LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2279 29.03.2018 Datum des Originals: 29.03.2018/Ausgegeben: 05.04.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 838 vom 1. März 2018 der Abgeordneten Andreas Kossiski und Jochen Ott SPD Drucksache 17/2074 Statistische Erfassung von Hasskriminalität Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Straftaten gegenüber LSBTTI werden im Rahmen der polizeilichen Kriminalstatistik nicht mit der Opferspezifik LSBTTI erfasst. Insoweit lassen sich keine Aussagen über die Anzahl tatsächlich angezeigter Straftaten zum Nachteil von LSBTTI treffen. Erkenntnisse über das Ausmaß des Hellfeldes lassen ohne weiteres auch keine Einschätzungen über das Ausmaß eines möglichen Dunkelfelds nicht angezeigter Straftaten zu. Aufgrund bundesweiter Studien kann von einer hohen Dunkelziffer von ca. 90 Prozent ausgegangen werden.1 Aussagen über Straftaten zum Nachteil von LSBTTI können durch die konsequente Erfassung von Hasskriminalität im Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität (PMK) gewonnen werden. Der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus fordert, Hassverbrechen und Tatbestände rassistischer Diskriminierung und der Diskriminierung von LSBTTI vollständig in der Statistik auszuweisen. „Sie müssen differenziert nach betroffenen Gruppen ausgewiesen und Indikatoren entwickelt werden. Insbesondere ist die Engführung von Rassismus auf organisierten Rechtsextremismus aufzugeben.“2 Die Hasskriminalität ist im Jahr 2016 angestiegen. Laut Verfassungsschutzbericht wurden 2.376 Straftaten registriert, im Jahr 2015 waren es 1.802 Straftaten. 1 NRW-Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, Seite 31. 2 Seite 214 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2279 2 Die Bundesregierung hat gegenüber dem UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD-Ausschuss) zum Thema Hasskriminalität wie folgt Stellung genommen:3 „Seit Einführung des bundesweiten Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) wird Hasskriminalität in einer eigenständigen Kategorie der Statistik erfasst. Darüber hinaus werden diese Straftaten den aus der folgenden Tabelle zu entnehmenden Unterthemen zugeordnet, um die jeweilige Tatmotivation differenziert erfassen zu können: Themafeld/Oberthema Hasskriminalität Antisemitisch Behinderung Fremdenfeindlich Gesellschaftlicher Status Rassismus Religion Sexuelle Orientierung (außerdem können die Taten im KPMD-PMK nach Phänomenbereichen – PMK-rechts, -links, -Ausländer, -Sonstige – und Tatbeständen des Strafgesetzbuchs aufgeschlüsselt werden zudem werden ab dem 1. Januar 2017 darüber hinaus auch islamfeindliche, christenfeindliche und antiziganistische Straftaten gesondert als Unterthemen erfasst). In den Vorschriften des Meldedienstes ist klar geregelt, dass jeder Fall von Hasskriminalität zugleich politisch motiviert ist. Denn in der dort abgebildeten Definition der politisch motivierten Kriminalität (PMK) ist die Definition von Hasskriminalität als eine der Varianten der PMK integriert. Eine Tat wird u. a. bereits dann als „politisch motiviert“ im Sinne der PMK gewertet, wenn die Tat sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, „Rasse“, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richtet und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. oder in diesem Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt wird.“ Die protokollierenden Polizeibeamten nutzen bei der Prüfung auf eine politische Motivation diesen bundeseinheitlichen Themenfeldkatalog PMK“. So wird für die protokollierenden Polizeibeamten auch in der täglichen Praxis vergegenwärtigt, dass Hassdelikte im Rahmen des KPMD-PMK zu erfassen und über die spezialisierten Staatsschutzdienststellen und die Landeskriminalämter an das Bundeskriminalamt zu melden sind. Somit deckt die PMK – entgegen ihrem Titel – nicht nur „politische“ Straftaten im engeren Sinne ab. Vielmehr werden alle rassistisch, fremdenfeindlich, homophob oder transphob motivierten Straftaten im KPMD-PMK als Hasskriminalität erfasst, unabhängig davon, ob die jeweilige Tat durch eine gefestigte ideologische, bzw. politische Grundhaltung geprägt war. […] 3 Stellungnahme vom 19.07.2016 zu den Abschließenden Bemerkungen Randnummer 10 und 19 zu dem von der Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 9 Abs. 1 des Übereinkommens vorgelegten 19.-22. Staatenbericht (CERD/C/DEU/19-22), Nr. 10 b) (ii), Seite 13 ff., Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2279 3 PMK-Straftaten werden von den Länderpolizeien über die Landeskriminalämter an das Bundeskriminalamt (BKA) gemeldet, das die Daten zusammenführt und auswertet. In den Meldungen an das BKA sind im Hinblick auf das Tatopfer Geschlecht, Staatsangehörigkeit, der Status als Asylbewerber, der Geschädigten- bzw. Opferstatus und soweit tatrelevant auch Opfermerkmale anzugeben (wobei Politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, äußeres Erscheinungsbild, Behinderung, sexuelle Orientierung, gesellschaftlicher Status bei den Angaben zum Opferstatus beispielhaft aufgeführt sind). Bei Hasskriminalitätsdelikten ist auf Grund ihrer Gruppenbezogenheit der Opferstatus grundsätzlich tatrelevant.“ Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 838 mit Schreiben vom 29. März 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet. 1. Wie viele Fälle von Hasskriminalität sind im Jahr 2017 den zu Kriminalhauptstellen bestimmten Polizeipräsidien durch die Kreispolizeibehörden ihres jeweiligen Polizeibezirks angezeigt worden? (Bitte nach den anzeigenden Kreispolizeibehörden und nach den Themenfeldern des KPMD-PMK aufschlüsseln.) 2. Wie viele Fälle von Hasskriminalität sind im Jahr 2017 von den zu Kriminalhauptstellen bestimmten Polizeipräsidien erfasst und dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen gemeldet worden? (Bitte nach Kriminalhauptstellen und nach den Themenfeldern des KPMD-PMK aufschlüsseln.) Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Fallzahlen zu den beiden o. g. Meldewegen werden statistisch nicht erfasst. Eine Erhebung zu den nachgefragten Daten erfordert eine manuelle Auswertung jedes einzelnen Vorganges und ist in dem für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht möglich. Im Jahr 2017 wurden im Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) für Nordrhein-Westfalen insgesamt 1681 Straftaten unter dem Oberthema "Hasskriminalität" erfasst. 3. Wie viele Fälle von Hasskriminalität sind - bezogen auf das Jahr 2017 - vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen dem Bundeskriminalamt gemeldet worden und wie vielen Fällen davon sind tatrelevante Opfermerkmale gemeldet worden? (Bitte nach den tatrelevanten Opfermerkmalen aufschlüsseln.) Alle dem LKA gemeldeten politisch motivierten Straftaten werden im Rahmen des KPMD-PMK an das Bundeskriminalamt weitergeleitet. Sind relevante Opfermerkmale erkennbar, fließen diese in die Bewertung einer Straftat und die Auswahl der Themenfelder entsprechend ein. Diese Opfermerkmale werden nicht gesondert statistisch erfasst. Eine Erhebung zu den nachgefragten Daten erfordert eine manuelle Auswertung jedes einzelnen Vorganges und ist in dem für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht möglich. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2279 4 4. Sind der Landesregierung Fälle von Hasskriminalität im Jahr 2017 bekannt, die nicht von "spezialisierten Staatsschutzdienststellen" bearbeitet worden sind? Der Landesregierung sind derartige Fälle nicht bekannt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen.