LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2416 18.04.2018 Datum des Originals: 18.04.2018/Ausgegeben: 23.04.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 884 vom 20. März 2018 der Abgeordneten Helmut Seifen und Nic Peter Vogel AfD Drucksache 17/2217 Wieso kann NRW nicht einmal den Leibwächter bin Ladens abschieben? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Auf seiner ersten Pressekonferenz im Jahr 2018 kündigte Ministerpräsident Armin Laschet am 15.01.2018 an, ein Gesetzespaket zur Inneren Sicherheit, zur Durchsetzung des Rechtsstaates und zur konsequenten Abschiebung von islamistischen Gefährdern vorzulegen1. Einer der gravierendsten Fälle von ausreisepflichtigen Gefährdern in Nordrhein- Westfalen ist der Fall von Sami A. Bereits im Oktober 2012 äußerte der damalige innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Peter Biesenbach, sein Unverständnis darüber, dass der in Bochum lebende tunesische Dschihadist immer noch unbehelligt in Deutschland lebe und dabei nahezu 20.000 Euro durch staatliche Transferleistungen an Steuergeldern erhalten habe (Stand: September 2012 nach Vorlage 16/127). Und dies, obgleich über den tunesischen Dschihadisten Erkenntnisse vorliegen, dass er einer der Leibwächter des Al-Qaida-Terroristen Osama bin Laden gewesen sei. „Sami A. stellt eine terroristische Gefahr dar", erklärte Peter Biesenbach im Innenausschuss am 06. September 2012. Dafür sprächen nicht nur seine mutmaßlichen Kontakte zu den Attentätern des 11. September 2001. Überdies soll Sami A. nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft auch zur Radikalisierung zweier Mitglieder der sogenannten "Düsseldorfer Zelle" beigetragen haben, die wegen eines versuchten Bombenanschlages verurteilt wurden. Da es aktuell keinen Abschiebestopp für Tunesien gebe, könne A. jedoch in sein Heimatland zurückkehren, wurde Peter Biesenbach nach der Sitzung des Landtagsinnenausschusses in 1 http://www.rp-online.de/nrw/landespolitik/armin-laschet-55-milliarden-euro-fuer-die-sicherheit-in-nrwaid -1.7323450 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2416 2 der Presse zitiert. Das Innenministerium könne eine sofortige Abschiebung verfügen, ohne sich mit anderen Behörden abstimmen zu müssen, erklärte Peter Biesenbach, der mittlerweile das Amt des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen übernommen hat.2 Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 884 mit Schreiben vom 18. April 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister der Justiz beantwortet. 1. Stellt nach Ansicht der Landesregierung der Tunesier Sami A. weiterhin eine „terroristische Bedrohung“ dar? Die Sicherheitsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen bewerten Personen des islamistisch-terroristischen Spektrums fortlaufend im Hinblick auf von ihnen ausgehende Gefahren. Diese Bewertungen bilden die Grundlage für lageangepasste Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, Strafverfolgung und ggf. weiteren behördlichen Maßnahmen. Diese Bewertungen sind grundsätzlich nicht zur Veröffentlichung geeignet, da diese sehr wahrscheinlich den Erfolg solcher Maßnahmen verhindern würde. 2. Wieso wurde Sami A. nicht wegen der Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a StGB vor Gericht gestellt? Auf die Antwort zu Frage 1 des Abgeordneten Kruse, MdL, vom 23. August 2012 für die Sitzung des Innenausschusses am 6. September 2012 zu TOP 1 „Der Fall Sami A.“ (LT- Vorlage 16/127, Seite 3) wird Bezug genommen. Mit der Einführung von § 129b des Strafgesetzbuchs zum 30. August 2002 wurde der Geltungsbereich von § 129a des Strafgesetzbuchs auf Auslandstaten erstreckt. Dies gilt wegen des Rückwirkungsverbots nach § 1 des Strafgesetzbuchs nicht für frühere Taten. Weitergehende Auskünfte sind der Landesregierung nicht möglich, weil ihr Geschäftsbereich nicht berührt ist. Für die Verfolgung von Straftaten nach § 129a des Strafgesetzbuchs, auch in Verbindung mit § 129b des Strafgesetzbuchs, ist gemäß § 142a Absatz 1 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit § 120 Absatz 1 Nummer 6 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof primär zuständig. Eine Verfahrensabgabe nach § 142a Absatz 2 Nummer 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes an die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf ist nicht erfolgt. 3. Was hindert die Landesregierung bis heute daran, der Einschätzung und den Ankündigen des Justizministers Peter Biesenbach aus dem Jahr 2012 zum Fall Sami A. Taten folgen zu lassen? Einer Abschiebung nach Tunesien stehen Abschiebungsverbote entgegen (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, Art. 3 EMRK). Der Versuch des zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, die im Asylverfahren festgestellten Abschiebungsverbote zu widerrufen, scheiterte sowohl vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen als auch vor dem Oberverwaltungsgericht Münster. Das Oberverwaltungsgericht stellte in seiner (unanfechtbaren) Entscheidung vom 03.04.2017 fest, dass die seit der Feststellung des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG a. F. geänderten Umstände in Tunesien noch nicht dazu geführt haben, dass dem 2 https://www.welt.de/regionales/duesseldorf/article110273755/CDU-will-Ex-Bin-Laden-Leibwaechterabschieben .html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2416 3 Kläger bei einer Rückkehr nach Tunesien nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen. 4. Wie hoch sind aktuell die von Sami A. in Anspruch genommenen und vom Steuerzahler finanzierten Leistungen? Die aktuell von Herrn A. in Anspruch genommenen Hilfeleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz betragen monatlich 1.167,84 €. 5. Wieso wird der ausreisepflichtige Sami A. nicht in ein anderes Land ausgewiesen als in sein Herkunftsland Tunesien? Andere zur Aufnahme des Sami A. bereite oder verpflichtete Länder sind nicht ersichtlich.