LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2424 19.04.2018 Datum des Originals: 18.04.2018/Ausgegeben: 24.04.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 883 vom 16. März 2018 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/2210 Zunehmende Angriffe unsere Freunde und Helfer: Immer häufiger trifft es mittlerweile unsere Polizistinnen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Immer mehr Polizisten – und vor allem Polizistinnen – in Nordrhein-Westfalen werden im Zuge Ihrer Amtsausübung im Einsatz Opfer von tätlichen Angriffen, die sich laut übereinstimmenden Medienberichten von Schubsereien, Tritten, Schlägen bis hin zu Angriffen mit Gegenständen erstrecken. Die RP meldet dazu eine erschreckende ‚Taktung‘: Im vergangenen Jahr kam es laut Gewerkschaft alle 36 Minuten zu einem Angriff. Die WZ meldete am 15. März 2018 einen Anstieg um 50% bei den Widerstandshandlungen bzw. Gewalttaten gegen Polizeibeamte des Landes in den vergangenen 5 Jahren. In Fallzahlen ausgedrückt wurden 2017 laut Statistik 7058 dieser Fälle registriert. Dazu machte zuletzt ebenso eine Meldung Schlagzeilen, nach der einem 26-jährigen Beamten im Einsatz das Nasenbein zertrümmert wurde und weitere Kollegen durch Pfefferspray verletzt wurden. Ein zusätzliches, sich immer weiter verschärfendes Problem, ist die Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber Polizistinnen im Einsatz. Dazu meldeten die Westfälischen Nachrichten am 14. März von der Bundesfrauenkonferenz, daß „… gerade Polizistinnen immer häufiger Opfer von Angriffen würden. Im Jahr 2015 wurden in Münster 38 Polizistinnen, im Jahr 2016 sogar 67 Polizistinnen und im Jahr 2017 eben 56 Polizistinnen bei Einsätzen verletzt.“ 1 An zusätzlicher Aktualität gewinnt die Problematik durch die gestern erfolgte Warnung der Polizei in NRW, daß tätliche Auseinandersetzungen durch den Einsatz von Messern auf den Straßen an Rhein und Ruhr immer gefährlicher würden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2424 2 Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert, erklärte dazu: „Nach Beobachtungen meiner Kollegen führen immer mehr Jugendliche und Heranwachsende Messer mit sich und drohen damit bei Auseinandersetzungen“. 2 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 883 mit Schreiben vom 18. April 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Sie wird nach bundes-einheitlich festgelegten Regeln erstellt. In der PKS werden Daten zu Geschädigten nur zu den sogenannten Opferdelikten (Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit, die Ehre und die sexuelle Selbstbestimmung) erfasst. Das Kriterium der Opferspezifik ermöglicht darüber hinaus, Angaben zu Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten (PVB) als Opfer zu machen. Art und Umfang von Verletzungen gehören nicht zu den Daten, die zu den sogenannten Opferdelikten erfasst werden. 1. In der Berichterstattung der WN berufen sich die Redakteure auf die Fallzahlen aus Münster, wonach im vergangenen Jahr 56 Beamtinnen im Einsatz verletzt wurden. Wie stellt sich die Situationen im gesamten Bundesland Nordrhein- Westfalen dar? Bitte schlüsseln Sie die Antwort / Fallzahlenangabe nach Regierungsbezirken auf! Art und Umfang von Verletzungen gehören nicht zu den Daten, die zu den sogenannten Opferdelikten erfasst werden. Die Kreispolizeibehörden (KPB) führen gesonderte Aufzeichnungen über im Einsatz entstandene Verletzungen ihrer PVB, die nicht den Erfassungsgrundlagen der PKS entsprechen und statistisch nicht valide sind. 2. Zur Einordnung und Analyse von Fallzahlen ist es entscheidend, wie viele Polizistinnen bei den Einsätzen prozentual zum Einsatz kamen und unmittelbar beteiligt waren. Wie hoch ist der prozentuale Anteil von Frauen im täglichen Polizei-Einsatz in der unmittelbaren Verbrechensbekämpfung am ‚Tatort‘? Die für die Beantwortung der Frage notwendige Auswertung liegt landesweit zentral nicht vor und müsste bei allen KPB manuell erhoben werden. Dies ist ohne unverhältnismäßigen Erhebungsaufwand in der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3. Welche Schutz- bzw. Präventionsmaßnahmen werden Polizistinnen im Einsatz oder auch schon im Vorfeld zuteil, die sie vor dieser steigenden Zunahme einer besorgniserregenden Entwicklung schützen sollen? Der Schutz aller PVB vor jeglicher Form von Gewalt und deren Folgen hat für die Landesregierung höchste Priorität. Dazu verfolgt die Polizei Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren einen ganzheitlichen Ansatz bei der Bewältigung von gewalttätigen Einsatzlagen. Gezielte Kommunikation und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2424 3 Deeskalation auf der einen Seite sowie konsequentes Einschreiten gegen Straftäterinnen und Straftäter auf der anderen Seite sind wesentliche Bausteine dieses Konzeptes. In der Polizei Nordrhein-Westfalen ist im Umgang mit Gewalt gegen PVB bereits ein guter Standard in den Bereichen Aus- und Fortbildung, Betreuung, Belastung, Nachbereitung und Ausstattung erreicht, der - falls erforderlich - der jeweiligen Gefahren- bzw. Gewaltlage angepasst wird. Die Ausbildung der Polizei Nordrhein-Westfalen im Rahmen eines Bachelor-Studiengangs bereitet die Beamtinnen und Beamten in Theorie, Training und Praxis sehr intensiv und umfassend auf die vielfältigen Einsatzsituationen des polizeilichen Alltags vor. Dies trifft auch auf den Umgang mit Personen zu, die den PVB respektlos und/oder gewalttätig gegenübertreten. So wird sichergestellt, dass den Studierenden alle Kompetenzen vermittelt werden, die notwendig sind, um angemessen und rechtskonform mit den geschilderten Situationen und Problemstellungen umzugehen. Auf der Grundlage dieses theoretischen Wissens wird das Themenfeld Gewalt gegen PVB einschließlich aggressiver und respektloser Verhaltensweisen in den berufspraktischen Trainings beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen (LAFP) in verschiedenen Fachmodulen für die Kernbereiche der polizeilichen Arbeit, Gefahrenabwehr/Einsatz, Kriminalitätskontrolle und Verkehrssicherheitsarbeit berücksichtigt und intensiv behandelt. Auf den Inhalten der Ausbildung aufbauend werden alle PVB stetig und situationsspezifisch fortgebildet. Besonders hervorzuheben ist in diesem Kontext das Einsatztraining der Polizei Nordrhein-Westfalen. Im Hinblick auf den Schutz vor psychischen und körperlichen Gesundheitsgefährdungen infolge erfahrener Belastungen bietet das LAFP für die PVB verhaltensorientierte Seminare und Fortbildungen an. Dazu zählen Stressbewältigungstrainings wie auch Veranstaltungen zur Prävention von Belastungsstörungen und die Nachbereitung besonders belastender Ereignisse. Zudem steht allen Beschäftigten der Polizei Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit offen, das Beratungs- und Unterstützungsangebot des Sozialwissenschaftlichen Dienstes des LAFP in Anspruch zu nehmen. Weitere Beratungs- und Unterstützungsangebote für die PVB gibt es in den einzelnen KPB. Hier stehen ihnen soziale Ansprechpartner und auch die Polizeiseelsorger zur Seite. Um die PVB bei ihrer täglichen Arbeit bestmöglich vor Gewalt zu schützen, hat das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit umgesetzt. So wurden neben der persönlichen Unterziehschutzweste für alle operativ tätigen PVB, speziell für den Wachdienst u. a. Pfefferspray, neue Dienstwaffen, Einsatzschutzhelme sowie Einsatzmehrzweckstöcke beschafft. Die Bodycam soll der zunehmenden Gewalt gegen Polizeibeamte entgegenwirken und so ebenfalls die Eigensicherung der Einsatzkräfte verbessern. Eine flächendeckende Ausstattung soll noch in diesem Jahr beginnen. Die Bereitschaftspolizei wurde mit verbesserten Einsatzschutzanzügen, Körperschutzausstattungen und mit dem Reizstoffsprühgerät RSG 4 ausgestattet. Im Zuge der terroristischen Bedrohungslage in den vergangenen Jahren wurden für die Wachdienstkräfte und die Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei zudem neue LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2424 4 Überziehschutzwesten der Klasse VPAM 6 angeschafft. Die Beschaffung ballistischer Schutzhelme ist ebenfalls initiiert. 4. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung vor, die die Zunahme auch von verbaler Gewalt bzw. Beleidigungen gerade gegen weibliche Beamte (Herkunft, Alter und Geschlecht der Täter, etc…) als deutliche Verrohung der Lage vor Ort identifizieren? In der PKS werden Opfer lediglich bei den Delikten erfasst, die als sogenannte „Opferdelikte“ spezifiziert sind. Der Tatbestand der Beleidigung zählt nicht zu diesen Opferdelikten. 5. Der Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert, „…daß die Gerichte den neuen Straftatbestand, den der Gesetzgeber im vergangenen Jahr für Angriffe auf Vollzugsbeamte geschaffen hat, konsequent anwenden und die Täter zu Haftstrafen verurteilen." Wie viele dieser Fälle sind in Nordrhein-Westfalen anhängig, bislang verhandelt worden und wie sind die Urteile ausgefallen? Wenn vorhanden, bitte mit ausführlichen, statistischen Daten belegen. Die Daten der Strafverfolgungsstatistik für 2017 liegen noch nicht vor. Von Hand vorzunehmende Sonderauswertungen bezüglich derjenigen Ermittlungs- und Strafverfahren, die wegen der am 30. Mai 2017 in Kraft getretenen Neufassungen der §§ 113, 114 des Strafgesetzbuches geführt wurden, sind mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.