LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2265 27.03.2018 Datum des Originals: 26.03.2018/Ausgegeben: 03.04.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 822 vom 20. Februar 2018 der Abgeordneten Susana dos Santos Herrmann und Jochen Ott SPD Drucksache 17/2021 Möchte die Landesregierung gemeinschaftliche und nachbarschaftliche Wohnprojekte gezielt abwürgen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die von der neuen Landesregierung beschlossene Streichung der Förderung des Landesbüros für innovative Wohnformen ist eine Abkehr von einem zukunftsweisenden und wichtigen Bereich der Wohnungspolitik. Besonders dieses Landesbüro ist als kostenfreie Beratungsstelle unverzichtbar für die Realisierung und das Betreiben gemeinschaftlicher und nachbarschaftlicher Wohnprojekte. Besonders ältere, Alleinerziehende sowie Menschen mit Migrationshintergrund profitieren von innovativen Wohnformen. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 822 mit Schreiben vom 26. März 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. 1. Welche wohnungspolitischen Ziele möchte die aktuelle Landesregierung verfolgen, wenn sie innovative Wohnformen wie bspw. Mehrgenerationen- Wohnhäuser anscheinend für nicht unterstützenswert erachtet? 2. Warum möchte die Landesregierung älteren Menschen die Möglichkeit nehmen sozial eingebettet in einer Gemeinschaft möglichst bis zum Lebensende als Alternative zur Heimunterbringung leben zu können? 3. Wie möchte die Landesregierung ehrenamtliches Engagement der Menschen in NRW fördern, wenn sie mit dieser Streichung der Fördermittel gezielt Menschen, die ehrenamtlich gemeinschaftsfördernde Wohnformen realisieren wollen, im Regen stehen lassen? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2265 2 4. Wohin können sich die Träger bzw. die Planer von innovativen Wohnideen in Zukunft kostenfrei wenden, um solche Wohnformen zu ermöglichen und zu betreiben? 5. Wie hoch beziffern sich die Einsparungen durch die Streichung der Förderung des Landesbüros für innovative Wohnformen und wofür wird das eingesparte Geld verwendet? Die Fragen 1 – 5 werden zusammen beantwortet. Menschen sollen solange wie möglich selbstbestimmt und selbständig zu Hause, in ihrer vertrauten Umgebung, in ihrem Quartier, leben können. Die Landesregierung unterstützt und fördert diesen Grundsatz, der zwischen der Bundes- und Landesebene uneingeschränkt – auch über sich ändernde Regierungen hinweg – geteilt wird, mit vielfältigen Programmen und Initiativen. Dabei geht es von der Schaffung altersgerechten Wohnraums und der Wohnumfelder bis hin zur Schaffung von unterstützenden und helfenden Strukturen, um den eingangs erwähnten politisch konsentierten Grundsatz in die Tat umzusetzen. Indem die Landesregierung in vielfältiger Weise - auch mit Initiativen des Bundesgesundheitsministeriums - in Nordrhein-Westfalen älter werdenden Menschen ein „zu- Hause-bleiben“ in vertrautem Umfeld mit vertrauten Nachbarn, Angehörigen und Freunden ermöglicht, tragen wir den Wünschen der älteren und älter werdenden Generationen Rechnung. An dieser Stelle wird nur ein kurzer Überblick über die bestehenden Bundes- und Landesförderprogramme gegeben: Mit dem Bundes-Modellprojekt "Gemeinschaftlich wohnen, selbstbestimmt leben" werden beispielgebende gemeinschaftliche Wohnprojekte gefördert, die Vorbildwirkung entfalten und zur Nachahmung anregen. Anhand der Projekte wird zudem eine Analyse vorgenommen, um die Bedeutung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten gerade auch für das kommunale Leben aufzubereiten und darzustellen. Das Programm läuft bis Ende 2019. In Nordrhein-Westfalen werden Modellprojekte in Köln, Bielefeld und Hückeswagen gefördert. Für Modernisierungsmaßnahmen zur Beseitigung oder Verringerung von Barrieren in bestehenden Wohnungen vergibt die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) - Bankengruppe Zuschüsse oder zinsgünstige Darlehen im Rahmen des Programms "Altersgerecht umbauen". Hiermit können der leichtere Zugang zum Haus, der Einbau eines Aufzugs oder Treppenlifts oder notwendige Umbauten in Küche und Bad realisiert werden. Antragsberechtigt ist jede Investorin oder jeder Investor von förderfähigen Maßnahmen, zum Beispiel Wohnungseigentümergemeinschaften, Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften, Bauträger, Körperschaften, Anstalten des öffentlichen Rechts oder Privatpersonen wie zum Beispiel Selbstnutzer von Wohnimmobilien oder Mieter. Um dem Grundsatz, dass Menschen solange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung leben können, Rechnung zu tragen, wird bereits seit mehreren Jahren über die soziale Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen die Modernisierung von Bestandswohnungen gefördert. Die Richtlinien zur Modernisierung von Wohnungsbeständen sind seit dem 1. Februar 2018 neu in einer Richtlinie zusammengeführt, erheblich vereinfacht und zugleich wesentlich attraktiver gestaltet worden als bisher: Mit der Bestandsmodernisierung über die soziale Wohnraumförderung wird dafür Sorge getragen, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2265 3 dass Gebäude mit Wohnungen barrierefrei und energetisch saniert werden. Gleichzeitig wird über eine Mietpreisbindung für Mieterinnen und Mieter, die über eine geringe Zahlungskräftigkeit verfügen, erreicht, dass sie sich angemessen mit Wohnraum versorgen können. Das Landesbüro innovative Wohnformen.NRW bzw. die Träger der beiden Standorte für das Rheinland und Westfalen wurden – mit Unterbrechung - seit ungefähr 20 Jahren aus Landesmitteln gefördert. Die Förderung musste jährlich neu beantragt werden. Für das Jahr 2017 erhielten sie eine Förderung von je 75.000 Euro. Die Förderung lief zum 31. Dezember 2017 aus. Vor dem Hintergrund der Vermeidung von Doppel- und Parallelstrukturen wurde die Förderung des Landesbüros innovative Wohnformen.NRW eingestellt. Während vor 20 Jahren die Förder- und Beratungsstrukturen im Zusammenhang mit ambulanten Versorgungsstrukturen Lebensälterer noch im Aufbau waren, hat sich in der Zwischenzeit Vieles (weiter-) entwickelt. So hält zum Beispiel das – ebenfalls – landesseitig geförderte Landesbüro altengerechte Quartiere.NRW Informationen über innovative Wohnformen bereit (siehe u. a. unter www.aqnrw .de) und bietet konzeptionelle Beratungsleistungen, um das Verständnis zu zukunftssicheren Wohnperspektiven zu schärfen und damit frühzeitig Hemmnisse in der Planung zu umgehen. Die zuständigen Bewilligungsbehörden der Wohnraumförderung in den Kreisen und kreisfreien Städten unterstützen im konkreten Planungsprozess, um sicherzustellen, dass ein bedarfsgerechtes Wohnangebot entsteht und beraten bezüglich der Unterstützungsmöglichkeiten im Bereich Wohnraumförderung. Nordrhein-Westfalen verfügt zudem über ein flächendeckendes Angebot von Wohnberatungsstellen: 128 Wohnberatungsstellen arbeiten in Nordrhein-Westfalen in allen Fragen des Wohnens im Alter, bei Menschen mit Behinderungen, Pflegebedürftigkeit und Demenz. Ziel der Wohnberatung ist es, die (möglichst) selbständige Lebensführung in der eigenen Wohnung und im gewohnten Umfeld zu ermöglichen und/oder zu verlängern. Diese Wohnberatungsstellen, die sich in unterschiedlicher Trägerschaft befinden, übernehmen die Beratungspraxis vor Ort, indem sie bei Fragen zum Abbau von Barrieren in den Wohnungen und im Wohnumfeld unterstützen. Mithin existiert ein breit gefächertes und aufgestelltes Beratungs- und Informationsangebot in Nordrhein-Westfalen – auch in Bezug auf das Schaffen innovativer Wohnformen.