LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1730 16.01.2018 Datum des Originals: 16.01.2018/Ausgegeben: 19.01.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 664 vom 21. Dezember 2017 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/1597 Hält die Qualitätssicherung des Essens in Kindergärten und Schulen mit der Betreuungsintensität unserer Kinder stand? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In Nordrhein-Westfalen werden immer mehr Schulen im offenen und teilweise auch bereits im gebundenen Ganztag geführt und ebenso nimmt die Zahl von außer-unterrichtlichen Ganztags- und Betreuungsangeboten zu. Diese Tendenz ist stetig steigend, so daß auch die Verpflegung sowie die Vermittlung ernährungsphysiologischer Grundlagen einen immer höheren Stellenwert erlangt. Zwar gehört die Schulverpflegung zu den äußeren Schulangelegenheiten und liegt im Aufgabenbereich des jeweiligen Schulträgers, jedoch hat das Land NRW die Bedeutsamkeit dieser Thematik bereits früh erkannt. In einem Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 23.12.2010 zur Thematik dieser Ganztagsschulen finden sich u. a. auch „Angebote zur gesunden Lebensgestaltung, u. a. zu einer gesunden Ernährung“ (BASS 12-63 Nr. 2; Schulgesetz, Punkt 3.1). Die Vernetzungsstelle „Schulverpflegung NRW“, die durch das Verbraucherschutz- und Schulministerium NRW in Kooperation mit der Verbraucherzentrale NRW und dem Bundesverbraucherschutzministerium eingerichtet wurde, soll diverse Beratungsangebote offerieren sowie Fachinformationen und Arbeitsmaterialien rund um das Thema Ernährung zur Verfügung stellen, um kompetente Beratung und Unterstützung der Schulen, Eltern und Kommunen gewährleisten zu können. Zuständig ist die „Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung - „IN FORM“, die eigens eine „Checkliste der Qualitätsstandards für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder“ mit dem Ziel herausgegeben hat, das Essensangebot an dem Qualitätsstandard der deutschen Gesellschaft für Ernährung auszurichten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1730 2 All diese Bestrebungen des Landes NRW und auch der zuständigen Ministerien sowie sonstigen Institutionen geben nach meinen Erkenntnissen jedoch lediglich Richtwerte und Empfehlungen und keine verbindlichen Reglementierungen vor. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 664 mit Schreiben vom 16. Januar 2018 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Zur Klarstellung des Sachverhaltes werden die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für die Kita- und Schulverpflegung vorab erläutert. 1. Auf der Grundlage der gestuften und geteilten Verantwortlichkeit für das Schulwesen und die Kindertagesbetreuung obliegt die Kita- und Schulverpflegung in erster Linie den Kommunen in ihrer Funktion als Schulträger bzw. den jeweils verantwortlichen Trägern von Kindertageseinrichtungen für die Kitaverpflegung. In ihrem Benehmen – unter Berücksichtigung der Situation vor Ort sowie der Interessen und Bedürfnisse der Schulen bzw. Kindertageseinrichtungen – ist zu klären, wie eine gesunde und gesundheitsfördernde Mittagsverpflegung an pädagogischen Ganztagseinrichtungen realisiert werden kann. Insofern ist die Landesregierung nicht unmittelbar für die Qualitätssicherung des Mittagessens in Kindertageseinrichtungen und Schulen zuständig. Die Träger von Schulen und Kindertageseinrichtungen entscheiden im Rahmen der eigenverantwortlichen Vergabe an einen Essensanbieter und der vertraglichen Ausgestaltung etwa über die Betreiberart (Dienstleistungsvertrag, Dienstleistungskommission, Eigenbetrieb etc.), über das Verpflegungssystem (temperaturentkoppelte Systeme, Frischküche oder Kombinationen) und auch über Maßnahmen der Qualitätssicherung. 2. Kita- und Schulverpflegung kann und sollte eine gesundheitsfördernde und präventive Funktion wahrnehmen. Im Rahmen von INFORM wurde von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für alle Bundesländer einheitlich der Qualitätsstandard für die Kita- und Schulverpflegung entwickelt. Links: DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder: https://www.fitkidaktion .de/fileadmin/user_upload/medien/DGE_Qualitaetsstandard_FITKID.pdf, DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung: https://www.schuleplusessen.de/fileadmin/user_upload/medien/DGE_Qualitaetsstandard_Sc hule.pdf. Auf dieser Grundlage berät die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung Nordrhein- Westfalen, angesiedelt bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, im Auftrag der drei Ministerien für Schule und Bildung, für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Nordrhein-Westfalen Schulträger und Schulen, Betreuungsträger und Kindertageseinrichtungen. Außerdem wird ein umfangreiches Fortbildungsprogramm angeboten. Link: https://projekte.meine-verbraucherzentrale.de/DE- NW/kita-schulverpflegung. 3. Gesundheitserziehung und Ernährungsbildung sind im Wesentlichen pädagogische Aufgaben in Begleitung der elterlichen Erziehung: 3.1 In den geltenden Kernlehrplänen verschiedener Fächer, z.B. Biologie, Sport oder Hauswirtschaft werden vielfältige Lernanlässe beschrieben. Diese werden von den Schulen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1730 3 im Unterricht und bei der Gestaltung des Schulalltags umgesetzt. Link: https://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/. 3.2 Schulische Programme wie das „Landesprogramm Bildung und Gesundheit“ unterstützen beispielsweise Schulen bei der Gesundheitserziehung. Link: https://www.bug-nrw.de/. 3.3 Auf der Grundlage des Beschlusses der Kultusministerkonferenz zur „Verbraucherbildung an Schulen“ vom 12.09.2013 wurde in Nordrhein-Westfalen zuletzt das Leitprojekt „Verbraucherbildung an Schulen“ gemeinsam von den Ministerien für Schule und Bildung sowie Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz durchgeführt. In dessen Rahmen wurde eine Rahmenvorgabe „Verbraucherbildung für die Schule in der Primarstufe und Sekundarstufe I“ entwickelt. Link: https://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/upload/klp_gs/vb/Rahmenvorgabe_Verbrau cherbildung_PS_SI_2017.pdf. Darin wird im Bereich B „Ernährung und Gesundheit“ explizit ein Schwerpunkt auf eine „gesundheitsförderliche Ernährung und nachhaltige Lebensführung“ gelegt. 3.4 In den Bildungsgrundsätzen „Mehr Chancen durch Bildung von Anfang an“ für Kinder von null bis zehn Jahren werden in den Ausführungen zum Bildungsbereich „Körper, Gesundheit und Ernährung“ insbesondere die Themenstellungen Ernährungsbildung und Gesundheitserziehung im pädagogischen Setting des Elementar- und Primarbereiches in Nordrhein-Westfalen hervorgehoben. Link: https://www.mkffi.nrw/sites/default/files/asset/document/bildungsgrundsaetze_januar_2016.p df. Den Kindertageseinrichtungen und den Allgemeinbildenden Schulen in NRW obliegt es jedoch in ihrer Zuständigkeit und Verantwortlichkeit zu entscheiden, wie sie den notwendigen Kompetenzerwerb der Kinder und Jugendlichen fördern. 1. Gibt es seitens des Landes NRW verbindliche Vorgaben bzgl. der Güte, Art und Häufigkeit von altersgerecht auszugebenden Mahlzeiten z. B. anhand der angesprochenen Ernährungstabellen, nach denen der Nährstoffbedarf der Kinder und der daraus resultierende Tagesbedarf bestimmt wird? Es gibt keine verbindlichen Vorgaben, jedoch liegen mit dem Qualitätsstandard für Kita- und Schulverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung wissenschaftlich erarbeitete, bundesweit einheitliche, altersgerechte ernährungsphysiologische Empfehlungen vor, die auch Grundlage der Informations-, Beratungs- und Fortbildungsarbeit der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung NRW sind. 2. Müssen die Träger der Einrichtungen dem Land NRW gegenüber z. B. in Form eines nachweislich geführten Qualitätsmanagements belegen, daß die in Frage 1. angesprochenen Vorgaben alters- und betreuungszeitgerecht eingehalten werden? Bitte fügen Sie eine etwaig vorliegende Statistik zu der Beantwortung dieser Anfrage bei. Aufgrund der in der Vorbemerkung geschilderten geteilten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten gibt es seitens des Landes keine verbindlichen Regeln über die Art und den Umfang der Qualitätssicherung, die über die Einhaltung gesetzlicher Grundlagen, etwa der Hygienevorgaben, hinausgehen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1730 4 3. Beabsichtigt das Ministerium für Schule und Bildung weitere landesweite Erhebungen wie die des Forschungsinstituts für Kinderernährung (FKE) aus den Jahren 2009/2010 durchzuführen, um damit die laufende Entwicklung der qualitativen und ernährungsphysiologischen Attribute der Schulverpflegung zu dokumentieren sowie deren Weiterentwicklung nachvollziehen zu können? Ziel der vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beauftragten NRW-Erhebung zur Mittagsverpflegung durch das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) im Jahr 2010 (Kersting, Clausen u.a.) war es, durch eine Basiserhebung Kerndaten zur Schulverpflegung in NRW zu erfassen, um vorherrschende organisatorisch-strukturelle Probleme aus Sicht der Schulleitungen sowie vorrangige Handlungsfelder zu identifizieren. Eine umfangreiche bundesweite Erhebung zur Qualität der Schulverpflegung wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2014 (veröffentlich 2015) von Frau Prof. Arenz-Azevedo, Hochschule Hamburg, durchgeführt. Sie ermöglicht auch eine länderspezifische Auswertung. Link: https://www.inform .de/fileadmin/Dokumente/Materialien/20150625INFORM_StudieQualitaetSchulverpflegu ng.pdf. Zusammenfassung der Ergebnisse für NRW: https://projekte.meineverbraucherzentrale .de/mediabig/235537A.pdf Eine weitere Untersuchung ist daher zurzeit für Nordrhein-Westfalen nicht geplant. 4. Bezogen auf eventuell zwingend einzuhaltende Vorgaben zur Ernährung der Kinder bzw. Schüler: Inwieweit wird in der Vermittlung von ernährungsphysiologischen Grundsätzen zwischen äußeren und inneren Schulangelegenheiten differenziert? Grundsätzlich können und sollten beide Parteien, Träger und pädagogische Einrichtung, sich der Aufgabe einer gesundheitsförderlichen, qualitativ hochwertigen (und bezahlbaren) Mittagsverpflegung in gemeinsamer Verantwortung annehmen, wie es vielfältig geübte Praxis im Land ist. Dabei ist davon auszugehen, dass die Verknüpfung von Ernährungsbildung und - praxis in Kita und Schule das Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen positiv beeinflusst. Das Ziel ist daher, Wissen und Kompetenzen einer gesunden und nachhaltigen Ernährung zu vermitteln, und zugleich den täglichen Zugang zu einer gesunden Verpflegung zu ermöglichen. Qualitative Ansprüche in Hinblick auf die Ausgestaltung der Schulverpflegung sind jedoch durch die grundgesetzlich garantierte kommunale Selbstverantwortung der Gemeinden begrenzt, insbesondere durch ihre finanzielle Eigenverantwortlichkeit. (Art. 28 GG;: Art. 78 Abs. 2 und 3 LV NRW). Insofern hat beispielsweise eine Schule bei Belangen, die in der originären Verantwortung des Schulträgers liegen, grundsätzlich nur ein Anhörungs-, Vorschlags- oder Mitspracherecht (§ 62 Abs. 2 SchulG NRW). Die Schulträger können, auch wenn möglicherweise eine Schulkonferenz für ein bestimmtes Verpflegungskonzept votiert hat, letztendlich nicht gezwungen werden, dieses zu übernehmen oder in einer Ausschreibung die entsprechenden Vorgaben aufzunehmen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1730 5 5. Wird im Falle der reinen Zuständigkeit der Einrichtungsträger seitens der Landesregierung z. B. durch Lehrplanvorgaben oder zertifiziertem Qualitätsmanagement sichergestellt, daß diese auch vermittelt bzw. eingehalten werden? Lehrpläne enthalten curriculare Vorgaben für die unterrichtliche Gestaltung, nicht für die Qualität der Verpflegung. Hinsichtlich weiterer Vorgaben der Qualitätssicherung sei auf die Vorbemerkung und die Antworten auf die Fragen 1 und 2 verwiesen.