LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2343 11.04.2018 Datum des Originals: 10.04.2018/Ausgegeben: 16.04.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 832 vom 28. Februar 2018 der Abgeordneten Heike Gebhard SPD Drucksache 17/2067 Gesetzliche Krankenversicherung auch für Beamtinnen und Beamte - Was hält die Landesregierung vom Modell Hamburg? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Hamburger Bürgerschaft berät derzeit ein Gesetzentwurf, nachdem auch Beamtinnen und Beamten eine Pauschale erhalten, um sich in der Gesetzlichen Krankenversicherung versichern zu lassen. Bisher haben Beamtinnen und Beamten einen Behilfeanspruch gegenüber dem Dienstherren, dieser beträgt mindestens 50% der angefallenen Kosten. Für die Differenz zu 100% muss der Beschäftigte eine Versicherung abschließen, dies ist bisher nur bei einer Privaten Krankenversicherung möglich. Verbleibt er oder sie dagegen in der Gesetzlichen Krankenversicherung, so besteht derzeit nur ein theoretischer Beihilfeanspruch. Da aber durch die GKV alle Sach- und Dienstleistungen getragen werden, wird regelmäßig keine Beihilfe gewährt. Dies hat zur Konsequenz, dass wie bei Selbstständigen, alle Kosten für die GKV selbst getragen werden müssen. Der Hamburger Senat will mit dem Gesetzentwurf nun der Beamtenschaft die Wahlfreiheit zwischen der GKV und der PKV mit und ohne Beihilfe geben. Allen Nicht-Behilfeempfänger soll zukünftig auf Antrag auf die Hälfte der Krankenversicherungskosten als Pauschale erhalten. Auch für NRW könnte ein solches Modell sinnvoll sein, da es je nach individueller Lebenslage für den einzelnen Beschäftigten zweckmäßiger sein kann, Mitglied der GKV zu bleiben bzw. zu werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2343 2 Der Minister der Finanzen hat die Kleine Anfrage 832 mit Schreiben vom 10. April 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. 1. Wie viele Beamtinnen und Beamte sind derzeit aktiv im Dienst freiwillig gesetzlich versichert und somit de facto nicht beihilfeberechtigt? Die Schlussfolgerung, freiwillig gesetzlich versicherte Beamtinnen und Beamte seien de facto nicht beihilfeberechtigt, ist nicht zutreffend. In zahlreichen Fällen werden Beihilfen gezahlt. Dies gilt insbesondere, wenn die Beamtinnen und Beamten das Kostenerstattungsverfahren bei ihrer Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wählen. Die Anzahl der in der GKV freiwillig versicherten aktiven Beamtinnen und Beamten wird statistisch nicht erfasst. Der Landesregierung liegen daher hierzu keine Zahlen vor. 2. Wie hoch wären die Kosten, wenn sich das Land an deren Beiträge mit 50 % beteiligen würde? Da die Anzahl der in der GKV versicherten Beamtinnen und Beamten nicht vorliegt, kann auch keine konkrete Angabe zu den Mehrausgaben gemacht werden. Hinzu kommt, dass die Höhe des „Arbeitgeberzuschusses“ grundsätzlich von der individuellen Besoldungshöhe der Betroffenen abhängen würde. Der Höchstzuschuss für eine freiwillig gesetzlich versicherte Beamtin bzw. einen freiwillig gesetzlich versicherten Beamten beträgt im Jahr 2018 monatlich 323,03 Euro (7,3 Prozent von 4.425 Euro monatlich bei der Beitragsbemessungsgrenze von jährlich 53.100 Euro) = 3.876,36 Euro jährlich. Hinzu kämen Beihilfeleistungen zu Aufwendungen für Pflege, gegebenenfalls Rehabilitation und sonstigen beihilferechtlichen Fürsorgeleistungen. Demgegenüber steht der Pro-Kopf-Aufwand aller aktiven Beihilfeberechtigten in Nordrhein-Westfalen in Höhe von rund 2.250 Euro (geschätzt für das Jahr 2018, für das Jahr 2017 = 2.239 Euro). 3. Wie steht die Landesregierung zu den Plänen des Hamburger Senats, eine solche Regelung einzuführen? Die Landesregierung lehnt eine Übernahme des Hamburger Modells für die Beamtinnen und Beamte und Richterinnen und Richter des Landes Nordrhein-Westfalen ab. Es ist davon auszugehen, dass eine solche Regelung zum einen zu zusätzlicher Bürokratie führen und zum anderen den Landeshaushalt zusätzlich belasten würde. So geht Hamburg selbst von einer jährlichen Mehrbelastung von 5,8 Millionen Euro für den aktuellen Personalkörper mit seinen in der GKV freiwillig gesetzlich versicherten Beamtinnen und Beamten in Hamburg aus; für Nordrhein-Westfalen würde sich aufgrund des weitaus größeren Personalkörpers ein Mehrfaches dieser zusätzlichen Belastung ergeben. Hinzu kommt der Personenkreis der neu einzustellenden Beamtinnen und Beamten, die in der Regel in dem ersten Jahrzehnt ihrer Beamtenzeit für die Beihilfe kaum Kosten verursachen. Soweit diese Personen nach dem Hamburger Modell die Pauschale wählen würden, entstünde grundsätzlich eine Mehrbelastung des Haushalts. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2343 3 Das Hamburger Modell dürfte trotz einer reduzierten Anzahl von Beihilfeanträgen mit höherem Verwaltungsaufwand verbunden sein, da z.B. zu Pflegeaufwendungen weiterhin Beihilfen zu zahlen wären und zusätzlich die jährlichen Beitragsrückerstattungen der privaten Krankenversicherungen aufwändig anteilsmäßig ermittelt und von den Betroffenen zurückgefordert werden müssten. Zusätzlich müssten Beitragsanpassungen (i.d.R. jährlich) bei der monatlichen Pauschale berücksichtigt werden. Soweit erkennbar würden Beihilfeberechtigte, die die Pauschale (s.o.) wählen würden, künftig z.B. keine Leistungen mehr zu Rehabilitationsaufwendungen erhalten, da die GKV bei aktiven Beschäftigten hierzu keine Leistungen erbringt und Ansprüche gegenüber dem Rentenversicherungsträger nicht für Beamtinnen und Beamte bestehen. Damit wären die Betroffenen schlechter gestellt als bundesweit alle anderen Arbeitnehmer und Beihilfeberechtigten. Dies müsste gegebenenfalls durch einen ergänzenden Beihilfeanspruch ausgeglichen werden. Zudem bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Hamburger Modell. So dürfte der Dienstherr verfassungsrechtlich darin gehindert sein, die Krankenfürsorge für seine Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter insgesamt auf ein verselbständigtes Krankenversorgungssystem zu übertragen (verfassungsrechtliches Delegationsverbot). Spiegelbildlich dürfte der o.g. Personenkreis auch darin gehindert sein, auf seinen individuellen Beihilfeanspruch zu verzichten (verfassungsrechtliches Verzichtsverbot). Darüber hinaus steht die Landesregierung auch politisch zu ihrem klaren Bekenntnis zum Berufsbeamtentum mitsamt seiner hergebrachten Grundsätze. Dies dient insbesondere dem Ziel, den Öffentlichen Dienst so attraktiv wie möglich zu halten und die hervorragenden Leistungen der Beamtinnen und Beamten anzuerkennen. Maßnahmen, die diese Grundsätze in Frage stellen, lehnt die Landesregierung ab.