LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1806 22.01.2018 Datum des Originals: 22.01.2018/Ausgegeben: 25.01.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 665 vom 22. Dezember 2017 der Abgeordneten Barbara Steffens, Verena Schäffer und Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1598 Schwächt die Landesregierung die Bekämpfung von Umwelt- und Lebensmittelkriminalität? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Bereich der Umweltkriminalität umfasst Abfallwirtschaftskriminalität, Lebensmittelkriminalität und betrifft jene Handlungen, die gegen Vorschriften zum Schutz der Umweltgüter wie Boden, Wasser, Luft, Pflanzen und Tiere verstoßen. Die Bekämpfung der Lebensmittelkriminalität richtet sich überwiegend nach den Schutzvorschriften des Lebensmittelschutzrechts. Bei der Verfolgung und Ahndung von Delikten im Bereich der komplexen und rechtlich anspruchsvollen Umwelt- und Lebensmittelkriminalität, müssen Polizei, Justiz und Umweltverwaltungsbehörden zusammenarbeiten. Weil sich zeigte, dass diese Zusammenarbeit besser organisiert und unterstützt werden musste, wurde auf einen politischen Impuls hin 2004 im nordrhein-westfälischen Umweltministerium die Stabsstelle Umweltkriminalität (später: „Umwelt- und Verbraucherkriminalität“) eingerichtet. Sie übernahm bislang die Koordinierung, Beratung und Unterstützung der beteiligten Stellen. Daneben recherchierte, bewertete und wertete die Stabsstelle umweltstrafrechtlich relevante Sachverhalte aus. Sie baute ein Netzwerk zu allen Einrichtungen, Behörden und Organisationen mit Berührungspunkten zum Bereich der Bekämpfung von Umweltkriminalität aus, versorgte diese mit den benötigten Informationen und nahm Hinweise entgegen. Die Stabsstelle erstattete selbst Strafanzeigen oder gab Stellungnahmen für Ermittlungs- und Strafverfahren ab. Sie war auch lange Zeit nach ihrer Gründung die bundesweit erste und einzige Stabsstelle für die genannten Zwecke und hatte, da bei ihr alle Erkenntnisse zusammenliefen und dokumentiert wurden, eine hohe strafrechtliche Kompetenz. Durch die Umorganisation des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MULNV) wurde diese Stabsstelle kürzlich abgeschafft und die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1806 2 Zuständigkeiten auf zwei Fachreferate übertragen. Dies beunruhigt, da sich die Umweltkriminalität in absoluten Zahlen inzwischen zum viertgrößten Verbrechen weltweit entwickelt hat und die Tendenz steigt. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 665 mit Schreiben vom 22. Januar 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister der Justiz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Bekämpfung der Lebensmittelkriminalität richtet sich primär nach Strafvorschriften. Die Schutzvorschriften des Lebensmittelrechts dienen der Lebensmittelsicherheit und dem Täuschungsschutz. Fragen des Lebensmittelbetrugs und damit der engen Zusammenarbeit zwischen Lebensmittelüberwachungsbehörden und Strafverfolgungsbehörden werden im Ministerium in der Abteilung Verbraucherschutz im Referat VI-3 gebündelt. Zur Verbesserung der Bekämpfung von Lebensmittelkriminalität wurde bereits im Jahr 2007 infolge der so genannten Gammelfleischskandale die Richtlinie zur Zusammenarbeit zwischen den Veterinär-, Lebensmittel- und Futtermittelüberwachungs- sowie den Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Verstößen gegen lebensmittel- und futtermittelrechtliche Vorschriften (SMBl.NRW 3214) erstellt und veröffentlicht. Darüber hinaus wurden in jedem Landgerichtsbezirk die Zuständigkeiten für die Bearbeitung lebensmittelrechtlicher Bußgeld- und Strafverfahren auf ein Amtsgericht konzentriert. 1. Wer übernimmt nun nach der Abschaffung der Stabsstelle „Umwelt- und Verbraucherschutzkriminalität“ beim MULNV die landesweite Koordinierung und Organisation der Aufdeckung und Ahndung von Delikten im Bereich der Umweltund Lebensmittelkriminalität? Die wirksame Verfolgung von strafrechtlichen Verstößen gegen die Umwelt setzt eine enge, verständnis- und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den für Umweltschutz verantwortlichen Behörden einerseits und den Strafverfolgungsbehörden andererseits voraus. Alle Umweltschutzbehörden sind nach den Maßgaben des Gemeinsamen Runderlasses des Justizministers, des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft und des Innenministers vom 20.06.1985 über die Zusammenarbeit zwischen den Umweltschutzbehörden und den Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Verstößen gegen die Umwelt verpflichtet, die Strafverfolgungsbehörden über den Verdacht einer Straftat gegen die Umwelt zu unterrichten. Die bisherigen Aufgaben werden nunmehr unter Beibehaltung des bisherigen Personals und zusätzlich vom Justitiariat des Ministeriums wahrgenommen und koordiniert. 2. Die inhaltliche Zuständigkeit, die bisher durch die Stabsstelle wahrgenommen wurde, ist nach der Umorganisation auf die Referate III-4 und VI-3 des MULNV aufgeteilt worden. Wie ist die Bearbeitung dieser Delikte zwischen den Referaten aufgeteilt? Bitte benennen Sie den konkreten inhaltlichen Zuschnitt. Die bisher von der Stabsstelle Umwelt- und Verbraucherschutzkriminalität wahrgenommenen Aufgaben wurden verlagert. Die Aufgaben im Zusammenhang mit dem illegalen Handel geschützter Arten, der illegalen Verfolgung von Greifvögeln und Grundsatzfragen zum LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1806 3 Umweltstrafrecht inklusive der Organisation und Durchführung von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen werden zukünftig im Referat III-4, die Aufgaben im Zusammenhang mit betrügerischen Praktiken im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes im Referat VI-3 bearbeitet, alle übrigen Fragen zur Umweltkriminalität im Justitiariat. 3. Wie werden die Beschäftigten des Landes (Polizeibeamtinnen und –beamte, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Beschäftigte im Ministerium und in den Verwaltungen etc.) im Bereich der Umwelt- und Lebensmittelkriminalität aus- und fortgebildet? Bitte differenzieren Sie pro Beschäftigtengruppe nach Form, inhaltlichem Umfang, Dauer des Aus- und Fortbildungsangebots und nach ausund fortbildender Stelle. Die Richterinnen und Richter, die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie die übrigen Justizmitarbeiterinnen und -mitarbeiter werden eingehend und sachgerecht auf die von ihnen wahrzunehmenden Aufgaben vorbereitet. Dadurch ist gewährleistet, dass das ausgesprochen hohe Qualitätsniveau der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen auch künftig uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann. Die notwendigen Kenntnisse werden in der Ausbildung vermittelt und anschließend in der Praxis sowie in kontinuierlich an aktuelle Bedarfe angepassten Fortbildungen aktualisiert und vertieft. Die Ausbildungsinhalte wie auch das umfangreiche Angebot an nationalen und internationalen Fortbildungen spiegeln die breitgefächerten Themenbereiche, mit denen die Justiz befasst ist, wider. Dabei finden auch die Besonderheiten der Umwelt- und Lebensmittelkriminalität Berücksichtigung. Regelmäßig bieten die Justizakademie des Landes Nordrhein-Westfalen sowie die Deutsche Richterakademie mehrtägige Seminare zu diesem Themenfeld an. Adressaten sind Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Der Bachelorstudiengang Polizeivollzugsdienst soll gemäß § 1 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung Laufbahnabschnitt II - Bachelor II (VAPPol II) die Studierenden in den Stand versetzen, Aufgaben des Wachdienstes zu erfüllen und Grundkenntnisse der allgemeinen Kriminalitätssachbearbeitung, der Verkehrssicherheitsarbeit sowie des Einsatzes aus besonderem Anlass anzuwenden. Darüber hinaus soll die Ausbildung Grundlagen der Führung und Zusammenarbeit vermitteln. Eine flächendeckende Vermittlung von Kenntnissen zum Umwelt- oder Lebensmittelstrafrecht erfolgt daher im Rahmen des Studiengangs Polizeivollzugsdienst nicht. Themen aus diesen Bereichen können sich allenfalls in (von den Studierenden zu wählenden) etwaig angebotenen Proseminaren oder Seminaren wiederfinden. Im Rahmen der fachpraktischen Ausbildung werden in den Trainings des Moduls Grundstudium 7 als Lehr-/ und Lerninhalte u.a. ausgewählte Standardmaßnahmen aus dem Bereich „Ordnungsstörungen“, mit einem Zeitumfang von 8 Stunden, behandelt. Insbesondere werden hier Maßnahmen im Zusammenhang mit Verstößen nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), dem Landes-Immissionsschutzgesetz (LImschG) und der Umweltschutzgesetzgebung thematisiert. Das Fortbildungsportfolio des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP NRW) beinhaltet folgende Fortbildungsmaßnahmen: Umweltschutz - Maßnahmen des Wachdienstes Umweltkriminalität I - Anpassungsfortbildung Umweltkriminalität II - Anpassungsfortbildung Sonderverkehr - Einführungsfortbildung Gefahrgut für den Verkehrsdienst (VD) der Autobahnpolizei (AP), den VD der Kreispolizeibehörden (KPB) und den Wachdienst AP Sonderverkehr - Anpassungsfortbildung Gefahrgut für den VD der AP, den VD KPB und den Wachdienst AP LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1806 4 Umweltrecht: Grundlagen für Maßnahmen der Autobahnpolizei und des Verkehrsdienstes Damit werden zielgerichtet diejenigen Bereiche der Polizei im Bereich der Umweltkriminalität fortgebildet, die mit diesem Themenbereich besonders konfrontiert sind. Gesonderte Fortbildungen im Bereich der Lebensmittelkriminalität werden nicht angeboten. In den Dezernaten der Abteilung 5 der Bezirksregierungen gibt es neben Juristinnen und Juristen mit zweitem Staatsexamen Beschäftigte des höheren Dienstes, die Hochschulstudien der verschiedensten technischen bzw. umweltrelevanten Richtungen und anschließende Referendariate im öffentlichen Dienst absolviert haben. Im gehobenen Dienst sind die Beschäftigten ebenso in den verschiedensten Fachrichtungen ausgebildet und haben in der Regel zusätzlich noch eine Anwärterzeit im öffentlichen Dienst absolviert, in der die Themen Teil der Ausbildung der Umweltoberinspektor-Anwärter/innen und der Umweltreferendare und -referendarinnen sowie der Verwaltungskräfte sind. Darüber hinaus steht den Beschäftigten der Bezirksregierungen mit den Fortbildungsprogrammen des Bildungszentrums für die Verund Entsorgungswirtschaft (BEW), des Bundesverbandes für Wohnen und Stadtentwicklung (vhw), des Studieninstituts Soest und der Fortbildungsakademie Mont Cenis des Ministeriums des Inneren auch im Bereich der Umweltkriminalität und dem Ordnungswidrigkeitenrecht ein breites Fortbildungsangebot zur Verfügung. Zur Sicherstellung eines einheitlichen Vorgehens und zur stetigen Fortentwicklung der Zusammenarbeit findet jährlich ein Austausch zwischen den Bezirksregierungen und der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft entsprechend des gemeinsamen Runderlasses des Justizministers, des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft und des Innenministers vom 20.06.1985 zur Zusammenarbeit zwischen den Umweltschutzbehörden/Fachdienststellen und den Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Verstößen gegen die Umwelt statt. Die Ausbildung für die Beschäftigten des Landes im Bereich der Lebensmittelüberwachung berücksichtigt die Fragestellung Lebensmittelkriminalität umfassend. Im Rahmen laufender Fortbildungen, insbesondere auch zur Umsetzung der Anforderungen der Verordnung (EU) 2017/625 über amtliche Kontrollen wird diese Thematik mit behandelt. Derzeit werden Konzepte entwickelt, diese Fragestellung in den Ausbildungsgängen als eigenständiges Thema zu etablieren. 4. Wie viele Stellen gibt es in den Bezirksregierungen zur Aufdeckung und Verfolgung von Umwelt- und Lebensmittelrechtsverstößen? Bitte für jeden Regierungsbezirk separat sowie für die Bereiche der Umwelt- und Lebensmittelrechtskriminalität und nach Soll- und Ist-Zahlen differenziert darstellen. Bei den Bezirksregierungen sind für den Bereich der Aufdeckung und Verfolgung von Umweltkriminalität keine gesonderten Stellen ausgewiesen. Im Rahmen der Umweltüberwachung festgestellte Verstöße werden im Falle einer Ordnungswidrigkeit mit eigenem Personal verfolgt und im Falle von Straftaten entsprechend den gesetzlichen Vorschriften an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Da die Aufdeckung und Verfolgung von Umweltrechtsverstößen somit Bestandteil des Aufgabenspektrums einer Vielzahl von Beschäftigten ist, ist eine konkrete quantitative Aussage zu den für diese Teilaufgabe eingesetzten Stellenanteilen nicht möglich. Aufgaben aus dem Bereich des Lebensmittelrechts werden bei den Bezirksregierungen nicht wahrgenommen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1806 5 5. Die Ermächtigungen zur Durchführung von Kontrollen – beispielsweise bei Abfalltransporten – obliegt in Nordrhein-Westfalen allein den Bezirksregierungen. Führt die Personalausstattung der Bezirksregierungen dazu, dass nur begrenzt Untersuchungen vorgenommen werden können? Bitte die Personalstellen für diesen Aufgabenbereich für jeden Regierungsbezirk separat darstellen. Die Annahme der Fragesteller, dass allein die Bezirksregierungen zu Kontrollen befugt seien, trifft in der Form nicht zu. Vielmehr obliegt z.B. dem Bundesamt für Güterverkehr (BAG) gem. § 11 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe j Güterkraftverkehrsgesetz (auch) die Überwachung der Beförderung von Abfall mit Fahrzeugen zur Straßengüterbeförderung. Die Bezirksregierungen sind entsprechend der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (ZustVU) für die Durchführung verschiedener Kontrollen und Überwachungsmaßnahmen zuständig. Die Abfallstromkontrollen und damit auch die Überwachung von Abfalltransporten stellen dabei nur eine Aufgabe dar. Eine konkrete quantitative Aussage zur personellen Situation bezogen auf diesen Aufgabenbereich ist nicht möglich. Im Übrigen führt die Personalausstattung der Bezirksregierungen nicht zu einer begrenzten Überwachung. Die Überwachungsaufgaben werden entsprechend des gesetzlichen Auftrages durch das vorhandene Personal wahrgenommen.