LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2043 27.02.2018 Datum des Originals: 27.02.2018/Ausgegeben: 02.03.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 747 vom 26. Januar 2018 des Abgeordneten Thomas Röckemann AfD Drucksache 17/1851 Hat sich die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens bewährt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Landesgesetzgeber hat mit dem so genannten Bürokratieabbaugesetz II im Jahr 2007 fast alle Widerspruchsverfahren, die auf Landes- und Kommunalebene vorgesehen waren, abgeschafft. Von einem fehlerhaften Bescheid betroffene Bürger können infolgedessen seither keinen Widerspruch mehr einlegen. Stattdessen sind sie gehalten, unmittelbar beim Verwaltungsgericht kostenintensiver zu klagen. Im Jahr 2014 wurde das Gesetz dann dahingehend geändert, dass Widerspruchsverfahren unter anderem wieder bei Verwaltungsakten von Vollstreckungsbehörden, im Bereich des Unterhaltsvorschussgesetzes sowie im Bereich des Pflegewohngeld- und Wohngeldrechts durchzuführen sind. Ebenso ist seit dieser Änderung im Bereich der Verwaltungsakte auf Grundlage des Kommunalabgabengesetzes und des Straßenreinigungsgesetzes sowie im Bereich der von den Gemeinden zu erhebenden Realsteuern wieder ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Damals argumentierte der Gesetzgeber vor allem damit, dass nur in rund 7 Prozent der Widersprüche die Widerspruchsbehörde anders entschieden hätte als die Ausgangsbehörde. Außerdem wurde die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in den Bereichen, in denen sowieso geringe Aussicht auf Erfolg besteht als Bürokratieabbau angepriesen, der dem Bürger ein zeitraubendes Durchlaufverfahren erspart. Durch die Uneinheitlichkeit hinsichtlich der Verwaltungspraxis hat sich jedoch eine Rechtsunsicherheit bei den Bürgern ergeben, die neben der finanziellen Belastung der Bürger durch die Konsultierung eines Anwalts vor etwaigen Klagen ebenso die Verwaltungsgerichte übermäßig belastet. Es gilt daher zu überprüfen, ob sich die Praxis der Abschaffung des Widerspruchsverfahren bewährt hat oder ob eine Wiedereinführung, bspw. in Form eines fakultativen Widerspruchsverfahren sinnvoll ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2043 2 Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 747 mit Schreiben vom 27. Februar 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie allen übrigen Mitglieder der Landesregierung beantwortet. 1. Wie hoch schätzt die Landesregierung die finanziellen Einsparungen durch die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens? Eine Ermittlung der finanziellen Einsparung, die auch den kommunalen Bereich einschließen müsste, ist schon angesichts der für die Bearbeitung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Eine belastbare Bezifferung der Einsparungen erscheint überdies ausgeschlossen, da der eingesparte Arbeitsaufwand sich aus praktischen Gründen, zum Beispiel aufgrund von Mischpensen oder anderer Veränderungen beim Arbeitsanfall, nicht ermitteln lässt. Zudem wäre bei der Ermittlung der finanziellen Einsparungen ein Mehraufwand in der Justiz zu berücksichtigen, der sich jedoch ebenfalls nicht näher beziffern lässt. Im Übrigen wird auf die Stelleneinsparungen bei den Bezirksregierungen durch die weitgehende Aussetzung des Widerspruchsverfahrens im Wege des Bürokratieabbaugesetzes II im Jahr 2014 im Rahmen der Änderung des Landesbeamtengesetzes, des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen und weiterer Rechtsvorschriften hingewiesen (Drs. 16/6089). Darüber hinaus sind der Landesregierung Schätzungen zu finanziellen Einsparungen durch die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht bekannt. Die Landesregierung beabsichtigt auch nicht, derartige Schätzungen vorzunehmen. 2. Wie hoch war die Zahl der Widerspruchsverfahren bei den Behörden und Klagen vor den Verwaltungsgerichten, in den von der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens betroffenen Bereichen, von 1997 bis 2007? Der Landesregierung liegen nur für den Bereich des Wohngeldrechts und den Bereich der sozialen Wohnraumförderung Angaben zur Zahl der Widerspruchsverfahren bei den Behörden vor und zwar für die Jahre 2004 und 2005. Diese Angaben können der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 16 in der 16. Wahlperiode entnommen werden (Drs. 16/10351). Im Übrigen wurde die Anzahl der Widerspruchsverfahren nicht erhoben und ist im Nachgang auch nicht mehr ermittelbar. Statistische Daten über Klagen vor den Verwaltungsgerichten, in den von der Abschaffung des Widerspruchverfahrens betroffenen Bereichen liegen der Landesregierung nicht vor, da die Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (VwG-Statistik) eine entsprechende Differenzierung nicht vorsieht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2043 3 3. Wie hoch war die Zahl der Klagen vor den Verwaltungsgerichten, in den von der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens betroffenen Bereichen, von 2007 bis 2017? Siehe Antwort zu Frage 2. 4. Wie hoch war der Anteil an Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in den von der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens betroffenen Bereichen, bei denen die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bescheide festgestellt wurde im Zeitraum von 1997 bis 2007? Statistische Daten zur Beantwortung der Frage liegen der Landesregierung nicht vor. Zwar werden über die VwG-Statistik Daten zum Ausgang des Verfahrens erfasst, diese Daten lassen jedoch keinen Rückschluss auf die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bescheide zu. 5. Wie hoch war der Anteil an Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in den von der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens betroffenen Bereichen, bei denen die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bescheide festgestellt wurde im Zeitraum von 2007 bis 2017? Siehe Antwort zu Frage 4.