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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
17. Wahlperiode
Drucksache
17/
2118
08.03.2018
Datum des Originals: 07.03.2018/Ausgegeben: 13.03.2018
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Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 793 vom 5. Februar 2018
der Abgeordneten Ellen Stock, Dr. Dennis Maelzer und Jürgen Berghahn SPD
Drucksache 17/1923
ZUE Oerlinghausen: Wie will die Landesregierung die Kommune und die Menschen
entlasten?
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
Im Umfeld der Zentralen Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge in Oerlinghausen kommt
es vermehrt zu Straftaten. Der Rat der Stadt Oerlinghausen hat am 21.12.2017 einstimmig
eine Resolution verabschiedet, die der Rat an die Landesregierung weitergeben hat. Darin
kritisiert er die Belegungspraxis in der Flüchtlingsunterkunft Oerlinghausen durch das Land
Nordrhein-Westfalen und sieht in diesem Vorgehen eine Ursache der erhöhten Kriminalität im
Umfeld der Unterkunft, besonders in der Südstadt. In einem Fernsehbericht der Aktuellen
Stunde (WDR, 10.01.2018) wird über die Situation in vor Ort berichtet. Dabei gibt die
Kreispolizeibehörde Lippe an, dass es einen Kriminalitätsanstieg in Oerlinghausen gäbe.
Zurückgeführt wird dies auch auf eine veränderte Belegungspraxis in der ZUE Oerlinghausen.
Die Bürger fühlen sich in ihrem Sicherheitsbedürfnis von der aktuellen Landesregierung nicht
hinreichend wahrgenommen („Staatssekretär sorgt bei Besuch der Flüchtlingsunterkunft
Oerlinghausen für Fassungslosigkeit“, NW, 24.01.2018).
Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration
hat die Kleine Anfrage 793
mit Schreiben vom 7. März 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem
Minister des Innern beantwortet.
1.
Wie hat sich die Belegung mit Personen in der ZUE Oerlinghausen entwickelt, die
als Geflüchtete mit einer geringen Bleibeperspektive in Deutschland eingeschätzt
werden? (Bitte seit Eröffnung der Einrichtung in monatlichen Intervallen, in
absoluten Zahlen und in Relation zur Gesamtbelegung aufschlüsseln.)
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Die ZUE Oerlinghausen wird seit dem 01.02.2017 als Einrichtung für das beschleunigte
Verfahren betrieben. Die beigefügte Auswertung umfasst den Zeitraum vom Februar 2017 bis
Januar 2018. Für vorangegangene Zeiträume erfolgte keine standardmäßige Erfassung der
Belegungszahlen.
2.
Will die Landesregierung an dem Konzept festhalten, Personen mit einer geringen
Bleibeperspektive in großer Zahl in Schwerpunkteinrichtungen des Landes zu
zentralisieren oder ist geplant auf die Forderung des Oerlinghauser Rates nach
einer Dezentralisierung einzugehen?
Die zentralisierte Unterbringung in Schwerpunkteinrichtungen beruht auf einem zwischen
Bund und Ländern vereinbarten Aktionsplan zur weiteren Beschleunigung der Asylverfahren
sowie einer Verkürzung der Gesamtaufenthaltsdauer von Asylbewerberinnen und
Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsländern. Die Vereinbarung wurde ab September 2015
in Nordrhein-Westfalen umgesetzt und auf Asylsuchende aus Georgien erweitert.
Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP sind für Nordrhein-Westfalen im Bereich Asyl
Zielvorstellungen vereinbart worden, die zu einer spürbaren Entlastung der Kommunen führen
sollen. Die Kommunen sollen sich grundsätzlich auf die Integration der Personen mit
Bleiberecht konzentrieren können. Personen, die nach Prüfung in einem rechtsstaatlichen
Verfahren nicht schutzberechtigt sind, sollen möglichst bereits aus den Landeseinrichtungen
in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.
Zur Umsetzung dieser Zielvorstellungen werden von der Landesregierung aktuell
verschiedene
Umsetzungsschritte geprüft,
wie
und
in
welcher
Form
von
den
bundesrechtlichen
Möglichkeiten
zur
Verlängerung
der
Aufenthaltsverpflichtung
in
Aufnahmeeinrichtungen des Landes Gebrauch gemacht werden soll. Insoweit wird auch auf
den Bericht zur „Zuweisungspraxis von Flüchtlingen“ des Ministeriums für Kinder, Familie,
Flüchtlinge und Integration vom 19.01.2018 zur Sitzung des Integrationsausschusses am
24.01.2018 (Vorlage 17/462) verwiesen.
3.
Wie schätzt die Landesregierung den Kriminalitätsanstieg in Oerlinghausen seit
der Eröffnung der Zentralen Unterbringungseinrichtung ein?
Datenquelle zur Beantwortung der Frage ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Die PKS
ist eine bundesweit gültige und länderübergreifend nach einheitlichen Grundsätzen geführte
Jahresstatistik.
Für die Gemeinde Oerlinghausen wurden im Jahr 2017 630 Straftaten insgesamt (ohne asyl-
und aufenthaltsrechtliche Verstöße) erfasst (2016: 438 Straftaten). Die Aufklärungsquote stieg
im Jahr 2017 im Vergleich zu 2016 um 9,08 Prozentpunkte von 45,21 % auf 54,29 %.
Ursächlich für den Anstieg sind insbesondere steigende Fallzahlen der Eigentumskriminalität,
des Widerstands gegen die Staatsgewalt und Straftaten gegen die öffentliche Ordnung, des
Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung.
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Delikt
Fallzahlen
2016
Fallzahlen
2017
Diebstahl insgesamt
190
244
Einbrüche gesamt
39
53
Widerstand
gegen
die
Staatsgewalt/Straftaten
gegen
die
öffentliche Ordnung
6
38
Hausfriedensbruch
4
32
Sachbeschädigungen
5
34
4.
Das Land betreibt ähnliche Einrichtungen in anderen Regierungsbezirken. Sind im
Umfeld dieser Einrichtungen ähnliche Kriminalitätsanstiege zu verzeichnen?
Für die Gemeinde Ibbenbüren (Bezirksregierung Münster) wurden im Jahr 2017 insgesamt
2.854 Straftaten (ohne asyl- und aufenthaltsrechtliche Verstöße) erfasst (2016: 2.604
Straftaten gesamt). Die Aufklärungsquote sank 2017 im Vergleich zu 2016 um 0,68
Prozentpunkte (2016: 56,22 % / 2017: 55,54 %).
Für die ZUE der Bezirksregierungen Arnsberg, Düsseldorf und Köln wurden im Jahr 2017 im
Vergleich zu 2016 keine Kriminalitätsanstiege verzeichnet.
5.
Welche Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen, um die Situation zu
verbessern und dem Sicherheitsbedürfnis der Bürger in Oerlinghausen Rechnung
zu tragen?
Die Landesregierung hat bereits eine Reihe von Maßnahmen in der Einrichtung und zur
Verbesserung der Sicherheit umgesetzt bzw. eingeleitet. Damit konnte erreicht werden, dass
sich die Lage in der Einrichtung selbst beruhigt hat. Hierzu gehören insbesondere folgende
Maßnahmen:
Einleitung einer zunächst temporären Reduzierung der Platzkapazität von 600 auf 300
Plätze (davon 200 Plätze für Personen im beschleunigten Asylverfahren)
Aufstockung des Sicherheitspersonals in der Einrichtung
Erweiterung des Betreuungsangebots mit einer Vielzahl von tagesstrukturierenden
Angeboten für die Bewohnerinnen und Bewohner (wie z.B. Jugendtreff, Fernsehräume,
Frauen- und Männercafés, Sportangebote)
Installation einer Videoüberwachungsanlage für den Eingangsbereich und das gesamte
Außengelände, Bestreifung des Außengeländes durch den Sicherheitsdienst, um zu
verhindern, dass sogenannte Fremdschläfer in die Einrichtung gelangen können
Umsetzung eines Beleuchtungskonzepts
Umgestaltung des Zugangsbereichs, Bewohnerinnen und Bewohner können nicht mehr
seitlich unerkannt die Einrichtung betreten
Regelmäßige Eingangskontrollen mit Dokumentation der Ein- und Ausgänge
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Tägliche Kontrollen der Zimmer
Konsequente und sukzessive Umsetzung des Landesgewaltschutzkonzepts für die
Flüchtlingseinrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen in der ZUE Oerlinghausen
Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Kreispolizeibehörden und der Zentralen
Ausländerbehörde.
Ferner wurden im Dezember 2017 ein Workshop mit Vertreterinnen und Vertretern aus
Verwaltung, Sicherheit und Betreuung zur Verbesserung der Zusammenarbeit vor Ort
durchgeführt und ein erster Runder Tisch mit Vertreterinnen und Vertretern der
Bezirksregierung Detmold, des Sicherheitsdienstes, des Betreuungsdienstes, der Sozialen
Beratung, der Polizei und weiteren Beteiligten (wie Interessengemeinschaften) vor Ort
durchgeführt. Beginnend mit dem 13. April 2018 wird die Bezirksregierung Detmold zu einem
Runden Tisch einladen.
Überdies ist zeitnah der Einsatz eines Umfeldmanagers vorgesehen, der eine Mittlerfunktion
zwischen der ZUE Oerlinghausen, den Flüchtlingen und den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort
übernehmen wird.
Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten setzen die Kreispolizeibehörden Lippe und Gütersloh
seit dem 20.12.2017 ein gemeinsames Einsatz- und Präsenzkonzept um. Ziele sind
insbesondere die Erhöhung des Fahndungs- und Kontrolldrucks durch abgestimmte,
gemeinsame polizeiliche Maßnahmen sowie ein regelmäßiger Informationsaustausch
zwischen Polizei, den Städten Oerlinghausen und Schloss Holte-Stukenbrock sowie den
Zentralen Unterbringungseinrichtungen.
Zur Gewährleistung personenorientierter Ermittlungen hat die Kreispolizeibehörde Lippe
bereits seit dem 01.09.2017 eine Ermittlungskommission eingerichtet. Darüber hinaus wird
zeitnah ein zusätzlicher Bezirksdienst in unmittelbarer Nähe zur ZUE Oerlinghausen
eingesetzt.
Anlage zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 793
Albanien
Bosnien und Herzegowina
Georgien
Kosovo
Mazedonien
Montenegro
Serbien
Gesamt
Personen aus dem beschleunigten Verfahren
aktive Betten
%-Anteil der Personen aus dem
beschleunigten Verfahren in
Relation zur Gesamtbelegung
%-Anteil der Personen aus dem
beschleunigten Verfahren in
Relation zu den aktiven Betten
ZUE Oerlinghausen
Gesamtbelegung
Entwicklung der Belegung in der ZUE Oerlinghausen