LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1827 24.01.2018 Datum des Originals: 23.01.2018/Ausgegeben: 29.01.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 658 vom 21. Dezember 2017 des Abgeordneten Guido van den Berg SPD Drucksache 17/1591 Welche Folgen hat Ankündigung von Minister Pinkwart, die Rodungssession 2017-2018 im Hambacher Forst ausfallen zu lassen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Für die Gewinnung von Braunkohle werden im Tagebau Hambach bislang Rodungsarbeiten durch den genehmigten und verbindlichen Braunkohleplan 12/1 Hambach, den 2. Rahmenbetriebsplan für den Tagebau Hambach sowie die Leitentscheidung der Landesregierung 2016 durchgeführt. Entsprechend den Nebenbestimmungen der Genehmigungen erfolgen die Rodungsarbeiten jeweils nur insoweit, als sie für den Abbaufortschritt unerlässlich sind. Bislang galt, dass sich die Inanspruchnahme des Vorfeldes somit aus der konkret geförderten Kohlemenge nachfrageseitig ergibt. NRW-Digitalminister Prof. Pinkwart hat mit Blick auf ein anhängiges Verfahren beim Oberverwaltungsgericht Münster jetzt angekündigt, dass voraussichtlich bis zum Oktober 2018 im Hambacher Forst für den Tagebaubetrieb Hambach keine Rodungsarbeiten mehr stattfinden würden. Der Minister hat angekündigt, aus Gründen der Rechtssicherheit nur den bestehenden Hauptbetriebsplan ohne Rodungen als „Interimslösung“ verlängern zu wollen. Wann der eigentlich tragende Hauptbetriebsplan 2018 nun genehmigt wird, ließ der Minister offen. Damit fällt erstmals eine Rodungsperiode für den Tagebaufortschritt aus. Das Bergbauunternehmen wollte die Aussagen des Ministers nicht kommentieren verwies aber auf betriebliche Konsequenzen. Das Wirtschaftsministerium soll erklärt haben, dass es jetzt Aufgabe des RWE als Antragsteller für den Tagebau sei, mit einem neuen Gutachten zu klären, ob das Waldgebiet unter europäisches Naturschutzrecht fällt oder nicht. Die Bezirksregierung Arnsberg soll zudem erklärt haben, dass selbst wenn der Wald zum Flora- Fauna-Habitat-Gebiet bei der EU erklärt würde, es möglich sei, eine Ausnahmegenehmigung für weitere Abholzungen möglicherweise mit besonderen Auflagen zu beantragen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1827 2 Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 658 mit Schreiben vom 23. Januar 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Welche Erwägung hat bei der Landesregierung zu der Entscheidung geführt, eine Verlängerung des Hauptbetriebsplan 2017 ohne Rodungen und eine spätere Genehmigung des Hauptbetriebsplan 2018 herbeizuführen? Das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat in seinem Beschluss vom 1. Dezember 2017 - 11 B 1362/17 - einen Vergleichsvorschlag zur Beendigung des Beschwerdeverfahrens unterbreitet, der u.a. vorsah, ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, welche Bedeutung die im räumlichen Geltungsbereich des 2. Rahmenbetriebsplans noch vorhandene bewaldete Fläche des Hambacher Forstes für die in Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführte Fledermausart Bechsteinfledermaus hat und wie diese Fläche unter Zugrundelegung der im Anhang III genannten Kriterien der FFH-Richtlinie zu bewerten ist. Diesbezüglich sieht das OVG NRW Klärungsbedarf. Dieser Klärungsbedarf hat sich nicht durch die verbindliche Erklärung der RWE Power AG erledigt, auf Rodungs- und Abholzungsmaßnahmen auf der Grundlage der Ende 2017 auslaufenden Zulassung des Hauptbetriebsplans 2015-2017 zu verzichten, sondern besteht auch im Hinblick auf Rodungsund Abholzungsmaßnahmen, die auf der Grundlage einer neuen Hauptbetriebsplanzulassung durchgeführt würden. Da die Zulassung des Hauptbetriebsplans 2015-2017 mit Ablauf des Jahres 2017 ausgelaufen ist, der Tagebaubetrieb jedoch nur auf der Grundlage eines zugelassenen Hauptbetriebsplans fortgeführt werden kann und der vg. Klärungsbedarf nicht bis Ende 2017 abgearbeitet werden konnte, hat die zuständige Bezirksregierung Arnsberg (Bergbehörde) die Geltungsdauer des derzeitigen Hauptbetriebsplans für den Tagebau Hambach befristet bis zum 31. März 2018 verlängert. Die RWE Power AG hat hierzu am 18.12.2017 den Antrag auf Verlängerung des Hauptbetriebsplanes 2015 bis 2017, allerdings unter Herausnahme der in Rede stehenden Rodungen, gestellt. In dem Zeitraum bis Ende März 2018 werden die aufgeworfenen naturschutzrechtlichen Fragen seitens der Bezirksregierung Arnsberg weiter intensiv untersucht und geprüft. Hierüber gibt es Einvernehmen mit dem Unternehmen. Durch die Zulassung ist die Fortführung der Kohlegewinnung auch nach dem 31.12.2017 gesichert und damit die wichtige Versorgung der Braunkohlekraftwerke in den nächsten Monaten gewährleistet. 2. Welche Konsequenzen hat das Ausfallen von Rodungsperioden (vielleicht auch weitere Perioden in Zukunft) für Kampfmittelräumung, Prospektionen und Grabungen der Archäologie im Vorfeld sowie den weiteren Kohleabbau auf den Sohlen des Tagebaus? Für die Gewinnung, Förderung und Verkippung von Kohle und Abraum sind räumlich und zeitlich vorlaufende Maßnahmen zur Beräumung des Vorfeldes erforderlich. Dabei muss das Tagebauvorfeld so hergerichtet werden, dass der Grabprozess des Schaufelradbaggers nicht beeinträchtigt wird. Bei bewaldeten Flächen handelt es sich im Wesentlichen um folgende Maßnahmen der Vorfeldberäumung: a. die Durchführung von Artenschutzmaßnahmen unter Beachtung der geltenden Naturschutzgesetze, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1827 3 b. die Rodung und anschließende Beseitigung des Holzes, c. die systematische Metallteilsuche und ggf. die Kampfmittelbeseitigung durch die Bezirksregierung, d. die Beseitigung der im Boden befindlichen Baum- und Buschwurzeln, e. archäologische Prospektionen und Ausgrabungen durch die zuständigen Ämter für Bodendenkmäler und f. ggf. der Rückbau von Brunnen, Leitungen, Wegen und anderer Infrastruktur. Die genannten Maßnahmen finden stets im direkten Vorfeld des Tagebaus statt und nur in dem Maße, wie es für den Abbaufortschritt erforderlich ist. So erfolgen die Rodungen, die grundsätzlich nur im Zeitraum von Anfang Oktober bis Ende Februar durchgeführt werden dürfen, im Regelfall bereits zwei Jahre vor dem Schaufelradbaggereinsatz. In dem letzten Jahr zwischen der Rodung und dem Baggereinsatz müssen die o. g. Arbeiten c – f zwingend abgeschlossen werden. Eine Rodungsunterbrechung führt somit unmittelbar zu einer Verzögerung der davon abhängenden vorbereitenden Arbeitsprozesse und –schritte. Die Verzögerungen haben jedoch keine qualitativ nachteiligen Auswirkungen auf diese Maßnahmen – sie müssen ohne Einschränkungen entsprechend den maßgebenden rechtlichen und fachlichen Anforderungen durchgeführt werden. Diese Beschreibung gilt für die planmäßige geordnete Vorfeldberäumung vor der Inanspruchnahme durch den Bagger. Das planmäßige Vorgehen berücksichtigt auch Unwägbarkeiten. Deshalb sind in der Vorfeldberäumung und auch im Artenschutzprogramm gewisse Zeitpuffer berücksichtigt, die es erlauben, im Einzelfall unvorhersehbare Verzögerungen für eine gewisse Zeit überbrücken zu können, ohne dass sich dies unmittelbar auf die Kohlebereitstellung auswirkt. Sollte die Rodung bis Ende Februar 2018 nicht erfolgen können und damit die Rodungsperiode 2017/2018 ausfallen, müsste diese in der nächsten Rodungsperiode 2018/2019 nachgeholt werden. Im Wesentlichen ergeben sich nach Mitteilung der RWE Power AG die folgenden Konsequenzen aus der Verschiebung der Rodung: Die jährlichen Arbeitsprozesse sind so zu reorganisieren, dass Prozessschritte zwecks Auf- und Nachholung parallel und beschleunigt durchgeführt werden können, der für unvorhersehbare Ereignisse erforderliche Zeitpuffer ist verbraucht, die verschobenen Rodungen müssen nachgeholt werden und müssen zusätzlich zu den in der nächsten Rodungssaison (2018/2019) erforderlichen Rodungen erfolgen. Die erfolgte Aussetzung der Rodung führt nach Angaben der RWE Power AG zu Mehraufwendungen in vielen der nachfolgenden Arbeitsprozesse, sei aber bei Verlust des Zeitpuffers zu kompensieren. Der in der Frage formulierte Ausfall mehrerer Rodungsperioden würde zu einem Stillstand des Tagebaus führen. 3. Welche Maßnahmen wurden am Tagebau Hambach im Rahmen der bestehenden Genehmigungen bislang im Rahmen der bislang gültigen Genehmigungen für Artenschutz ergriffen? Umfangreiche Maßnahmen für den Schutz betroffener Arten, insbesondere der Fledermäuse wurden für die Restfläche des 2. Rahmenbetriebsplans bis 2020 bereits durch die bestandskräftige Zulassung des Sonderbetriebsplans Artenschutz im Herbst 2013 festgelegt. Daran anknüpfend schreibt die Zulassung vom 12. Dezember 2014 für den 3. Rahmenbetriebsplan das artenschutzrechtliche Schutzmaßnahmenkonzept für den Zeitraum 2020 bis 2030 fort. Ein wesentliches Element des Artenschutzkonzeptes ist die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1827 4 abbaubegleitende Umsiedlung der Fledermäuse aus dem Hambacher Forst in die umliegenden Altwälder. Hierfür sind die Altwälder zu erhalten und fledermausgerecht aufzuwerten sowie durch Aufforstung und Extensivierung benachbarter landwirtschaftlich genutzter Flächen neue Nahrungsräume zu schaffen. Ferner sind zwischen dem Hambacher Forst und den umliegenden Altwäldern Vernetzungsstrukturen in der ausgeräumten und damit für die Waldfledermäuse nicht passierbaren Feldflur zu schaffen. Das Konzept gliedert sich in ein Kern-, Ost- und Westkonzept und umfasst Flächen in einem Gesamtumfang von rund 1.500 ha. Bis Ende 2017 waren die Maßnahmen zu etwa 80% umgesetzt. Nach der genehmigten Planung werden die Maßnahmen bis 2020 komplett umgesetzt sein. Das zur Erfolgskontrolle des Artenschutzkonzeptes angeordnete Monitoring ergab bisher keinen Grund für Beanstandungen. 4. Hat die Landesregierung Zweifel an der rechtmäßigen Genehmigung des Tagebaus oder der Feststellung von Flora-Fauna-Habitat-Gebieten in NRW für die Europäische Union (wenn ja, warum)? Die bisherigen gerichtlichen Entscheidungen haben die Rechtmäßigkeit der für den Tagebau Hambach erteilten Genehmigungen bestätigt. Die vom Land Nordrhein-Westfalen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit benannten FFH-Gebiete sind von der Europäischen Kommission in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Art. 4 Abs. 2 Unterabsatz 3 der FFH- Richtlinie aufgenommen worden. 5. Welche Ausnahmegenehmigungen für Abholzungen in FFH-Gebieten werden von der Bergbehörde erwogen? Für die Betriebsführung des Tagebaus Hambach sind keine Abholzungen in ausgewiesenen FFH-Gebieten erforderlich und vorgesehen. Der BUND NRW vertritt vor Gericht die Auffassung, die noch vorhandenen Teile des Hambacher Forsts seien trotz der aus Sicht des BUND NRW fehlenden Ausweisung ein sogenanntes potentielles FFH-Gebiet. Das Verwaltungsgericht Köln hat dies mit seinem Urteil vom 24.11.2017 verneint. Eine rechtskräftige Entscheidung liegt aber noch nicht vor. Im Übrigen findet noch eine Klärung der naturschutzrechtlichen Fragen statt (vgl. Antwort zu Frage 1).