LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2119 08.03.2018 Datum des Originals: 07.03.2018/Ausgegeben: 13.03.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 751 vom 29. Januar 2018 des Abgeordneten Matthi Bolte-Richter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1855 Studie zu Auswirkungen von Stickstoffdioxid auf Menschen am Universitätsklinikum Aachen – Wie trägt die Landesregierung zur Aufklärung bei? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Zusammenhang mit dem Abgasskandal berichten mehrere Medien aktuell über eine Studie, bei der am Universitätsklinikum Aachen die Auswirkungen von Stickstoffdioxid auf Menschen untersucht worden sind. Teilgenommen haben laut einer Veröffentlichung im Fachjournal „International Archives of Occupational and Environmental Health“ 19 Männer und 6 Frauen, die meisten von ihnen Studierende.1 Der Leiter des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsklinik der RWTH Aachen sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass die Versuche „keinerlei Verbindung mit dem Abgasskandal“ hätten. „Die Studie von 2013 – lange vor dem VW-Dieselskandal – habe sich mit dem Stickstoffdioxidgrenzwert am Arbeitsplatz befasst“. Weiter schreibt die dpa: „Weil der Grenzwert herabgesetzt worden sei und es keine Studien zu Menschen gegeben habe, seien 25 gesunde Menschen Belastungen ausgesetzt worden, die unterhalb der Belastungen am Arbeitsplatz lägen. Die Ethikkommission [an der medizinischen Fakultät der RWTH Aachen] habe die 2016 veröffentlichte Studie als vertretbar bewertet.“ Gefördert wurde die Studie laut der oben erwähnten Veröffentlichung von der „Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT)“. Sie wurde laut Medienberichten 2007 von den Konzernen VW, Daimler, BMW und dem Autozulieferer Bosch2 gegründet. Der Institutsleiter sagte laut dpa, dass die EUGT „die Studie gefördert, die Forscher jedoch «in keinster Weise» beeinflusst“ habe. 1 http://docs.dpaq.de/13191-brand_no2_2016.pdf 2 http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/volkswagen-daimler-bmw-und-bosch-offenbar-auchabgastests -an-menschen-a-1190251.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2119 2 Die EUGT und die Autobauer stehen in der Kritik, weil sie in den USA Primatenversuche beauftragt haben, um die Auswirkungen von Schadstoffemissionen auf die Gesundheit zu untersuchen.3 Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 751 mit Schreiben vom 7. März 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft hat bei der Uniklinik RWTH Aachen nach der ersten Berichterstattung in den Medien eine umfassende Stellungnahme angefordert, um die Hintergründe zur Studie und die Verbindung zur Förderorganisation "Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT)" aufzuklären. Der Bericht des Universitätsklinikums Aachen liegt seit dem 2. Februar 2018 vor und bildet die Basis für die nachstehende Beantwortung. 1. Wie bewertet die Landesregierung die oben genannte Studie Dem Bericht zufolge hat die Studie einen Beitrag geleistet, dass der seit 2009 neue niedrigere NO2-Grenzwert in die TRGS 900 (Technische Regel für Gefahrstoffe) aufgenommen und mit extrem sensitiven wissenschaftlichen Methoden rechtsverbindlich abgesichert wurde. Design, Transparenz der Förderung, Durchführung und Dokumentation der Studie sowie die Publikation der Studienergebnisse erfüllten nach dem Bericht der Uniklinik RWTH Aachen alle anerkannten wissenschaftlichen und ethischen Standards. Sobald die Studie Gegenstand der allgemeinen öffentlichen Aufmerksamkeit wurde, hat die Uniklinik RWTH Aachen zeitnah über die Studie informiert. An der Professionalität und Integrität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Uniklinik RWTH Aachen, die mit der NO2-Studie befasst waren, bestanden und bestehen demnach keine Zweifel. 2. In welcher Art und Weise hat das Universitätsklinikum Aachen mit der EUGT kooperiert? Dem Bericht zufolge wurde das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Uniklinik RWTH Aachen im Jahr 2012 hinzugezogen, nachdem eine Umsetzung an der Ludwig- Maximilians-Universität München aus technischen und zeitlichen Gründen gescheitert war. Zu diesem Zeitpunkt war die EUGT als potentieller Förderer der Studie bereits bekannt. Der Forschungsantrag wurde aktualisiert, weiterentwickelt und dann bei der EUGT eingereicht. Das Studiendesign inklusive methodischer Aspekte wurde unabhängig von der EUGT konzipiert und umgesetzt, was gemäß den Statuten des Instituts ein wesentliches Kriterium für die Antragstellung und Durchführung von Forschungsprojekten ist. 3 http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tierversuche-vw-testete-diesel-abgase-an-affen-1.3842037 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2119 3 3. Welche weiteren Forschungsprojekte in Nordrhein-Westfalen wurden in Kooperation mit oder durch Unterstützung der EUGT durchgeführt? Die Uniklinik RWTH Aachen erwähnt in ihrem Bericht, dass es im Jahr 2013 noch eine Literaturarbeit zum Thema "Literatur und aktuelle Datenlage zur elektromagnetischen Interferenz elektronischer Implantate im Kilohertz-Bereich" gab. Informationen zu etwaigen weiteren Forschungsprojekten mit oder durch Unterstützung der EUGT liegen der Landesregierung nicht vor. 4. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung bezüglich des vorliegenden Falls ergreifen? Die Landesregierung sieht keine Veranlassung, bezüglich des vorliegenden Falls Maßnahmen zu ergreifen. An der Integrität und Seriosität der Uniklinik RWTH Aachen bestanden und bestehen keine Zweifel. In welche argumentativen Zusammenhänge die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien später gestellt werden, lässt sich nicht kontrollieren. Eine Sensibilität für mögliche problematische Nebeninteressen von Mittelgebern aus der Industrie, die Geld für wissenschaftliche Studien zur Verfügung stellen, ist gleichwohl geboten. Deshalb begrüßt die Landesregierung die Absicht der Uniklinik RWTH Aachen, diese Sensibilität noch weiter zu schärfen. 5. Welche Personen und Gremien wussten zu welchem Zeitpunkt vor der Durchführung der Versuche von diesen? Dem Bericht zufolge wurde die Studie in 2010/11 initial vom Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München konzipiert. Nachdem dort die Realisierung gescheitert war, wurde das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Uniklinik RWTH Aachen im Jahr 2012 hinzugezogen. Diese reichte den Antrag gemeinsam mit München bei der EUGT ein. Die Studie wurde am 20. Februar 2013 der Ethikkommission der RWTH Aachen zur Genehmigung vorgelegt. Am 28. März 2013 genehmigte die Kommission den aktualisierten Antrag einstimmig.