LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2316 09.04.2018 Datum des Originals: 09.04.2018/Ausgegeben: 12.04.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 859 vom 5. März 2018 des Abgeordneten Helmut Seifen AfD Drucksache 17/2136 Gibt es Parallelgesellschaften in Nordrhein-Westfalen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage „Es ist nicht genug zu wissen - man muss auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen - man muss auch tun“. Johann Wolfgang v. Goethe, in: Wilhelm Meisters Wanderjahre, Kapitel 71 Der Begriff der „Parallelgesellschaft“ wurde erstmals vom Bielefelder Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer geprägt. In einem Beitrag für die Wochenzeitung DIE ZEIT erklärte er im Jahr 1996: „Es besteht die Gefahr, dass religiös-politische Gruppen eine schwer durchschaubare 'Parallelgesellschaft' am Rande der Mehrheitsgesellschaft aufbauen könnten".1 Die schon seinerzeit offenkundig zutage tretenden Schwierigkeiten der Integration nichtwestlicher Migranten haben sich aktuell noch beträchtlich verstärkt. Insbesondere die 2015 getroffene Entscheidung der deutschen Bundesregierung, das Dublin-Abkommen auszusetzen und die bundesdeutschen Grenzen unkontrolliert zu öffnen, haben die schon zuvor bestehenden Schwierigkeiten der Integration in ganz Europa noch einmal dramatisch verschärft. So hat die aktuelle dänische Regierung ein Aktionsprogramm beschlossen, das den Titel „Ein Dänemark ohne Parallelgesellschaften – keine Ghettos im Jahr 2030“ trägt, wie die Neue Zürcher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 02. März 2018 berichtet. Von der dänischen Regierung werden dem Programm fünf Kriterien zugrunde gelegt, die an einem räumlich begrenzten Ort zur Bildung von Parallelgesellschaften führen. 1. Eine Mehrheit 1 http://www.zeit.de/1996/35/heitmey.txt.19960823.xml/komplettansicht LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2316 2 an Personen mit nichtwestlichem Hintergrund. 2. Niedriges Ausbildungsniveau. 3. Niedriges Einkommensniveau. 4. Hohe Arbeitslosigkeit. 5. Eine hohe Kriminalitätsrate. Erfüllt ein Wohngebiet drei der Kriterien, gilt es für die dänische Regierung als Parallelgesellschaft. Auf Grundlage dieser Kriterien hat die konservativ-liberale Regierung in Kopenhagen 22 Problembezirke benannt, in denen Parallelgesellschaften entstanden sind, welche der dänischen Politik nunmehr beschäftigen. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 859 mit Schreiben vom 9. April 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern sowie dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Kleine Anfrage nimmt Bezug auf die Studie "Ét Danmark uden parallelsamfund - Ingen ghettoer i 2030". Diese liegt nach hiesigen Informationen nur auf Dänisch vor und kann daher im Detail fachlich nicht beurteilt werden. Die in verschiedenen Zeitungsberichten zur Studie wiedergegebenen Informationen weisen darauf hin, dass darin eine Konkretisierung des Begriffs „Parallelgesellschaft“ anhand nachprüfbarer sozio-ökonomischer Indikatoren vorgenommen wird. 1. Nach welchen Kriterien definiert die Landesregierung Problemgebiete, in denen sich parallelgesellschaftliche Strukturen entwickelt haben? 2. Gibt es nach Einschätzung der Landesregierung Parallelgesellschaften in Nordrhein-Westfalen? (Bitte verwenden Sie zur Beantwortung der Frage die oben angefügten Definitionskriterien) 3. Welche Stadtteile in Nordrhein-Westfalen erfüllen bei Zugrundelegung der in Dänemark verwendeten Kriterien den Sachverhalt einer Parallelgesellschaft in Nordrhein-Westfalen? (Bitte benennen Sie die getroffene Einschätzung mit den dafür zugrunde liegenden Daten) Die Fragen 1, 2 und 3 werden zusammen beantwortet: Die Landesregierung nimmt keine Definition der 396 Kommunen in Nordrhein-Westfalen und von Stadtteilen nach den dänischen Kriterien für eine Parallelgesellschaft vor. Wenn sich vor Ort Entwicklungen zeigen, die gegen das friedliche Miteinander von Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte gerichtet sind, geht die Landesregierung dagegen sowohl mit repressiven als auch mit integrationspolitischen Maßnahmen aktiv vor. 4. Welche Stadtteile sind aus Sicht der nordrhein-westfälischen Polizei auffällige Problembezirke, die den oben genannten sozialwissenschaftlichen Sachverhalt einer Parallelgesellschaft erfüllen würden? (Bitte ergänzen Sie die getroffenen Einschätzungen mit den dafür vorliegenden statistischen Angaben) In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden die in Dänemark neben der Kriminalitätslage herangezogenen Kriterien nicht erfasst. Der Landesregierung liegen die zur Beantwortung der Frage erforderlichen Daten insoweit nicht vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2316 3 5. Welche aktuellen Handlungskonzepte verfolgt die Landesregierung zur Vermeidung bzw. Auflösung von Parallelgesellschaften? Die Landesregierung will mehr Verlässlichkeit und mehr Verbindlichkeit in der Integrationspolitik. Das zentrale Ziel ihrer Integrationspolitik ist die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und die Schaffung gerechter Chancen auf Teilhabe für Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte. Dazu gehört die unbedingte Achtung der geltenden Rechtsordnung durch alle hier lebenden Menschen. Hinsichtlich der integrationspolitischen Handlungskonzepte der Landesregierung wird auf die Kleine Regierungserklärung im Integrationsausschuss am 20. September 2017 (Vorlage 17/183) verwiesen.