verfügbar. 1. Wie viele Privat- bzw. Ersatzschulen gibt es gegenwärtig in Nordrhein-Westfalen? In Nordrhein-Westfalen bestanden im Schuljahr 2016/2017 insgesamt 553 staatlich genehmigte Ersatzschulen. 2. Wie viele neue Privat- bzw. Ersatzschulen sind seit dem Jahr 2010 neu entstanden? 3. Wie viele Schülerinnen und Schüler besuchen aktuell eine Privatschule bzw. Ersatzschule in NRW? Aus Gründen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2 und 3 zusammen beantwortet. Im Vergleich zum Schuljahr 2010/2011, in dem in Nordrhein-Westfalen an 484 Ersatzschulen unterrichtet wurde, ist die Zahl innerhalb der vergangen 6 Schuljahre um 69 Schulen angestiegen (s. Statistik-Telegramm Tabelle 2.1). Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler an privaten Ersatzschulen von 212.452 auf 210.010 gesunken (s. Statistik-Telegramm Tabelle 2.2). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1638 3 4. Welche Angaben über das durchschnittliche Lehrer-Schüler-Verhältnis liegen der Landesregierung bei Privatschulen im Vergleich zu staatlichen Schulen im Jahr 2017 vor? Das Statistik-Telegramm enthält mit Tabelle 2.6 (Seite 40 - 42) eine schulformbezogene Übersicht der empirischen Relationen „Schüler/innen je Vollzeitlehrereinheit“ an öffentlichen Schulen und privaten Ersatzschulen. 5. Ist die Landesregierung über die zunehmende Abwanderung und soziale Selektion von Kindern zahlungskräftiger Eltern an Privatschulen besorgt? Da zu den in der Frage formulierten Annahmen keine belastbaren Untersuchungsergebnisse existieren, ist angesichts der Heterogenität und Pluralität der Privatschullandschaft und der sehr unterschiedlichen Privatschulträger Vorsicht gegenüber pauschalen Urteilen angebracht. Die Landesregierung sieht in den Schulen in freier Trägerschaft - so wie es auch § 100 Absatz 1 Satz 2 Schulgesetz aussagt - eine Ergänzung und Bereicherung der Schullandschaft. Im Übrigen ist es Ziel der Landesregierung, beste Bildung für alle Schülerinnen und Schüler im öffentlichen Schulwesen zu ermöglichen. In Nordrhein-Westfalen erheben Ersatzschulen regelmäßig kein Schulgeld. Der Besuch einer Ersatzschule hängt daher nicht vom Einkommen der Eltern ab. Eine Ersatzschule muss grundsätzlich von allen Eltern und Schülerinnen und Schülern ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Lage in Anspruch genommen werden können, Artikel 7 Absatz 4 Satz 3 Grundgesetz und § 101 Absatz 1 Satz 2 Schulgesetz NRW (sogenanntes Sonderungsverbot). Die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen lässt grundsätzlich die Erhebung von Schulgeld an Ersatzschulen in den Grenzen des Sonderungsverbots zu. Die Ersatzschulträger sind jedoch berechtigt, zulasten des Staates auf die Erhebung von Schulgeld zu verzichten (vgl. Artikel 9 Absatz 2 S. 3 Landesverfassung NRW). Diesem Umstand trägt die Finanzhilfe des Landes Rechnung: Im Rahmen der Ersatzschulfinanzierung ist geregelt, dass ein etwaiges Schulgeld im Ersatzschulhaushalt zu vereinnahmen ist und den Landeszuschuss verringert. Damit lohnt sich die Erhebung von Schulgeld in Nordrhein-Westfalen nicht und unterbleibt regelmäßig. Im Unterschied dazu können anerkannte Ergänzungsschulen nach § 118 Schulgesetz NRW Schulgeld erheben und tun dies auch. Eine zunehmende Abwanderung zu diesen Schulen ist nicht belegt.