LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2311 06.04.2018 Datum des Originals: 29.03.2018/Ausgegeben: 11.04.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 814 vom 20. Februar 2018 der Abgeordneten Sarah Philipp und Sven Wolf SPD Drucksache 17/2011 Ankündigungen reichen nicht! Wie bereitet die Landesregierung die Landesbetriebe BLB und Straßen.NRW auf die Nutzung von „Building Information Modeling“ (BIM) ab dem Jahr 2020 vor? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die mit der Digitalisierung einhergehenden Umwälzungen und Weiterentwicklungen stehen für die weitreichendsten Veränderungen der Wirtschafts- und Arbeitswelt seit Jahrzehnten. Während die Digitalisierung gerade in der produzierenden Industrie bereits seit Jahren Einzug gehalten hat, hat die Bauwirtschaft hier noch immenses Aufholpotential, welches diese durch eine nun umso größere Entwicklungsdynamik auszugleichen sucht. Das „Building Information Modeling“, das digitalisierte Bauen, ist das mit Abstand wichtigste Element der Digitalisierung der Wertschöpfungskette Bau. Von der Planung über die Ausführung bis zum Betrieb können alle Phasen eines Bauprojektes in einem 5D-Modell digital erfasst, katalogisiert und für alle Beteiligten „live“ verwendbar zur Verfügung gestellt werden. Durch die hierdurch erlangte Transparenz lassen sich insbesondere Streitigkeiten am Bau, Kompetenzgerangel und damit auch Kostensteigerungen und Zeitverzögerungen eindämmen. Für die Beschäftigten am Bau führt dies zu Weiterbildungsbedarfen und veränderten Berufsanforderungen, neue Berufe werden entstehen, andere hingegen in Zukunft nur noch in modifizierter Form erhalten werden können. Das „Building Information Modeling“ greift in nahezu alle Bereiche innerhalb der am Bau tätigen Unternehmen ein und bewirkt somit einen in Teilen radikalen Wandel in der Struktur und der Organisation von Unternehmen. Mit der Etablierung von „BIM“ ist sowohl für den Auftraggeber als auch für die Bauwirtschaft als Auftragnehmer ein immenses Investitionsvolumen verbunden. Dieses reicht von der Beschaffung BIM-tauglicher Software-Tools bis zur Weiterqualifizierung von Mitarbeitern. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2311 2 Wenn gerade kleine und mittelständische Bauunternehmen in neue Technologien investieren sollen, benötigen sie vor allem Planungssicherheit. Hierfür ist es notwendig, dass insbesondere große öffentliche Auftraggeber bei der Etablierung von „BIM“ vorangehen und der bauausführenden Seite praktikable Projektmodelle zur Verfügung stellen. Andernfalls entsteht erstens eine „Wissenslücke“ zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer und zweitens entsteht für die Bauausführung doppelte Arbeit, wenn sie analoge Daten der Planer erst aufwendig modellieren müssen. Ein durch alle Projektphasen reichendes Nutzen von „BIM“ muss das Ziel sein. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 814 mit Schreiben vom 29. März 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie sowie dem Minister für Verkehr beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Auf die Antwort der Landesregierung zur Kleinen Anfrage 815 wird hingewiesen. Eine wichtige Rolle für den Erfolg von BIM spielt die Verfügbarkeit von offenen Schnittstellen zum verlustfreien Austausch der Informationen zwischen den Software-Applikationen verschiedener Hersteller (openBIM). Mit dem IFC-Standard wurde so ein Datenmodell geschaffen, das in der aktuellen Version 4 ausschließlich die Modellierung von Gebäuden unterstützt. Durch die stark gestiegene Bedeutung von BIM sind jedoch für das nächste große Release IFC 5 umfassende Erweiterungen zur Beschreibung von Infrastrukturbauten (Straßen, Brücken und Tunnel) geplant. Hierzu wurden eigens mehrere Expertengruppen geschaffen, die sich mit dem Aufbau der verschiedenen IFC-Standards (Rail, Road und Bridge) beschäftigen. In diesen Expertengruppen arbeitet auch der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen. NRW) mit. Abschließende Ergebnisse liegen noch nicht vor. Bezogen auf Straßenplanung und -bau ist festzustellen, dass die Rahmenbedingungen, BIM als Standardplanungsinstrument festzulegen, noch nicht gegeben sind. Es werden zzt. lediglich Pilotprojekte durchgeführt. Für die Einführung von BIM im Bundesstraßenbau hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur einen Stufenplan vorgelegt, der vorsieht, dass ab Ende 2020 BIM regelmäßig im gesamten Verkehrsinfrastrukturbau bei neu zu planenden Projekten Anwendung finden soll. 1. Welche personellen Anforderungen sind in den beiden Landesbetrieben BLB und Straßen.NRW damit verbunden? Die Einführung von BIM im Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) erfolgt in aufeinander aufbauenden Schritten. Damit ist der BLB NRW in Bezug auf BIM Vorreiter in Nordrhein-Westfalen (NRW) und gehört auch deutschlandweit zu den ersten Bauherren, die sich im Rahmen einer strukturierten Implementierung der BIM-Methodik bereits in der praktischen Umsetzung befinden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2311 3 Der BLB NRW hat einen externen Berater zur Erstellung eines Konzeptes mit fortführenden Handlungsempfehlungen hinzugezogen. Seit 2013 werden Beschäftigte des BLB NRW in verschiedenen CAD-Systemen (computer-aided design) explizit in IFC (Industry Foundation Classes) und Navisworks (Autodesk Produkt) als Vorbereitung zur Modellüberprüfung geschult. Derzeit werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zentrale des BLB NRW zu BIM Professionals ausgebildet, die anschließend als Multiplikatoren im BLB NRW eingesetzt werden. Im Bereich des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen kann eine endgültige Aussage hinsichtlich der personellen Anforderungen noch nicht erfolgen, da diese im Zuge der Durchführung von Pilotprojekten genauer betrachtet und definiert werden müssen. 2. Welche neuen Qualifizierungen werden notwendig? Der BLB NRW wird zusammen mit dem externen Berater ein Schulungskonzept ausarbeiten, damit interne Qualifikationen und Know-How aufgebaut werden können. Der externe Berater wird Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Zentrale des BLB NRW ausbilden, die als Multiplikatoren interne Mitarbeiterschulungen eigenständig übernehmen können. Im Bereich des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen werden die entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das neue Rollenverständnis geschult. Hierbei werden Qualifizierungen bei den Fachdisziplinen im Umgang mit BIM-fähiger Software und objektorientiertem Arbeiten notwendig. 3. Entstehen dadurch neue Berufsfelder? Es wird Mitarbeiter geben, welche die neuen Rollen BIM-Manager, BIM-Gesamtkoordinator und BIM-Koordinator ausfüllen werden. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um neue Berufsfelder. 4. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass große Auftraggeber wie die beiden Landesbetriebe kleinere Bauunternehmen nicht durch die Vorgabe von Software- Tools von der Vergabe de facto ausschließen? Die Implementierung der BIM-Methode im BLB NRW erfolgt in Stufen und ist auf längere Zeit angelegt. Dadurch wird sichergestellt, dass keine zu hohen Anforderungen an die Projektbeteiligten gestellt werden und somit auch „BIM-unerfahrene“ Beteiligte diese umsetzen können. Die erste Stufe entspricht in vollem Umfang einer bis 2020 zu implementierenden BIM-Methode und schließt die Teilnahme von kleinen und mittelständischen Unternehmen an Projekten nicht aus. Hierbei ist gewährleistet, dass der Wettbewerb nicht eingeschränkt wird. Im Bereich des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen werden weiterhin die aktuell gültigen Haushalts- und Vergabevorschriften zu Grunde gelegt. Allen Unternehmen steht eine Teilnahme im Zuge eines öffentlichen Vergabeverfahrens offen. Es wird keine Vorgabe von Software-Tools geben. Die von den Firmen verwendete Software muss grundsätzlich BIMfähig sein und die zum Austausch benötigten Schnittstellen (IFC) bedienen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2311 4 5. Welche Fördermöglichkeiten sieht das Land für kleine und mittelständische Bauunternehmen vor, die Unterstützung bei der Etablierung von „BIM“ und der Anschaffung entsprechender Technik benötigen? Durch den NRW.BANK-Universalkredit und den NRW.BANK- Mittelstandskredit ist es möglich, dass sowohl Betriebsmittelkredite als auch Investitionsdarlehen finanziert werden. Wird dies zusätzlich mit einer Bürgschaft der Bürgschaftsbank verbunden, kann eine Risikoübernahme in Höhe von 80 % des Investitionsvolumens erfolgen. Darüber hinaus bietet sowohl die NRW.Bank als auch die KfW Spezialprogramme für Digitalisierungsinnovationen der kleinen und mittelständischen Unternehmen an. Alle Programme sind im Hausbankenverfahren zu beantragen. Neben der reinen monetären Förderung kommt im Rahmen der BIM-Implementation dem Wissenstransfer eine zentrale Bedeutung zu. Diesbezüglich sind die bauberufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts (Architekten-, Ingenieur, Industrie- und Handelskammern) in besonderer Weise gefordert, den Wissenstransfer zu organisieren.