LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2240 22.03.2018 Datum des Originals: 21.03.2018/Ausgegeben: 27.03.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 811 vom 20. Februar 2018 der Abgeordneten Sarah Philipp und Carsten Löcker SPD Drucksache 17/1998 Welche Zukunft haben „Fertigteil-Brücken“ in Nordrhein Westfalen?“ Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nordrhein-Westfalen ist Transitland. Die in Zukunft noch weiter steigenden Personen- und Güterverkehre stellen die Verkehrsinfrastruktur im Land vor eine besondere Herausforderung. Insbesondere die jahrzehntelange Vernachlässigung unserer Brücken führt bereits seit längerem zu massiven Verkehrsbehinderungen. Laut ADAC hat Nordrhein-Westfalen in 2017 einen neuen „Stau-Rekord“ aufgestellt, mehr als 17 Prozent Zuwachs alleine im vergangenen Jahr verdeutlichen den Handlungsdruck bei Sanierung und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Insbesondere die an stark befahrenen Verkehrswegen liegenden Brücken werden immer mehr zum „Nadelöhr“. Laut Straßen.NRW sind 808 Brücken an Bundesfernstraßen und noch einmal 770 Brücken an Landesstraßen vorrangig nachzurechnen, ein Großteil muss durch einen Ersatzneubau erneuert werden. Die Rot-Grüne Vorgängerregierung ist diese Misere maßgeblich durch den ehe-maligen Verkehrsminister Michael Groschek mit innovativen Ideen und neuen Ansätzen angegangen und hat sich um die Etablierung der „Komplett-Fertigteil- Bauweise“ bei Brückenersatzneubauten bemüht. Erste Pilotprojekte in Nordrhein-Westfalen sind bereits über die Planung hinaus fortgeschritten und stehen vor der Realisierung. Auch die neue Landesregierung sieht in ihrem Koalitionsvertrag vor, „auf Standardisierungen wie bei den Legobrücken und die Zusammenfassung mehrerer Brückenprojekte zu Losen“ zu setzen. Der Minister für Verkehr hat die Kleine Anfrage 811 mit Schreiben vom 21. März 2018 namens der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2240 2 Vorbemerkung der Landesregierung Ziel der Straßenbauverwaltungen ist es grundsätzlich, funktionsgerechte, wartungsarme und langlebige Brückenbauwerke herzustellen. Um diese Ziele zu erreichen, wurden bundesweit einheitliche und umfangreiche Regelwerke erarbeitet und bindend für den Bereich der Bundesfern- und Landesstraßenbrücken eingeführt. Bei Brückenneubauten werden bereits seit längerer Zeit Betonfertigteile eingesetzt. So werden häufig beispielsweise Fertigteilbinder in Verbindung mit einer Ortbetonplatte oder Fertigteilplatten im Zusammenhang mit Stahlverbundbauwerken verbaut. Die Einsatzmöglichkeiten von Fertigteilen sind jedoch hinsichtlich Größe, Gewicht und Gestaltung begrenzt. So wird ab etwa 100 Tonnen Einzelgewicht der Einsatz von Fertigteilen zunehmend aufwendiger. Es müssen geeignete Fertigteilwerke und Transportwege bis zur Baustelle zur Verfügung stehen, auch sollen sich die Bauwerke gestalterisch in die Umgebung einpassen. 1. Welche Vorteile sieht die Landesregierung in der „Komplett-Fertigteil-Bauweise“ bei Brückenersatzneubauten? Fertigteil-Bauweisen können einen Beitrag dazu leisten, die Bauzeiten vor Ort und die damit einhergehenden Verkehrsbeeinträchtigungen zu minimieren. Gleichzeitig muss jedoch ein dauerhaftes, robustes und wartungsarmes Bauwerk entstehen, bei dem auch die Wirtschaftlichkeit gewährleistet ist. 2. Welche Maßnahmen hat die neue Landesregierung seit Amtsantritt unternommen, um die Potentiale dieser „Lego-Brücken“ in Nordrhein-Westfalen zu nutzen? Die Initiativen zur Ausweitung von Fertigteilbauweisen in Deutschland gehen wesentlich von Nordrhein-Westfalen aus, andere Bundesländer zeigen hier bisher eher weniger Aktivitäten. Um die notwendige Anpassung der Regelwerke herbeizuführen, müssen zunächst umfangreiche Erfahrungen mit Pilotprojekten gesammelt werden. Neben dem Pilotprojekt „Hammacher Straße über die A 46 bei Hagen“ wurden die Maßnahmen „Brücke im Zuge der Speelberger Straße über die A 3 bei Emmerich“ und „Brücke im Zuge der B 474 über die DB bei Dülmen“ dem Bundesverkehrsministerium als weitere Pilotprojekte vorgeschlagen. Als Pilotprojekt auf Landesebene ist die Maßnahme „Brücken über die L 518 bei Werne“ für eine Umsetzung in Fertigteilbauweise vorgesehen. 3. Wie viele ersatzbedürftige Brücken eignen sich nach Einschätzung der Landesregierung für einen Ersatzneubau in Komplett-Fertigteil-Bauweise? Eine Erhebung hierzu liegt beim Landesbetrieb Straßenbau NRW nicht vor. Eine genauere Abschätzung ist hier auch nicht möglich, da jeder Einzelfall individuell geprüft werden muss. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2240 3 4. Wann werden diese geeigneten Komplett-Fertigteil-Projekte angegangen (Bitte je nach Projekt einzeln aufführen)? Sachstand der aktuellen Fertigteil-Projekte gemäß Frage 2: A 46 - Brücke im Zuge der Hammacher Straße (Stadt Hagen): Baubeginn vor Ort ab März 2018, Sperrung der Hammacher Straße von April bis Juli 2018 (100 Tage). A 3 - Brücke im Zuge der Speelberger Straße (Stadt Emmerich am Rhein): Der Entwurf des Brückenbauwerks wird zurzeit erstellt. Der Baubeginn ist für den Sommer 2018 geplant. B 474 - Brücke im Zuge der Straße Merodenweg (Stadt Dülmen): Für den Ersatzneubau dieser Brücke ist dem BMVI eine Bauweise mit hohem Vorfertigungsgrad vorgeschlagen worden. Ergänzend zu den anderen Pilotprojekten ist hier eine Bauweise mit Hohlkastenträgern aus Beton vorgesehen. Das BMVI prüft zurzeit den Vorschlag des Landesbetriebs Straßenbau NRW. L 518 - Brücke im Zuge der Straße Stiegenkamp (Stadt Werne) und Brücke im Zuge der Straße Nordbecker Damm (Stadt Werne): Die Baumaßnahme ist zurzeit im Vergabeverfahren. Der Baubeginn kann erfolgen, sobald das Verfahren abgeschlossen ist und die notwendigen Vorbereitungen seitens des Auftragnehmers erfolgt sind. 5. Sind nach Ansicht der Landesregierung ausreichend qualifizierte private Planungsbüros und Fertigteilwerke am Markt tätig, die in der Planung und Herstellung der Komponenten tätig werden können? Die Komplett-Fertigteil-Bauweise ist bislang in Deutschland nicht standardisiert. Allerdings ist es für die in der Regel gut qualifizierten Ingenieurbüros in Nordrhein-Westfalen bzw. in und außerhalb der Bundesrepublik kein Problem, sich mit neuen Bauweisen vertraut zu machen. In Deutschland gibt es, anders als zum Beispiel in den Niederlanden, keine Betonfertigteilwerke, die sich auf die serienmäßige Herstellung von Fertigteilen für Brücken spezialisiert haben. Bei zwei in der letzten Zeit ausgeschriebenen Baumaßnamen hat sich gezeigt, dass viele Fertigteilwerke in Deutschland bei Bauteilgewichten ab ca. 100 t an ihre Kapazitätsgrenze stoßen. Betonfertigteillängen von mehr als 30 m sind daher derzeit kaum realisierbar. Die Landesregierung geht davon aus, dass sich sowohl die Ingenieurbüros als auch die Fertigteilwerke neuen Marktanforderungen anpassen werden, sobald ein entsprechender Bedarf erkennbar ist.