LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1930 13.02.2018 Datum des Originals: 08.02.2018/Ausgegeben: 16.02.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 691 vom 9. Januar 2018 des Abgeordneten Guido van den Berg SPD Drucksache 17/1684 Wie bewertet die Landesregierung die anhaltende Gewalt im Hambacher Forst trotz der Einstellung der Rodungsarbeiten bis Oktober 2018? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Polizei beklagte zum Jahreswechsel 2017/2018 Straftaten im Umfeld des Hambacher Forstes, obschon seit Mitte Dezember 2017 im Zuge eines schwebenden Verfahrens beim Oberverwaltungsgericht Münster durch NRW-Digitalminister Professor Pinkwart angekündigt wurde, Rodungsarbeiten bis Oktober 2018 einstellen zu wollen. In der Nacht zum 31.12.2017 sollen sich sechs Personen widerrechtlich Zutritt zum Gelände einer Pumpstation des Tagebaubetreibers RWE verschafft haben und dort eine Reihe von Sachbeschädigungen vorgenommen haben. Es sollen Lüftungsschlitze eines Stromgenerators mit Bitumen verstopft, mehrere Verkabelungen durchtrennt und Fenster eines Baucontainers mit Steinen beworfen worden seien. Am frühen Morgen des 01.01.2018 sollen dann zwei Trafohäuschen in Brand gesetzt worden seien. In der Nacht vom 02.01.2018 auf den 03.01.2018 sollen sich mehrere Personen kurz nach Mitternacht Zugang zu einem Materiallager des Tagebaubetreibers verschafft haben und ein Stromaggregat sowie mehrere Elektrogeräte mit Bauschaum beschädigt haben. Als Mitarbeiter des Werkschutzes eintrafen, sollen mehrere Feuerwerkskörper gezündet worden sein. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 691 mit Schreiben vom 8. Februar 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1930 2 Vorbemerkung der Landesregierung Zur Formulierung in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage 691 und in der Frage 1, Herr Minister Prof. Dr. Pinkwart habe angekündigt, die Rodungsarbeiten bis Ende Oktober 2018 einstellen zu wollen, bzw. er habe die Rodungsarbeiten vorläufig eingestellt, wird zwecks Klarstellung auf Folgendes hingewiesen: Die vorläufige Einstellung der Rodungsarbeiten durch die RWE Power AG am 28. November 2017 erfolgte auf Grundlage der vorangegangenen Zwischenentscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom selben Tag, mit der das Land, vertreten durch die Bergbehörde, verpflichtet wurde sicherzustellen, dass die RWE Power AG vorläufig von Rodungs- und Abholzungsmaßnahmen absieht. Nachdem das OVG NRW in seinem darauffolgenden Vergleichsvorschlag vom 1. Dezember 2017 Klärungsbedarf zu naturschutzrechtlichen Fragen formulierte, erklärte die RWE Power AG am 13. Dezember 2017, auf Rodungs- und Abholzungsmaßnahmen auf der Grundlage der Ende 2017 auslaufenden Zulassung des Hauptbetriebsplans 2015 bis 2017 zu verzichten und stellte am 18. Dezember 2017 den Antrag auf Verlängerung des Hauptbetriebsplans 2015 bis 2017 unter Herausnahme der in Rede stehenden Rodungen. Auf der Grundlage der dementsprechenden und bis zum 31. März 2018 befristeten Zulassung dieser Verlängerung durch die Bergbehörde kann der Tagebau fortgeführt werden. In dem Zeitraum bis Ende März 2018 werden die aufgeworfenen naturschutzrechtlichen Fragen intensiv untersucht und geprüft. 1. Welche Straftaten wurden nach der vorläufigen Einstellung der Rodungsarbeiten durch NRW-Digitalminister Prof. Pinkwart im Hambacher Forst festgestellt? Zum Zeitpunkt der Einstellung wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Die nach diesem Zeitpunkt im Bereich des Hambacher Forstes festgestellten Straftaten ergeben sich aus der folgenden Tabelle: lfd-Nr. Delikt Tatort Tatzeit 1 Sachbeschädigung Kerpen 08.12.2017 2 Sachbeschädigung Merzenich 13.12.2017 3 Sachbeschädigung Merzenich 14.12.2017 4 Sachbeschädigung Kerpen 16.12.2017 5 Vorsätzliche Brandstiftung Kerpen 17.12.2017 6 Sachbeschädigung an Kfz Merzenich 19.12.2017 7 Widerstand gegen PVB¹ Aachen 20.12.2017 8 Körperverletzung Kerpen 20.12.2017 9 Widerstand gegen PVB¹ Kerpen 20.12.2017 10 Diebstahl Kerpen 31.12.2017 11 Vorsätzliche Brandstiftung Kerpen 01.01.2018 12 Vorsätzliche Brandstiftung Kerpen 01.01.2018 13 Gemeinschädliche Sachbesch. Kerpen 03.01.2018 14 Sachbeschädigung durch Feuer Elsdorf 05.01.2018 15 Vorsätzliche Brandstiftung Merzenich 08.01.2018 16 Hausfriedensbruch Kerpen 10.01.2018 ¹ PVB: Polizeivollzugsbeamte LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1930 3 2. Wie hoch ist der ermittelte entstandenen Schaden? Der ermittelte Sachschaden beträgt ca. 85.000 Euro. 3. Was hat die Arbeit der Ermittlungskommission „Hambach“ bei der Auswertung von Spuren ergeben und wie viele Tatverdächtige konnten ermittelt werden? Im Zeitraum nach der Einstellung der Rodungsarbeiten wurden drei Tatverdächtige ermittelt und in einem Fall eine Fingerabdruckspur gesichert, deren Auswertung noch aussteht. 4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung zur Gewaltbereitschaft und Motivlage der Taten, wenn diese offenbar auch unter den Bedingungen eines Rodungsstopps erfolgen? Seit den letzten Großereignissen im Zusammenhang mit dem Hambacher Forst ist festzustellen, dass die Gewaltbereitschaft der im Wald festgestellten Personen deutlich angestiegen ist. Das Täterklientel und die Motivlage der Straftäter haben sich geändert. Konnten frühere Straftaten noch unter der Absicht gesehen werden, den weiteren Tagebau und das Abholzen des Hambacher Forsts verhindern zu wollen, muss jetzt angenommen werden, dass die Zielrichtung des Handelns auch die Schädigung des Unternehmens RWE Power AG ist. Bei den Straftaten handelt es sich vermehrt um Aktionen einer gewalt- und zerstörungsaffinen Straftätergruppe. 5. Ist es angesichts der besonderen Gewalt-Bedrohungslage alleinige Aufgabe des Werksschutzes, Anlagen zu schützen - oder wie wird die Landesregierung das betroffene Unternehmen und seine Mitarbeiter künftig vor Gewalt besser schützen? Die Tagebaue, Kohlekraftwerke und die jeweils zu deren Betrieb erforderlichen Infrastrukturen im Rheinischen Braunkohlenrevier stehen im Eigentum der RWE Power AG. Die Sicherung der Betriebsgelände und Anlagen obliegt grundsätzlich dem Eigentümer. Die Polizei berät das Unternehmen bei der Sicherung. Mögliche Schwachstellen werden in diesem Zusammenhang analysiert und entsprechende Hinweise gegeben. Neben anlassbezogenen Gesprächen steht die zuständige Kreispolizeibehörde Aachen anlässlich der Einsatzmaßnahmen aus Anlass von Sicherheitsstörungen im Bereich des Rheinischen Braunkohlenreviers im ständigen Austausch mit Vertretern der RWE Power AG. Darüber hinaus führt die Polizei an den Kraftwerken, Tagebauen und sonstigen Infrastrukturen Aufklärungsmaßnahmen im engeren und weiteren Umfeld durch, um insbesondere Straftäter frühzeitig erkennen und lageangemessen reagieren zu können.