LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1792 18.01.2018 Datum des Originals: 17.01.2018/Ausgegeben: 23.01.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 626 vom 15. Dezember 2017 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1522 Hebelt die Landesregierung das ökologische Jagdgesetz in unzulässiger Weise aus? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In einer Dienstanweisung des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutzes in seiner Zuständigkeit als Oberste Jagdbehörde vom 17.10.2017, wurde die Baujagd von Füchsen- bis auf wenige Ausnahmen- auf das gesamte Landesgebiet ausgeweitet. Dies verstößt gegen § 19 (1) 8 a) und b) des gültigen Landesjagdgesetzes Nordrhein-Westfalens, das die Bejagung von Füchsen oder Dachsen im Natur- und Kunstbau ausdrücklich verbietet. Da die von der Landesregierung angekündigte Novellierung des Jagdgesetzes noch nicht erfolgte, verstößt diese Dienstanweisung gegen geltendes Jagdrecht. Die Pressestelle des MULNV hat mit der Veröffentlichung der Dienstanweisung auf neue Erkenntnisse bezüglich vermeintlich schlechter Zustände des Niederwilds verwiesen und so die intensivere Prädatorenjagd rechtfertigt. Um welche empirische Grundlage es sich hierbei handelt, ist allerdings nicht bekannt. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 626 mit Schreiben vom 17. Januar 2018 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die aktuelle landesweite Ausdehnung der Fuchsbejagung am beziehungsweise im Kunstbau geht zurück auf die im Jahr 2015 in Kraft getretene Novelle zum Landesjagdgesetz (LJG- NRW). Darin ist in § 19 Absatz 3 geregelt, dass abweichend vom Verbot des § 19 Absatz 1 Nr. 8 Buchstabe b die zuständige untere Jagdbehörde zum Schutz der Tierwelt auf Basis einer von der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung (Forschungsstelle) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1792 2 erarbeiteten und regelmäßig fortzuschreibenden Gebietskulisse jeweils für deren Gültigkeitsdauer zeitweise die Baujagd im Kunstbau erlauben kann. Die Forschungsstelle hatte daraufhin eine Gebietskulisse erstellt. Der Schutz der Tierwelt war das Schlüsselkriterium für diese Gebietskulisse und die späteren Ausnahmegenehmigungen. Die Gebietskulisse umfasste 12 Vogelschutzgebiete mit prädationssensiblen Bodenbrütern wie zum Beispiel Großer Brachvogel, Uferschnepfe und Kiebitz, das Flamingo-Vorkommen im Zwillbrocker Venn (im Kreis Borken), das Feldhamster-Vorkommen in Zülpich im Kreis Euskirchen, die Gemeinden in denen in den letzten 12 Jahren beim Rebhuhn zumindest einmal ein Frühjahrsbestand von mindestens 4 Paaren/100 ha Offenland erreicht wurde und die Gebiete, in denen beim Feldhasen der gezählte Frühjahrsbesatz 20 Hasen/100 ha Offenland erreichte bzw. die Strecke mindestens 5 Hasen/100 ha betrug. Die unteren Jagdbehörden wurden im Dezember 2015 gebeten, die Baujagd auf den Fuchs im Kunstbau entsprechend der kartographischen Darstellung der Gebietskulisse in ihrem Zuständigkeitsgebiet von Amts wegen für zwei Jahre (Jagdjahr 2015/16 sowie 2016/17) zu erlauben. Die Gebietskulisse sollte nach Vorgabe des LJG-NRW danach erstmals im Jahr 2017 unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse und Erfahrungen fortgeschrieben und ggf. angepasst werden. 1. Auf welche empirischen Grundlagen bezieht sich das Ministerium, wenn es in dem Zusammenhang auf Erkenntnisse zur schlechten Situation des Niederwilds verweist? Ich bitte diese Erkenntnisse- sofern vorhanden- der Beantwortung dieser Anfrage anzuhängen. Nach Mitteilung der Forschungsstelle wird bundesweit insbesondere seitens des Vogelschutzes, in Nordrhein-Westfalen auch von einigen Biologischen Stationen, zunehmend und nachdrücklich ein dringender Bedarf an intensiverer Bejagung von Prädatoren vermeldet. Im Fokus stehen dabei primär – aber keineswegs ausschließlich – der Fuchs und die mehr oder weniger bestandsgefährdeten, bodenbrütenden (Feucht-)Wiesenvögel. Demnach verhindert selbst in gut gemanagten Schutzgebieten extrem hoher Prädationsdruck, mitunter durch Nestkameras belegt, zum Populationserhalt ausreichende Nachwuchsraten. Auch Feldhase und Fasan, als die beiden jagdlich bedeutendsten Offenlandarten, befinden sich inzwischen in einer bespiellosen Bestandsmisere, wohingegen die Fuchsbesätze offenbar weiterhin zunehmen. Eine eindeutige Versuchsanstellung zu dem Thema ist nicht möglich, da zum einen die Baujagd im Kunstbau nur ein Element der Jagd ist und zum anderen im Freiland viele Faktoren zusammenwirken. Fuchsbestände sind mit jagdlichen Mitteln nachhaltig zu reduzieren. Dies ist mit den früher selbstverständlichen, flächendeckend und dauerhaft niedrigen Fuchsdichten eindeutig belegt. Dabei hatte die seinerzeit „scharfe“ Fuchsbejagung nicht erkennbar zu einer populationsrelevanten Zerstörung der Familienverbände geführt. Nach Untersuchungen durch die Forschungsstelle sind auch bei der seit einigen Jahren zulande extrem hohen Fuchsdichte sowohl die Trächtigkeitsrate der Fuchsfähen als auch die Anzahl der angelegten Embryonen nicht geringer als in früheren Zeiten mit erheblich geringerer Fuchsdichte. Angesichts der hier skizzierten Konstellation ist eine Ausweitung der Kunstbaujagd fachlich begründet und geboten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1792 3 Nach Neubewertung der vorstehenden Situation ist die Forschungsstelle zu dem Ergebnis gekommen, die Gebietskulisse zum Schutz der Tierwelt auf das gesamte Landesgebiet mit Ausnahme befriedeter Bezirke auszuweiten. Daher wurden die unteren Jagdbehörden im Oktober 2017 gebeten, die Baujagd auf den Fuchs im Kunstbau in ihrem Zuständigkeitsgebiet von Amts wegen für fünf Jahre (Jagdjahr 2017/18 bis 2021/22) zu erlauben. Mit einer Intensivierung der Fuchsbejagung erfolgt eine Unterstützung für Bodenbrüter und Offenlandarten . 2. Aus welchen Gründen hat sich das Ministerium dagegen entschieden ein unabhängiges, externes Gutachten zur Einschätzung der Wildtiersituation in Nordrhein-Westfalen erstellen zu lassen? Die Landeshaushaltsordnung lässt nur solche Ausgaben und Ermächtigungen zum Eingehen von Verpflichtungen zu, die zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig sind. Bevor sich die Verwaltung entscheidet, externe Berater zur Aufgabenerledigung hinzuzuziehen, ist sie verpflichtet, zunächst die Notwendigkeit der Beratung (§ 6 LHO) zu prüfen. Dies war in der vorliegenden Frage zu verneinen. 3. Wie arbeitet die interne Arbeitsgruppe des Ministeriums, die laut Aussage des MULNV mit der der Erarbeitung des neuen Jagdgesetzes beschäftigt ist? Bitte aufschlüsseln nach fachlicher Qualifikation der Mitglieder, Arbeitsauftrag und Sitzungsrhythmus. Das Landesjagdgesetz soll novelliert werden. Mit Datum vom 10.09.2017 wurde die Einrichtung der internen Arbeitsgruppe „Nachhaltiges Landesjagdgesetz“ und die Berufung ihrer Mitglieder bekanntgegeben, deren Auftrag es ist, zunächst Eckpunkte für ein „Nachhaltiges Landesjagdgesetz“ anzufertigen, in dem auch die Erfahrungen aus dem umfangreichen Beteiligungsprozess zum „Ökologischen Jagdgesetz“ mit eingebunden werden. Die Arbeitsgruppe besteht aus erfahrenen Personen des Jagdreferates und wird von einem Mitarbeiter des Ministerbüros geleitet. Sie ist ausschließlich dem Staatssekretär gegenüber verpflichtet. Bislang hat die Arbeitsgruppe 5-mal getagt. 4. Entspricht die Landesregierung mit der Aushebelung des Verbotes gemäß § 19 (1) 8 a) und b) LJG den Forderungen des Landesjagdverbandes? Aus den Forderungen des Landesjagdverbandes, wie zur Volksinitiative für ein ideologiefreies, praxisgerechtes Jagdrecht in NRW, lässt sich eine solche Forderung nicht ableiten. 5. Die anstehende Novellierung des Landesjagdgesetzes wurde bereits durch die Landesregierung für 2018 angekündigt. Ist die Abschaffung des Verbots zur Bejagung von Füchsen oder Dachsen im Natur- oder Kunstbau gemäß § 19 (1) 8 a) und b) LJG Bestandteil dieser Novellierung? Im Rahmen der Novellierung wird auch das vorstehende Verbot überprüft werden.