LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2052 28.02.2018 Datum des Originals: 27.02.2018/Ausgegeben: 05.03.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 735 vom 23. Januar 2018 des Abgeordneten Serdar Yüksel SPD Drucksache 17/1835 (Neudruck) Behinderung von Betriebsräten – auch in NRW? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In jüngerer Vergangenheit sind wiederholt Fälle bekannt geworden, in denen Arbeitgeber versuchen, die Wahl eines Betriebsrates zu verhindern. Nach Erhebungen des Wirtschaftsund Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung kommt es bei jeder sechsten Neuwahl eines Betriebsrates zu Behinderungsversuchen der Arbeitgeber (Behrens/Dribbusch in: Arbeitsrecht im Betrieb 1/2017, S. 14-16) mit gravierenden Folgen für die betriebliche Mitbestimmung. Insbesondere vor den anstehenden Betriebsratswahlen in diesem Jahr ist es eine relevante Frage, wie sich die Situation in Nordrhein-Westfalen gestaltet. § 119 BetrVG (Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder) sieht vor, dass Personen, die die Wahl oder die Tätigkeit eines Betriebsrats behindern mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraft werden (Verfolgung auf Antrag). Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 735 mit Schreiben vom 27. Februar 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. 1. Wie viele Strafanträge nach §119 BetrVG sind während der letzten Jahre bei den Staatsanwaltschaften im Lande NRW gestellt worden? Bei den Staatsanwaltschaften des Landes Nordrhein-Westfalen wurden in dem Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2017 47 Strafanträge nach § 119 Absatz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) gestellt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2052 2 2. Aus welchen Branchen stammen die betroffenen Betriebe? (Bitte unter Angabe der Betriebsgröße beziehungsweise der Anzahl an Beschäftigten) Soweit in der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit ermittelbar, waren von den Ermittlungsverfahren folgende Branchen betroffen (Die Zahlen in den Klammern geben die ungefähre Anzahl der Beschäftigten an, soweit dies in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit festgestellt werden konnte): Arbeitsvermittlung (310), Automationsunternehmen, Bank, Chemieindustrie (7.000, 70, 70, 30), Dienstleistungsgewerbe (50, 360, 20), Druckbranche, Einzelhandel (˃ 10.000, 300), Energieversorger, Fitnessbranche, Freizeitbranche, Gesundheitswesen, Heizungsbranche, Hotelgewerbe (30), Kartonfabrik, Lebensmittelgroßhandel Logistikbranche (1200, 600), Metallindustrie (35, 100), Mobilfunkanbieter, Online-Versandhandel, Papierbranche, Pflegeheim, Reinigungs- und Instandhaltungsbranche von Industrieanlagen (4.000), Software-Unternehmen (130), Stahlbranche, Textilunternehmen (480), Unternehmen der Medizintechnik (31), Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs, Versorgungsbranche. 3. Was ist der Landesregierung darüber bekannt, welchen Ausgang diese Verfahren genommen haben beziehungsweise in wie vielen Fällen wurden das Verfahren eingestellt? Insgesamt 38 Verfahren wurden eingestellt, und zwar 31 Verfahren gemäß § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) mangels hinreichenden Tatverdachts, fehlenden Anfangsverdachts, fehlenden oder zurückgenommenen Strafantrags bzw. in einem Verfahren, weil ein Täter nicht ermittelt werden konnte, sieben Verfahren gemäß § 153 Absatz 1 StPO LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2052 3 In einem Verfahren erfolgte Anklageerhebung, wobei ein Urteil noch nicht vorliegt. In fünf Verfahren dauern die Ermittlungen an. Drei Verfahren wurden an andere Staatsanwaltschaften abgeben. 4. Welche Kammern/Abteilungen der Staatsanwaltschaften sind für die Bearbeitung dieser Fälle zuständig? Einschlägige Verfahren werden bei den Staatsanwaltschaften in der Regel in den Abteilungen für politische Strafsachen oder in den Wirtschaftsabteilungen bearbeitet. 5. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um gegen die Betriebsratswahl gerichtete Maßnahmen wirksam zu sanktionieren? Straftaten nach § 119 BetrVG können mit den geltenden Regelungen des Strafgesetzbuches angemessen sanktioniert werden. Die Behinderung betrieblicher Mitbestimmung und das Unter-Druck-Setzen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kann neben den Tatbeständen des § 119 BetrVG im Einzelfall auch Straftatbestände des Kernstrafrechts - wie z.B. Nötigung, üble Nachrede oder Verleumdung - erfüllen. Der Landesregierung ist es gleichwohl ein besonderes Anliegen, Beschäftigte und Betriebsräte darin zu stärken, ihre Rechte auf betriebliche Mitbestimmung ungehindert wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang fördert die Landesregierung aus Mitteln des Landes und des Europäischen Sozialfonds das Projekt „Fair im Betrieb“. Ziel dieses Projektes ist die Unterstützung von betrieblichen Interessensvertretungen und auch Beschäftigten, die sich in eskalierenden Konflikten mit ihrem Arbeitgeber befinden. Hierzu werden betroffene Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder, die durch Methoden wie Diffamierung oder sogenanntes „Bossing“ unter Druck gesetzt werden, beraten und unterstützt. Im Rahmen dieses Projektes steht die Landesregierung ferner im Dialog mit Gewerkschaften sowie weiteren Experten und erörtert mögliche Maßnahmen.