LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2016 22.02.2018 Datum des Originals: 21.02.2018/Ausgegeben: 27.02.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 734 vom 23. Januar 2018 der Abgeordneten Dr. Dennis Maelzer und Ibrahim Yetim SPD Drucksache 17/1834 Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung um Vormundschaften durch Mitglieder der Identitären Bewegung zu verhindern? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Auf ihrer Homepage ruft die Identitäre Bewegung dazu auf, Vormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu übernehmen (vgl. https://www.identitaere-bewegung .de/blog/jetzt-fluechtlingsvormund-werden/). Vormünder übernehmen die rechtliche Vertretung sowie bei der Personen- und Vermögenssorge u.a. die Sicherung und Schaffung von Bleiberechtsperspektiven, die Vertretung im asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren, Unterstützung bei der Familienzusammenführung, die Gesundheitsfürsorge, die Sicherstellung von Schul- und Ausbildungszugang oder die Beantragung erforderlicher Leistungen. Die Identitäre Bewegung aus Hamburg plant, die Idee auf das Bundesgebiet auszuweiten. Da die Identitäre Bewegung (IBD), die sich als Jugendbewegung der „Neuen Rechten“ versteht, im Verfassungsschutzbericht NRW erwähnt wird, fragen wir die Landesregierung. Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 734 mit Schreiben vom 21. Februar 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und dem Minister des Innern beantwortet. 1. Inwieweit sind der Landesregierung Aufrufe und ähnliche Bestrebungen der Identitären Bewegung zur Übernahme der Vormundschaft von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Nordrhein-Westfalen bekannt? Der Landesregierung sind Aufrufe der bundesweit agierenden Identitären Bewegung und ihrer Hamburger Regionalgruppe zur Übernahme von Vormundschaften bekannt. Darüber hinaus hat die Landesregierung keine Kenntnis von diesbezüglichen Aufrufen und ähnlichen Bestrebungen der Regionalgruppe Nordrhein-Westfalen der Identitären Bewegung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2016 2 2. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung gemeinsam mit den Familiengerichten , um sicherzustellen, dass Menschen mit rechtsextremen Einstellungen keine Vormundschaft übernehmen können? Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen hat den nachgeordneten Geschäftsbereich zum Zwecke der Sensibilisierung über den zuerst durch die Identitäre Bewegung in Hamburg erfolgten Aufruf informiert. Die Landesregierung weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der in Artikel 97 Abs. 1 GG verankerten richterlichen Unabhängigkeit hin. Hieraus folgt, dass niemand außerhalb des gerichtlichen Instanzenzuges auf richterliche Sachentscheidungen Einfluss nehmen darf und dass Richterinnen und Richter in der Art und Weise der Verfahrensführung nicht den Weisungen Dritter unterliegen. Dies gilt entsprechend auch für die Tätigkeit der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, die nach § 9 Rechtspflegergesetz sachlich unabhängig und nur an Recht und Gesetz gebunden sind. 3. Inwieweit sind die bestehenden Auswahlkriterien von ehrenamtlichen Vormündern ausreichend, um sicherzustellen, dass Menschen mit rechtsextremen Einstellungen keine Vormundschaften übernehmen können? Die Landesregierung erachtet die bestehenden Kriterien für die Auswahl von ehrenamtlichen Einzelvormündern für ausreichend, um die Übernahme einer dem Kindeswohl widersprechenden Vormundschaft auszuschließen. Die Auswahl des Vormunds erfolgt gemäß § 1779 BGB typischerweise durch das Familiengericht . Fälle des § 1776 BGB - Tod der Sorgeberechtigten mit Bestimmung des Vormunds durch letztwillige Verfügung - in Verfahren, in denen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ein Vormund zu bestellen ist, kommen praktisch nicht vor. Die Auswahl eines Einzelvormunds basiert auf einem Stufensystem. Auf der ersten Stufe sind gemäß § 1780 BGB geschäftsunfähige Personen und auf der zweiten Stufe gemäß §§ 1781 ff. BGB kraft Gesetz untaugliche Personen auszuschließen. Im Rahmen der dritten Stufe erfolgt eine Eignungsprüfung (§ 1779 Abs. 2 S. 1 BGB). Danach soll das Familiengericht eine Person auswählen, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie nach den sonstigen Umständen zur Führung der Vormundschaft geeignet ist. Verbleiben nach dieser Prüfung noch mehrere geeignete Personen, so ist im Rahmen der vierten Stufe bei der Auswahl der mutmaßliche Wille der Eltern, die persönliche Bindung des Mündels, die Verwandtschaft oder Schwagerschaft mit dem Mündel sowie das religiöse Bekenntnis des Mündels zu berücksichtigen. Als übergeordnetes Rechtsprinzip ist bei der Auswahl stets das Kindeswohl zu berücksichtigen (§ 1697a BGB). In vielen Familiengerichten ist es darüber hinaus üblich vor der Bestellung eines ehrenamtlichen Einzelvormunds einen Auszug aus dem Bundeszentralregister einzuholen und bei dem Insolvenzgericht anzufragen, ob dort entsprechende Verfahren anhängig sind. Für den Fall, dass nicht bereits das Jugendamt den ehrenamtlichen Einzelvormund vorgeschlagen hat, bittet das Gericht das Jugendamt im Rahmen der Anhörung gemäß § 1779 Abs. 1 BGB um einen Bericht zur Eignung des vorgesehenen Vormunds. Die Erkenntnisse aus diesem Bericht fließen dann in die Auswahlentscheidung des Gerichts ein. Für die Feststellung von etwaigen dem Kindeswohl widersprechenden persönlichen Einstellungen des Vormunds stehen dem Gericht darüber hinaus noch Erkenntnisse aus der Stellungnahme eines gegebenenfalls gemäß § 158 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) bestellten Ver- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2016 3 fahrensbeistandes, dem Ergebnis der gemäß § 1779 Abs. 3 BGB erfolgten Anhörung von Verwandten und Verschwägerten des Mündels und der persönlichen Anhörung des vorgeschlagenen Vormunds und des Mündels in einem Gerichtstermin (§§ 32 Abs. 1, 155 Abs. 2 FamFG) zur Verfügung. Sowohl die Stellungnahme des Jugendamtes als auch des Verfahrensbeistandes beruhen dabei auf persönlichen Gesprächen und einer Inaugenscheinnahme des häuslichen und familiären Umfelds der als Vormund infrage kommenden Person. 4. Wie gestaltet sich die aktuelle Auslastung der beruflich geführten Vormünder und der Berufsbetreuer in NRW? Der Landesregierung liegen keine Zahlen zur aktuellen Auslastung der freiberuflich tätigen Berufsvormünder und Berufsbetreuer vor.