LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1640 08.01.2018 Datum des Originals: 08.01.2018/Ausgegeben: 11.01.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 549 vom 16. November 2017 des Abgeordneten Guido van den Berg und Stefan Kämmerling SPD Drucksache 17/1262 Welche Folgen hat der Sabotageakt am Kraftwerk Weisweiler? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach Medienberichten sollen etwa 15 Personen am Morgen des 15.11.2017 Bagger und Bandstraßen für die Kohlezufuhr besetzten haben. In der Folge sollen mehr als 2.000 MW Kraftwerksleistung des Kraftwerks Weisweiler vom Netz genommen worden sein. Das entsprach wohl an diesem Vormittag der gesamten Einspeiseleistung der Erneuerbaren. Neben den Abschaltungen habe der Kraftwerksbetreiber die Vorschaltgasturbinen am Standort, die in Zeiten angespannter Marktsituationen zum Einsatz kommen sollen, nicht wie geplant nutzen können. Die Fernwärmeversorgung konnte wohl nur durch große Anstrengungen geleistet werden. Am Markt soll der Ausfall des Kraftwerks für spürbare Preissteigerungen gesorgt haben. Im untertägigen Handel soll so zeitweise ein Börsenpreis von 149 Euro/MWh zu verzeichnen gewesen sein. Zusätzliche verfügbare Kraftwerke insbesondere Gaskraftwerke seien in der Folge angefahren worden sein. Polizeisprecher vor Ort sollen den Vorfall als „Sabotageakt“ eingestuft haben. Die Aachener Zeitung berichtet in diesem Zusammenhang: „Ob die Aktivisten sich juristisch verantworten müssen, ist ungewiss. Die Polizei konnte die Personalien am Mittwoch nicht feststellen, weil die 13 Personen unter anderem die Fingerkuppen verklebt hatten und keine Ausweispapiere bei sich trugen. In einem Fall ist laut Polizei auch das Geschlecht nicht bekannt. Etwa die Hälfte wurde am Nachmittag wieder entlassen, wie der Aachener Staatsanwalt Jost Schützeberg bestätigte. Bei ihnen lag ‚lediglich der Verdacht des Hausfriedensbruchs vor‘“. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 549 mit Schreiben vom 8. Januar 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und dem Minister der Justiz beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1640 2 Vorbemerkung der Landesregierung Das Braunkohlekraftwerk Weisweiler steht im Eigentum der RWE Power AG. Die Sicherung des Betriebsgeländes obliegt grundsätzlich dem Eigentümer. Die Kreispolizeibehörden beraten das Unternehmen bei der Sicherung der Kraftwerke und Tagebaue. Zuletzt wurden im Vorfeld des „Klimacamp 2017“ mögliche Schwachstellen betrachtet und die RWE Power AG aufgefordert, vorhandene Sicherungseinrichtungen konsequent zu nutzen. Neben diesem Informationsaustausch steht die zuständige Kreispolizeibehörde Aachen anlässlich der Einsatzmaßnahmen aus Anlass von Sicherheitsstörungen im Bereich des Rheinischen Braunkohlenreviers im ständigen Austausch mit Vertretern der RWE Power AG. Darüber hinaus führt die Polizei an den Kraftwerken, Tagebauen und sonstigen Infrastrukturen Aufklärungsmaßnahmen im engeren und weiteren Umfeld durch, um insbesondere Störerbewegungen frühzeitig erkennen zu können. Nach dem Vorfall vom 15.11.2017 wurde erneut das Gespräch mit der RWE Power AG durch die Polizei gesucht. Diese hat ein betriebsinternes Projekt eingerichtet, um die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen sowohl personell als auch in technischer Hinsicht erneut zu prüfen. 1. Welche Folgen hatte die Außerbetriebnahme der Kraftwerksblöcke in Weisweiler für das Netzmanagement in der Region (Höchstspannungsnetz, 110kv-Netz, Kraftwärmekopplung, Dampf- und Wärmeversorgung in Aachen oder am Forschungszentrum Jülich) bzw. welche Maßnahmen zur Stabilisierung mussten ergriffen werden? In Folge des unbefugten Eindringens von Personen in das Kraftwerk Weisweiler wurden drei der vier Braunkohlekraftwerksblöcke zeitweise vom Netz getrennt. Damit stand eine nennenswerte Leistung für das Übertragungs- und Verteilnetz nicht zur Verfügung. Betroffen war zudem auch die Wärmeauskopplung aus dem Kraftwerk Weisweiler und damit die Versorgung von Fernwärmeabnehmern in Jülich und Aachen. Durch Ersatzmaßnahmen, u. a. Aktivierung von Heizkesseln konnte die Wärmeversorgung des Forschungszentrums Jülich und in Aachen jederzeit sichergestellt werden. Zudem musste aufgrund der Abschaltung der RWE-Blöcke in Weisweiler Regelenergie aktiviert werden. 2. Welche Einsatzkräfte (Polizei, Rettungsdienste, Feuerwehr, Höhenrettung etc.) mussten in der Einsatzlage zu welchem Zweck eingesetzt werden? Einsatzkräfte der Polizei: In der Spitze waren 184 Einsatzkräfte der Polizei in den Einsatz eingebunden. Unter diesen befanden sich u. a. Kräfte einer Bereitschaftspolizeihundertschaft sowie eine Technische Einsatzeinheit. Die konkreten Einsatzkonzepte und Kräftedispositionen unterliegen - wie bei jedem polizeilichen Einsatz - grundsätzlich der Geheimhaltung, um die Wirksamkeit der polizeilichen Maßnahmen nicht zu gefährden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1640 3 Einsatzkräfte der Feuerwehren und des Rettungsdienstes: Feuerwehr Eschweiler: 2 Führungskräfte 6 Einsatzkräfte der Hauptwache, auf Anforderung zur Amtshilfe für die Polizei, für die technische Unterstützung bei einer möglichen Befreiung von Personen aus Zwangslagen 4 Einsatzkräfte der Hauptwache mit zwei Rettungswagen (jedes Fahrzeug ist mit zwei Einsatzkräften besetzt) Feuerwehr Stolberg: 5 Einsatzkräfte mit einem Einsatzleitwagen zur Führung des Bereitstellungsraums Rettungsdienst StädteRegion Aachen: 2 Einsatzkräfte mit einem Notarzteinsatzfahrzeug (Notarzt und Rettungsassistent) 2 Einsatzkräfte mit einem Einsatzleitwagen (Leitender Notarzt und Organisatorischer Leiter Rettungsdienst) 8 Einsatzkräfte mit vier Rettungswagen Diese Einsatzkräfte der StädteRegion Aachen befanden sich lediglich auf Abruf im Bereitstellungsraum. Lagezentrum der StädteRegion Aachen in Simmerath: 6 Einsatzkräfte zur rückwärtigen Begleitung der Einsatzlage 1 Einsatzkraft als Verbindungsperson in der Städteregionalen Leitstelle bei der Stadt Aachen Berufsfeuerwehr Aachen Im Rahmen der überörtlichen Hilfe wurde die Berufsfeuerwehr der Stadt Aachen inklusive Spezialkräften angefordert. Die Berufsfeuerwehr der Stadt Aachen verfügt über eine Sonderrettungsgruppe für das Tätigwerden in großen Höhen. Gleichzeitig wurde bei deren Anforderung im Stabsraum der Städteregionalen Leitstelle eine stabsförmig organisierte Hintergrundunterstützung eingerichtet. 10 Einsatzkräfte der Sonderrettungsgruppe 16 Einsatzkräfte zur Durchführung der Hintergrundunterstützung (hierbei sind die regulär Dienst versehenden Leitstellenbeamten inbegriffen) 3. Wie viele Personen drangen in das Kraftwerksgelände ein, wie viele wurden in Polizeigewahrsam genommen, wie viele konnten identifiziert werden? Insgesamt verschafften sich 14 Personen Zugang zu dem Kraftwerksgelände. Davon wurde eine Person nach Identitätsfeststellung vor Ort entlassen. Die übrigen 13 Personen wurden zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach Maßgabe der §§ 163b, c StPO festgehalten. Die Polizei stellte hierbei die Identität von drei dieser Personen zweifelsfrei fest, die nach Absprache mit der Staatsanwaltschaft Aachen entlassen wurden. Gegen drei weitere Personen, die eine Förderanlage besetzt hatten und deren Identität zunächst nicht hatte festgestellt werden können, stellte die Staatsanwaltschaft Aachen Antrag auf Erlass von Haftbefehlen nach § 112 StPO. Diesen Antrag nahm die Staatsanwaltschaft LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1640 4 zurück, nachdem diese Personen beim Amtsgericht Eschweiler ihre Identitäten offenbart hatten. Bei den übrigen sieben Personen, die sich lediglich auf dem Gelände des Kraftwerks aufgehalten hatten, dauern die Ermittlungsmaßnahmen zur Identifizierung noch an. Sie wurden ebenfalls in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Aachen nach Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen einschließlich der Fertigung von Lichtbildern entlassen. Zumindest erschwert wird die Identifizierung in diesen Fällen durch die täterseitige Manipulation der Papillarleisten im Bereich der Fingerkuppen u. a. durch mechanische Veränderung und Verkleben. 4. Ist es zutreffend, dass „etwa die Hälfte“ der festgenommenen Personen ohne Feststellung von Personalien freigelassen wurden? Siehe Antwort zu Frage 3. 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Nicht-ID-Feststellung und die Freilassungen im Rahmen der „Null-Toleranz-Strategie“ der Landesregierung die vor allem bedeute, dass Straftaten konsequent verfolgt werden (siehe Bericht des Ministeriums des Innern vom 30.10.2017)? Sofern jemand einer Straftat verdächtig ist, ist die Polizei nach Maßgabe der §§ 163b, c StPO befugt, die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Der Verdächtige darf festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter diesen Voraussetzungen sind auch Durchsuchungen der Person des Verdächtigen und mitgeführter Sachen sowie die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zulässig. Gemäß § 163 c StPO darf eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Feststellung der Identität die Dauer von insgesamt zwölf Stunden nicht überschreiten. Kann die Identität nicht unmittelbar nach der Tat festgestellt werden, unternimmt die Polizei im Rahmen der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten alles, um die Personalien von Tatverdächtigen im Zuge weiterer Ermittlungen im Nachhinein zu erheben. Die Anordnung der gesetzlich zulässigen Maßnahmen erfolgte im konkreten Fall durch die Staatsanwaltschaft Aachen im Rahmen ihrer Sachleitungsbefugnis und in enger Abstimmung mit der ermittelnden Polizeibehörde.