LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2167 13.03.2018 Datum des Originals: 13.03.2018/Ausgegeben: 16.03.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 816 vom 20. Februar 2018 des Abgeordneten Frank Müller SPD Drucksache 17/2013 Sicher ist sicher? Unterschiedliche Praxis bei Bombenentschärfungen! Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Auch über 70 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges werden immer wieder sogenannte „Blindgänger“, also nicht detonierte Bomben, gefunden bzw. aufgespürt. Um die Sicherheit der Anwohner zu gewährleisten, werden diese Blindgänger entschärft. Da ein entsprechender Vorgang natürlich größtmöglicher Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bedarf, werden nach entsprechenden Funden viele Anwohner in den betroffenen Regionen zeitweise evakuiert. Aktuell wurde in Essen-Altenessen eine Bombe gefunden. Nach Medienangaben wurden in der Folge „Rund 1.900 Menschen in Essen eilig evakuiert, über 14.000 Anwohner [waren] betroffen, 360 Profis und Freiwillige im nächtlichen Hilfseinsatz“ (vgl. https://www.waz.de/region/rhein-und-ruhr/essen-kritisiert-praxis-beibombenentschaerfungen -id213382715.html). In der Vergangenheit wurde ein anderes Vorgehen gewählt. Dem Bericht zu Folge gab es meist eine längere Vorlaufzeit, die Gefahrenstelle wurde gesichert und mit dem Entschärfen bis zum Wochenende gewartet. Dadurch konnten sich die Betroffenen auf die Evakuierung vorbereiten und auch sonstige Auswirkungen konnten gering gehalten werden. Mittlerweile wird diskutiert, ob die seit 2014 geltende Verschärfung in der Form angebracht ist. Im genannten Artikel heißt es, dass seit 2014 jeder Bombenfund die Pflicht zur „unverzüglichen“ Entschärfung zur Folge habe und entsprechend alle Bewohner in einem Radius von 500 Metern binnen Stunden ihre Häuser verlassen müssten. Dies wird verschiedentlich als besonderer Stressfaktor wahrgenommen. Teilweise würden binnen Stunden ganze Stadtteile oder Städte lahmlegt LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2167 2 Zudem wird darauf aufmerksam gemacht, dass es unterschiedliche Handhabungen je nach Bezirksregierung - etwa beim Evakuierungsradius - geben soll. Die Bezirksregierung Arnsberg hält demnach einem Radius von 250 Metern für ausreichend, die Bezirksregierung Düsseldorf einen Radius von 500 Metern. Die geschilderte Situation zeigt, dass es unterschiedliche Betrachtungsweisen gibt. Es ist selbstverständlich davon auszugehen, dass alle Beteiligten die Sicherheit im Fokus haben und sich vor allem um die Beste Herangehensweise sorgen. Klar muss natürlich sein, dass jede Regelung den Schutz sowohl der Bevölkerung als auch der Helferinnen und Helfer jederzeit gewährleistet. Allerdings scheinen auch einheitliche und praktikablere Lösungen im Sinne der Kommunen notwendig. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 816 mit Schreiben vom 13. März 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Welche Regelungen bzw. Zuständigkeit gibt es bei der Beseitigung von Blindgängern bzw. Kampfmitteln in NRW (wenn möglich aufgeschlüsselt nach Land bzw. Regierungsbezirken und Kommune)? Kampfmittelbeseitigung als Teil der Gefahrenabwehr ist eine Aufgabe der örtlichen Ordnungsbehörden. Wegen der erforderlichen besonderen Fachkunde hält das Land Nordrhein-Westfalen bei den Bezirksregierungen Arnsberg und Düsseldorf den Kampfmittelbeseitigungsdienst mit einer Vor-Ort Zuständigkeit für die Regierungsbezirke Arnsberg, Detmold und Münster bzw. Düsseldorf und Köln vor. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst unterstützt die Ordnungsbehörden durch Räumung und Vernichtung der Kampfmittel, während es Aufgabe der örtlichen Ordnungsbehörde ist, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen (Absperren der Fundstelle, Evakuierung, ggfs. Duldungsanordnung gegen den Eigentümer etc.) zu treffen, erforderliche Arbeiten insbesondere vor- oder nachbereitender Art zu veranlassen sowie dem Kampfmittelbeseitigungsdienst die erforderlichen Hilfsmittel (z. B. für Wirkungsdämpfungsmaßnahmen) bereit zu stellen. Sofern erforderlich, wird die Polizei im Rahmen der Amtshilfe zur Unterstützung der Ordnungsbehörde im Zusammenhang mit Absperr-, Evakuierungs- und Verkehrsmaßnahmen tätig. 2. Wie kann eine größtmögliche Sicherheit sowohl der Anwohner/innen als auch der zuständigen Behörden, der Sicherheits- und Hilfskräfte, der Freiwilligen, des Kampfmittelräumdienstes, etc. gewährleistet werden? Größtmögliche Sicherheit bei Kampfmittelfunden lässt sich nur durch eine unverzügliche Entschärfung erreichen. Hierfür muss der gefährdete Bereich unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit (so groß wie notwendig - so klein wie vertretbar) während der Entschärfung evakuiert werden. Gleichzeitig gilt das Minimierungsgebot des im Gefahrenbereich einzusetzenden Personals. 3. Welche Erkenntnisse haben zu der angesprochenen Verschärfung 2014 geführt? Die Kampfmittelbeseitigungsdienste sind aus unterschiedlichsten Gründen vielfach bei der Wahl des Entschärfungszeitpunktes mit Forderungen konfrontiert, die Entschärfung um einen, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2167 3 manchmal auch mehrere Tage zu verschieben. Im Interesse der Gefahrenabwehr, aber auch um die Mitarbeiter der Kampfmittelbeseitigungsdienste bei ihrer gefährlichen Tätigkeit von diesbezüglichen Diskussionen zu entlasten, haben die Bezirksregierungen 2014 die Ordnungsbehörden in Rundverfügungen erneut auf die von Kampfmitteln ausgehenden Gefahren und das Erfordernis einer unverzüglichen Entschärfung hingewiesen. Dies entsprach bisheriger Verwaltungspraxis und stellte keine Verschärfung dar. 4. Gibt es unterschiedliche Regelungen bei Bombenfunden abhängig von der jeweils zuständigen Bezirksregierung? Es gibt keine unterschiedlichen Regelungen zur Entschärfung von Bomben bei den beiden Bezirksregierungen. Die in diesem Zusammenhang thematisierten Evakuierungsradien sind abhängig von Bombengröße (Sprengstoffmenge), Zünderzustand und Fundsituation incl. Umgebungsbebauung. 5. Wie bewertet die Landesregierung die im Zeitungsartikel dargestellte Diskussion des gestiegenen Aufwandes bzw. der organisatorischen Belastungen rund um Bombenentschärfungen? Evakuierungen stellen nicht nur einen großen Einschnitt in den Alltag der Bevölkerung dar, sie sind auch für Behörden und Einsatzkräfte eine große logistische Herausforderung, insbesondere wenn größere Einrichtungen wie Krankenhäuser o. ä. betroffen sind. Kampfmittel der beiden Weltkriege sind auch heute noch eine erhebliche Gefahr für die Bevölkerung. Sie waren nahezu 70 Jahre lang unbekannten Umwelteinflüssen ausgesetzt. Handelt es sich zudem um chemisch-mechanische Langzeitzünder oder wurde z. B. die Bombe beim Auffinden unkontrolliert bewegt, kommen weitere Gefährdungsmomente hinzu. Die Bewertung der Kampfmittelgefahr obliegt dem Kampfmittelbeseitigungsdienst, die Bewertung der Gesamtsituation der Ordnungsbehörde. Für alle Betroffenen einer Bombenentschärfung gilt, dass die Gefahrenabwehr im allgemeinen Interesse erfolgt und Einschränkungen hinzunehmen sind.