LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2312 06.04.2018 Datum des Originals: 06.04.2018/Ausgegeben: 11.04.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 854 vom 7. März 2018 der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Markus Wagner AfD Drucksache 17/2127 Bekämpfung des Linksextremismus und Opferberatung bei linksextremistischer Gewalt in Nordrhein-Westfalen - Maßnahmen und Projekte der Landesregierung Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Landeszentrale für politische Bildung – Kampf gegen politischen Extremismus“ (Drucksache 17/1872), kann die Landesregierung mehrere Projekte im Rahmen der Bekämpfung des Rechtsextremismus benennen – inkl. der veranschlagten Mittel. Auch Projekte zur Bekämpfung des religiös motivierten Extremismus (z.B. Wegweiser) lassen sich im Haushalt 2018 eindeutig zuordnen. Im Gegensatz dazu konnte nicht ein Projekt zur Bekämpfung des Linksextremismus genannt werden. Es wird zwar darauf hingewiesen, dass jede Form des Extremismus bekämpft wird, eine Verifizierung dieser Aussage ist allerdings aufgrund fehlender Informationen unmöglich. Die Antwort auf die Kleine Anfrage „Maßnahmen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ (Drucksache 17/1866) hat ergeben, dass 13 Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit, die sich in der Trägerschaft der Wohlfahrtsverbände befinden, im Haushalt 2018 mit 854.140 € gefördert werden. Auch an dieser Stelle, im Einzelplan 7 wird kein Projekt zur Bekämpfung des Linksextremismus benannt. In Kapitel 07040 (Kinder- und Jugendhilfe) finden sich keine Projekte bzw. geförderte Organisationen/ Jugendgruppen, die sich in der Vergangenheit im Kampf gegen den Linksextremismus ausgezeichnet haben. In einer Stellungnahme zum Antrag der Fraktion der SPD "Wir brauchen ein Demokratiefördergesetz!" (Drucksache 17/508) von Dr. Rudolf van Hüllen (Stellungnahme 17/280) wird auf die Problematik, der seiner Meinung nach einseitigen Fixierung auf den Kampf gegen den Rechtsextremismus hingewiesen. In der Stellungnahme heißt es: „Die aktuelle Förderlandschaft spiegelt nach wie vor eine Konzentration auf den heute eher nachrangig wichtigen (deutschen) Rechtsextremismus wider: Nach Erhebungen des BKA vom April 2017 befassen sich drei Viertel der staatlich unterstützten Präventionsprojekte mit jeweils LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2312 2 einem Extremismusphänomen. Von ihnen waren 75 % auf Rechtsextremismus ausgerichtet, mit steigender Tendenz, 14 % auf Islamismus und 4 % auf Linksextremismus. Folgt man aber den vom Bundesamt für Verfassungsschutz erhobenen Zahlen, so ist der Rechtsextremismus der nach Anhängern zahlenmäßig kleinste Phänomenbereich extremistischer Bestrebungen. Bei den Gewaltstraftaten lagen Rechtsextremismus und Linksextremismus 2016 im Bundesmaßstab gleichauf; für 2017 dürfte der Linksextremismus an erster Stelle liegen - schon wegen der gehäuften schweren Gewaltstraftaten im Zusammenhang mit dem G20- Gipfel im Juli 2017 in Hamburg.“ In der 9. Sitzung des Innenausschusses hat Innenminister Herbert Reul ein Austeigerprogramm zum Linksextremismus angekündigt. Im Ausschussprotokoll (APr 17/166, S.16) wird er wie folgt zitiert: „Es befinde sich nicht mehr nur in Planung, sondern bereits in Arbeit.“ Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 854 mit Schreiben vom 6. April 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister der Finanzen, dem Minister des Innern sowie dem Minister der Justiz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen hat die Aufgabe, die demokratische Kultur im Land zu fördern. Dazu gehört auch die Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen für jegliche Form von politischem und religiösem Extremismus. Keine demokratiegefährdende Entwicklung wird dabei ausgeblendet oder bleibt unberücksichtigt. Es werden alle Erscheinungsformen von politischem und religiösem Extremismus ihrer Bedeutsamkeit entsprechend zum Gegenstand der politischen Bildungsarbeit gemacht. 1. Wie soll das von Innenminister Herbert Reul angekündigte Aussteigerprogramm gegen Linksextremismus ausgestaltet werden, bezüglich Starttermin, Inhalt und Fördersumme? Das Aussteigerprogramm wird vollumfänglich aus Personal- und Sachmitteln des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen finanziert und ist in der Abteilung Verfassungsschutz angesiedelt. Darüber hinaus wird auf die Antwort zur Großen Anfrage 3 (LT-Drs. 17/2258) verwiesen, insbesondere mit Blick auf Fragekomplex V und die zugehörigen Fragen 1 und 2. 2. Auf den Internetseiten des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, des Innenministeriums und der Internetseite der Landeszentrale für politische Bildung finden sich zahlreiche Projekte, die dem Kampf gegen den Rechtsextremismus dienen. Warum ist die Landesregierung, im Gegensatz zu den zahlreichen Projekten zur Bekämpfung des Rechtsextremismus oder auch des religiösen Extremismus, nicht in der Lage auch nur ein bestehendes Projekt zur Bekämpfung des Linksextremismus inkl. der Fördersumme, im Haushalt 2018 oder bei der Beantwortung kleiner Anfragen zu benennen? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2312 3 Es wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Fragen 1 und 5 der Kleinen Anfrage 673 (LT-Drs. 17/1872) verwiesen. Die Finanzmittel der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen bestehen zu einem erheblichen Teil aus Fördergeldern für Dritte, die diese Fördermittel für eine Vielzahl von Themen verwenden können. Eine Aufschlüsselung nach Themenbereichen ist aufgrund der multiphänomenalen Ausrichtung von Projekten, der fluiden gesellschaftlichen Bedarfslagen und angesichts der Themenvielfalt der Angebote nicht erforderlich. Im Sinne einer präventiven Demokratiearbeit ist die gewünschte quantifizierende und themenhomogene Aufschlüsselung nicht möglich, da die Projekte zur Demokratie- und Wertebildung auf der Basis von Grund- und Menschenrechten der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen gegen politischen und gewaltbereiten Extremismus jedweder Art gerichtet sind und das Ziel verfolgen, die demokratische Kultur im Land zu fördern. Ähnliches gilt für die aus dem Kinder- und Jugendförderplan finanzierten Angebote der Jugendarbeit, die sich aus der gesetzlichen Aufgabe der Träger ergeben, junge Menschen zu demokratischer Teilhabe und zur Auseinandersetzung mit friedlichen Mitteln zu befähigen. Die Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit sowie der Jugendsozialarbeit befördern die kritische Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Einstellungen und Verhaltensweisen. Die Kinder- und Jugendhilfe leistet daher im Rahmen ihres allgemeinen gesetzlichen Auftrages wichtige Beiträge zur Vorbeugung jeder Art extremistischer Orientierungen und Handlungen. Eine Aufschlüsselung der Angebote, die sich gezielt oder ausschließlich gegen Linksextremismus richten, ist nicht möglich. 3. Ohne eindeutige Nennung von konkreten Projekten und der entsprechenden Fördersummen im Haushalt ist keine Verifizierung der Maßnahmen im Kampf gegen den Linksextremismus möglich. Welche anderen Möglichkeiten der Kontrolle über das Vorhandensein, inkl. der jeweiligen Fördersummen, derartiger Maßnahmen gibt es? Die Kontrollmöglichkeiten des Parlaments gegenüber der Regierung regeln die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen (Art. 30, 41 und 65) sowie die Geschäftsordnung des Landtags von Nordrhein-Westfalen (§§ 59, 60, 61, 70, 75, 81, 83, 88, 89, 92, 94, 95). 4. Laut Verfassungsschutzbericht und Polizeilicher Kriminalstatistik lässt sich ermitteln, wie viele Personen dem jeweiligen extremistischen Spektrum zuzuordnen sind und wie sich die Anzahl der Straftaten auf die jeweiligen Gruppen quantitativ verteilt. Warum verteilt die Landesregierung bei der Extremismusbekämpfung die finanzielle Förderung nicht analog dieser Kennzahlen? Präventive Demokratiearbeit bemisst sich nicht an polizeilichen Kriminalitätsstatistiken bzw. kriminal-polizeilichen Meldediensten der Politisch motivierten Kriminalität, sondern an den Werten des Grundgesetzes. Eine Verteilung der finanziellen Förderung von Projekten gemäß der polizeilichen Kriminalstatistik würde Straftaten zu einer Voraussetzung machen. Eine derartige Verteilung der finanziellen Förderung widerspricht dem Grundgedanken von Primärprävention gegen politischen und religiösen Extremismus. Diese ist darauf ausgerichtet, die demokratische LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2312 4 Haltung der Bürgerinnen und Bürger im Land zu fördern und die Entstehung von extremistischen Haltungen und Handlungen so gut wie möglich zu verhindern – und zwar bevor es zu etwaigen Straftaten gekommen ist. 5. Weder auf der Internetseite des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, des Innenministeriums noch auf der Internetseite der Landeszentrale für politische Bildung finden sich Informationen über Ansprechpartner für Opfer linkextremistischer Gewalt. Die auf der Internetseite der Landeszentrale für politische Bildung erwähnte Opferberatung richtet sich ausdrücklich an Opfer rechtsextremistisch motivierter oder rassistischer Gewalt. An wen können sich die nicht erwähnten Opfer linkextremistischer Gewalt wenden, um im Schadensfall juristische, psychologische und finanzielle Hilfe zu erhalten? Die Opferschutzangebote der Polizei stehen allen von Straftaten betroffenen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung, unabhängig von der Deliktsart, der Täterstruktur und des erlittenen Schadens. Jede Polizeibehörde verfügt über mindestens eine Opferschutzbeauftrage bzw. einen Opferschutzbeauftragten, die speziell für dieses Thema fortgebildet sind. Sie halten umfangreiches Informationsmaterial über die zahlreichen Opferhilfeleistungen für alle Bürgerinnen und Bürger bereit, vermitteln weitergehende Hilfsangebote und stellen bei Bedarf den entsprechenden Kontakt zu Hilfseinrichtungen her. Im Strafverfahren kann den Verletzten linksextremistischer Gewalt bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt (§§ 397a Absatz 1 und 406h Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und Absatz 4 der Strafprozessordnung [StPO]), Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gewährt (§§ 397a Absatz 2, 406h Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 StPO) und/oder eine psychosoziale Prozessbegleitung beigeordnet werden (§ 406g Absatz 3 StPO).