LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2139 12.03.2018 Datum des Originals: 09.03.2018/Ausgegeben: 15.03.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 796 vom 8. Februar 2018 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1942 Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus der erneuten Ausbreitung des sogenannten Abwasserpilzes im Münsterland? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In den ersten Monaten des Jahres 2016 hatte der Landesfischereiverband an mehreren Gewässern im Umfeld von Biogasanlagen und Viehbetrieben mit Silagelagerstätten im Münsterland einen massiven Befall mit dem sogenannten Abwasserpilz festgestellt. Bei dem sogenannten Abwasserpilz handelt es sich um Bakterienkolonien, die sich vor allem bei niedrigen Temperaturen ausbilden, wenn über einen längeren Zeitraum organische Abwässer eingeleitet werden. Der Abwasserpilz ist ein Anzeiger für sehr stark verschmutzte Gewässer. Die betroffenen Gewässer sind biologisch praktisch tot, Fische oder andere Gewässerlebewesen sind in betroffenen Gewässern nicht mehr zu finden. Als Ursache für den Abwasserpilz wurden im Jahr 2016 durch die unteren Wasserbehörden eindeutig Gärsäfte und Sickerwässer aus Silagelagerungen für Biogasanlagen und Tierhaltungen identifiziert. Die Silagesäfte gelangten in der Regel wegen einer nicht ordnungsgemäßen Errichtung oder eines unsachgemäßen Betriebs der Anlagen zur Silagelagerung in die Gewässer . So waren beispielsweise Betriebsflächen überfüllt oder verschmutzt und Fahrsilos nicht abgedeckt oder unzureichend abgedichtet. Auch die Lagerung von Feldmieten in Gewässernähe und daraus resultierende diffuse Einträge führten zum massiven Auftreten des Abwasserpilzes. Ein Teil der Verstöße war ordnungs- bzw. strafrechtlich relevant. Auch in diesem Jahr treten im Münsterland wieder Abwasserpilze auf (vgl. zum Beispiel den Bericht in der Lokalzeit Münsterland vom 25.01.2018 im WDR). Um weitere ökologische und wirtschaftliche Schäden zu vermeiden, gilt es, den Zustand der Gewässer in den Wintermonaten ausreichend zu beobachten und schnellstmöglich Gegenmaßnahmen einzuleiten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2139 2 Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 796 mit Schreiben vom 9. März 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zum Ausmaß und zu den Ursachen des aktuellen Befalls von Gewässern mit dem sogenannten Abwasserpilz in Nordrhein-Westfalen vor? Der Landesregierung sind für den Winter 2017/2018 landesweit insgesamt 35 Fälle des Auftretens des Abwasserpilzes bekannt geworden. Damit kann festgestellt werden, dass in dieser Wintersaison deutlich weniger Fälle gemeldet und dokumentiert wurden, als dies noch im Winter 2015/2016 der Fall gewesen ist (siehe auch LT Vorlage 16/3822 vom 01.04.2016). Mit Erlass vom 19.02.2016 hat die damalige Landesregierung aufgrund des im Winter 2015/2016 aufgetretenen Abwasserpilzes im Wesentlichen in kleineren Oberflächengewässern in Nordrhein-Westfalen die zuständigen Wasserbehörden gebeten, im Rahmen ihrer Gewässeraufsicht vermehrt Gewässerschauen und Kontrollen durchzuführen und auch auf Hinweise Dritter zeitnah zu reagieren. Daneben hatten auch die Landwirtschaftskammer und die Verbände der Landwirtschaft das Problem aufgegriffen und sich mit Beratungen und Informationsveranstaltungen engagiert. Diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Anzahl der beobachteten Gewässer mit Abwasserpilzen rückläufig ist. Nichts desto trotz besteht an einigen Stellen weiterhin Verbesserungspotenzial . Das betrifft insbesondere die Lagerung von Silage sowohl in festen Anlagen als auch als sogenannte Feldrandlagerung. Den bekannten Gewässerverunreinigungen wird seitens der zuständigen Behörden auch weiterhin konsequent nachgegangen. 2. Wie erklärt die Landesregierung, dass der Abwasserpilz überproportional in der Nähe von Biogasanlagen auftritt, obwohl deren JGS-Anlagen vergleichsweise neu sind und damit eigentlich dem Stand der Technik entsprechen müssten? Inwieweit der Abwasserpilz überproportional in der Nähe von Biogasanlagen auftritt, kann anhand der bekannten Fälle weder bestätigt noch dementiert werden. Bei Biogasanlagen können dort bestehende Fahrsiloanlagen ein besonderes Problem darstellen . Nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik wird dort das anfallende Niederschlagswasser entsprechend seiner Belastung in Teilströme getrennt. Bei manchen Entwässerungssystemen erfordert diese Trennung, dass je nach Betriebszustand der Silage Einläufe zeitweise geöffnet und verschlossen werden müssen. Dabei können betriebliche Fehlbedienungen durch den Betreiber nicht ausgeschlossen werden. Daneben ist es auch möglich, dass Niederschlagswasser von verschmutzten Fahrflächen in ein Gewässer gelangen kann. 3. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dem erneuten Befall mit dem Abwasserpilz? Der Vergleich des aktuellen Ausmaßes des Auftretens des Abwasserpilzes mit dem im Winter 2015/2016 festgestellten Status legt den Schluss nahe, dass die seit Frühjahr 2016 ergriffenen Maßnahmen gewirkt haben. Diese Maßnahmen werden fortgesetzt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2139 3 Für den Bereich der Biogasanlagen fordert die „Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV)“ des Bundes, die am 01.08.2017 in Kraft getreten ist, eine Umwallung, die nicht nur den Fermenter, sondern auch die Lagerbereiche umfassen muss. Es ist davon auszugehen, dass nach Nachrüstung diffuse Einträge aus Biogasanlagen einschließlich deren Fahrsiloanlagen weiter zurückgehen werden. 4. Wie beabsichtigt die Landesregierung eine unsachgemäße Lagerung von Silage in Zukunft abzustellen? Bitte konkrete Maßnahmen und Unterstützungsangebote für Landwirtschaft benennen. Bei den zu ergreifenden Maßnahmen ist zwischen solchen, die der Konkretisierung technischer Anforderungen dienen, und anderen, die der Unterstützung der Betreiber dienen, zu unterscheiden. Konkretisierung von Anforderungen Bei der Lagerung von Silage ist zwischen Fahrsiloanlagen und der sogenannten Feldrandlagerung zu unterscheiden. Für den Bau und Betrieb von Fahrsiloanlagen befindet sich zurzeit eine Technische Regel wassergefährdender Stoffe „JGS-Anlagen“ (Jauche - Gülle - Silagesickersäfte) auf Bundesebene in Arbeit. Ein besonderes Problem dieser Anlagen ist deren ordnungsgemäße Entwässerung und Abwasserbeseitigung . Hierzu wird derzeit auf Ebene des Bundes und der Länder ein Merkblatt erarbeitet, das einen Beitrag zur Lösung der in diesem Bereich bestehenden Probleme liefern soll. Darüber hinaus wird auf Bundesebene aktuell ein Merkblatt zu den wasserwirtschaftlichen Anforderungen an die Feldrandlagerung erarbeitet. Unterstützung der Betreiber Im Verlauf des vergangenen Jahres haben landesweit zahlreiche Veranstaltungen der Landwirtschaftskammer und der Landwirtschaftsverbände stattgefunden, auf denen die richtige Lagerung von JGS, die baulichen Anforderungen an deren Lagerung und die Gefahren für Gewässer durch den Eintrag verunreinigter Abwässer thematisiert wurden. Dadurch und durch weitergehende Öffentlichkeitsarbeit u.a. mit Beiträgen in der landwirtschaftlichen Fachpresse sind die Betriebe sensibilisiert und ist ein Problembewusstsein geweckt worden. Um als weiteren Schritt die Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen auf einzelbetrieblicher Ebene zu unterstützen, hat das MULNV ein neues Modul „Gewässer- und Umweltschutz baulicher Anlagen der Tierhaltung“ im Rahmen der Förderung der einzelbetrieblichen Beratung vorgesehen. Nach Abschluss der notwendigen Änderung der Förderrichtlinie besteht für die Betriebe die Möglichkeit, sich extern zur sachgerechten Lagerung mit Anlagencheck und Erstellung eines Maßnahmeplans beraten zu lassen. Auf der Behörden- und Verwaltungsebene finden aktuell außerdem Veranstaltungen zwischen der Landwirtschaftskammer und den Unteren Wasserbehörden statt, um Wissen auszutauschen und das Handeln abzustimmen.