LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1871 01.02.2018 Datum des Originals: 31.01.2018/Ausgegeben: 01.02.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 668 vom 22. Dezember 2017 der Abgeordneten Wibke Brems BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1601 Augenwischerei oder mangelnde Sachkenntnis: Wie passt angekündigter Windenergie- Ausbaurekord zu restriktiven Änderungsvorschlägen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie überraschte am 25. Oktober 2017 die Presse mit einer sehr optimistischen Einschätzung zur Entwicklung der Windenergie in NRW. Er prognostiziert einen Ausbau von jährlich fast 1.000 MW in den 5 Jahren von 2018 bis 2022. Das wäre im Vergleich zu den vergangenen 16 Jahren ein Rekord. Laut dpa vom 25. Oktober teilte der Minister mit, dass er damit rechne, dass die derzeit etwa 5.000 Megawatt umfassende Gesamtleistung der rund 3.500 Windenergieanlagen in NRW bis 2022 fast verdoppelt werden kann. Diese ehrgeizigen Ziele stehen in krassem Widerspruch zu den Bestrebungen der Landesregierung nach einem generellen Abstand von 1.500 Metern zu Wohnbebauung und einem Verbot von Windenergieanlagen im Wald sowie der bundespolitischen Forderung nach einer Aufhebung der Privilegierung im Außenbereich. Würde die Landesregierung diese Ankündigungen in die Tat umsetzen, würden kaum noch Genehmigungen an neuen Standorten möglich sein. Aktuell sind 1.200 MW für den Zubau der nächsten Jahre genehmigt. Die Landesregierung geht offenbar davon aus, dass ein Großteil (mehr als 3.000 MW) des Leistungszuwachses über das Repowering von Altanlagen am selben Standort erreicht werden könne. Doch das Potential des Repowering wird weit überschätzt. Der technische Fortschritt und die weitere Entwicklung der Windenergie haben zu deutlich größeren Anlagen geführt, die u.a. größere Abstände zur Wohnbebauung benötigen. Daher kommen die meisten der Standorte von Altanlagen für neue Anlagen nicht mehr infrage. Gerade wenn es sich um Einzelstandorte außerhalb von Konzentrationszonen handelt, ist eine Genehmigung dort nach heutigem Stand nur noch selten möglich. Die meisten Kommunen in NRW haben von ihrer Steuerungsmöglichkeit Gebrauch gemacht und Konzentrationszonen für die Windenergie LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1871 2 festgelegt, die die Genehmigung von Windenergieanlagen außerhalb dieser Bereiche in aller Regel ausschließt. Darüber hinaus unterliegen Repowering-Projekte den gleichen Genehmigungsvoraussetzungen und müssen genauso einen Zuschlag im Ausschreibungsverfahren nach EEG 2017 erhalten, um einen Vergütungsanspruch für den produzierten Strom zu haben. Für eine Abschätzung der Repowering-Potenziale der nächsten Jahre sind Zahlen der Inbetriebnahmen von Windenergieanlagen bis etwa 2005 maßgeblich. Da Anlagen, die vor dem Jahr 2000 errichtet wurden, ebenfalls einen Vergütungsanspruch bis Ende 2020 erhalten haben, sind zusätzlich auch diese Anlagen relevant. Für die Jahre ab 2000 liegen von der Agentur für Erneuerbare Energien folgende Daten vor: 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Anzahl installierter Anlagen 223 286 370 279 154 120 Durchschnittliche Leistung in MW 1 1,3 1,2 1,4 1,5 1,5 Quelle: www.foederal-erneuerbar.de Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 668 mit Schreiben vom 31. Januar 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, dem Minister für Verkehr sowie der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Nach allgemeinem Verständnis und dem Verständnis der Landesregierung werden beim Repowering bestehende Windenergieanlagen der ersten Generation durch modernere und leistungsstärkere Anlagen am selben oder einem anderen Standort ersetzt. Der Landesregierung ist bewusst, dass Neuanlagen die planungs- und immissionsschutzrechtlichen Anforderungen erfüllen müssen. Kurz- bis mittelfristig wird durch Beendigung der Vergütung nach dem EEG und der technologischen Weiterentwicklungen von Windenergieanlagen die Quote von repowerten Anlagen merklich steigen. Nach dem ermittelten Bestand (siehe Antwort zu Frage 1) sind aktuell noch über 1.900 der bis zum Jahr 2005 errichteten Windenergieanlagen mit einer durchschnittlichen Leistung < 1 MW in Betrieb, die spätestens im Jahr 2025 ihren Anspruch auf Vergütung nach dem EEG verlieren. Bei der Berechnung des in der Kleinen Anfrage zitierten Potentials für die nächsten Jahre wurde angenommen, dass diese Anlagen durch Anlagen mit 4 MW Leistung ersetzt werden. Abzüglich der wegfallenden Anlagen ergibt sich ein theoretisches Potential von 5.800 MW. Bereits bei einem Anteil von 50 Prozent dieses Potentials, der Berücksichtigung der bis Ende des Jahres 2016 registrierten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen mit einer Leistung von rd. 1.400 MW und dem weiteren Neubau von Anlagen aus den bereits vorliegenden Genehmigungsanträgen ergibt sich eine Abschätzung des Windenergiezubaus in der zitierten Größenordnung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1871 3 1. Wie viele Windenergieanlagen mit welcher durchschnittlichen Nennleistung aus der Zeit vor 2005 sind noch in Betrieb oder wurden repowered? (Betrieb und Repowering bitte getrennt angeben; Für die Jahre 2000-2005 nach Inbetriebnahmejahren getrennt, vor 2000 summiert) In der nachfolgenden Tabelle wird die Anzahl der noch in Betrieb befindlichen Windenergieanlagen, deren durchschnittliche Leistung, die Summe der Leistung bis 1999 kumuliert und von 2000 bis 2005 nach Einzeljahren dargestellt. Daraus ergibt sich für den genannten Zeitraum eine Leistung der noch in Betrieb befindlichen Anlagen von über 1.800 MW. Zusätzlich beinhaltet die Tabelle Informationen über die Anzahl der repowerten Anlagen und ihre durchschnittliche Leistung. Windenergie-anlagen bis 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 ∑ in Betrieb 679 165 120 338 303 190 120 1.915 Ø Leistung in MW 0,4 1 1,4 1,2 1,3 1,4 1,5 ∑ Leistung in MW 272 165 168 406 394 266 180 1.851 repowert - soweit bekannt * 42 13 11 2 3 1 1 73 Ø Leistung in MW 0,7 1,3 0,9 0,8 1,1 1 2 *Daten zum Repowering werden erst seit August 2014 von der Bundesnetzagentur gemeldet 2. Wie viele der bis 2005 für die Windenergie ausgewiesenen Vorranggebiete sind unter geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen geeignet, um moderne Windenergieanlagen mit Gesamthöhen über 200m aufnehmen zu können? 3. Wie viel Potential (bei angenommenen 3 MW Leistung pro Anlage) ergäbe sich in diesen Vorranggebieten bezogen auf ganz NRW? 4. Wie hoch wäre das Potential in diesen Vorranggebieten unter den beabsichtigten neuen Rahmenbedingungen der Landesregierung mit 1.500 Metern Abstand zu reinen und allgemeinen Wohngebieten und einem Verbot von Wind im Wald? 5. In wie weit sind bei diesen Potentialabschätzungen innerhalb der Zonen neue/geänderte Abstände für Artenschutz, Seismologie, Luftverkehr, Radar usw. berücksichtigt? Die Fragen 2 bis 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Neben der Planungsregion Münsterland hat keine weitere Planungsregion vor 2005 entsprechende Flächen zur Nutzung der Windenergie auf regionaler Ebene festgelegt. Der sachliche Teilabschnitt „Eignungsbereiche für erneuerbare Energien/Windkraft“ zum Gebietsentwicklungsplan für den Regierungsbezirk Münster (Teilabschnitt Münsterland) umfasste 1998 die zeichnerische Darstellung von 117 Eignungsbereichen für Windkraftanlagen mit einer Gesamtfläche von ca. 24.000 ha. Die damals gewählte Bezeichnung „Eignungsbereich“ würde heute als „Eignungsgebiet“ festgelegt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1871 4 Am 21.09.2015 hat der Regionalrat Münster den neuen Sachlichen Teilplan Energie des Regionalplans Münsterland aufgestellt. Darin werden 141 Windenergiebereiche mit einer Flächengröße von ca. 8.100 ha festgelegt. Windenergiebereiche sind Vorranggebiete ohne die Ausschlusswirkung von Eignungsgebieten. Da vor 2005 keine Vorranggebiete ausgewiesen wurden, ist eine Beantwortung der Frage nicht möglich.