LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2461 23.04.2018 Datum des Originals: 19.04.2018/Ausgegeben: 26.04.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 936 vom 29. März 2018 des Abgeordneten Andreas Keith AfD Drucksache 17/2324 Heimat, Heino, Hitlerkult? – Maßgaben der politischen Korrektheit offenlegen! Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 17.03.2018 veranstaltete das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung in Nordrhein-Westfalen einen Heimatkongress. Hierbei überreichte der Schlagersänger Heino, der von Frau Ministerin Ina Scharrenbach als Heimatbotschafter berufen worden war, ihr eine Schallplatte mit Heimat- und Vaterlandsliedern. Dieses 1981 aufgenommene Album enthält unter anderem das Lied „Wenn alle untreu werden“, das im Dritten Reich in das SS-Liederbuch aufgenommen worden war. Der Künstler Heino verwendet jedoch auf seinem Album die Melodie der niederländischen Nationalhymne und nicht die der ursprünglichen Version. In der Öffentlichkeit wurde Kritik an der Übergabe der Schallplatte geäußert. Die nordrhein-westfälische Ministerin Ina Scharrenbach distanzierte sich wenige Tage darauf von diesem Gastgeschenk, jeglicher Verbindung zum Nationalsozialismus und ließ über ihren Sprecher mitteilen, dass die Schallplatte „bei der Übergabe nicht unter dem Aspekt der politischen Korrektheit überprüft worden“ sei.1 Die Geschichte des reflexartig inkriminierten Liedgutes ist bei genauerer Betrachtung allerdings etwas vielschichtiger, als es die ministerialen Verlautbarungen nahelegen. Den Liedtext verfasste 1814 Max von Schenkendorf, einer der bedeutendsten romantischen Literaten, der zu dieser Zeit als preußischer Offizier und Freiwilliger in den Befreiungskriegen gegen Napoleon diente. Das Lied fand weite Verbreitung. So wurde es von den 1 Junge Freiheit (2018): NRW-Heimatministerin distanziert sich von Schallplatte mit Heimatliedern; online im Internet: https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2018/nrw-heimatministerin-distanziertsich -von-schallplatte-mit-heimatliedern/, abgerufen am 27.03.2018. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2461 2 Märzrevolutionären gesungen, die 1848/49 zur ersten Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zusammentraten, die bis heute einer der wichtigsten Gedenkorte deutscher Demokratiegeschichte ist. Während des Dritten Reiches soll Heinrich Böll „Wenn alle untreu werden“ den Nazis zum Trotz gesungen haben.2 Der Schlagersänger Heino sieht sich zu Unrecht in der Kritik und merkt an, dass die Lieder für ihre Instrumentalisierung durch die Nationalsozialisten nicht verantwortlich gemacht werden können.3 Die auf dem Album befindlichen Lieder sind weder verboten noch jugendgefährdend und befinden sich daher z.B. auch nicht auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.4 Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 936 mit Schreiben vom 19. April 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Nach welchem objektivierbaren und transparenten Regelsystem der „politischen Korrektheit“, das Frau Ministerin Scharrenbach konkret bei der Übergabe hier nicht angewendet haben will, beurteilt die Landesregierung denn allgemein Worte, Symbole, Lieder und vergleichbare Sachverhalte? 2. Gegen welche konkreten Regeln dieser „politischen Korrektheit“ verstößt das Lied „Wenn alle untreu werden“ in der Fassung des Albums von 1981 des Künstlers Heino? 3. In welchem Verhältnis steht das Regelungssystem der „politischen Korrektheit“ zur verfassungsmäßigen Meinungsfreiheit und zur Strafrechtsordnung? Die Fragen 1-3 werden zusammen beantwortet: Die Formulierung „Diese sechs Geschenke sind bei der Übergabe nicht unter dem Aspekt der politischen Korrektheit überprüft worden“ ist ein Hinweis darauf, dass bei der Übergabe der insgesamt sechs Tonträger keine Gelegenheit bestand, einzelne Lieder auf ihren Inhalt zu prüfen. „Politische Korrektheit“ wurde in diesem Zusammenhang also als Synonym dafür verwendet, dass die Tonträger nicht kontrolliert wurden. 4. Welche Teile der deutschen Geschichte, Sprache und Kultur böten noch Anknüpfungspunkte für einen politisch korrekten Heimatbegriff? Heimat schließt Menschen ein, weil Heimat Menschen verbindet. Heimat ist kein ausgrenzender Begriff. Maßstab allen Handelns der Landesregierung ist das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen. 2 Rietzschel, Thomas (2018): Gesehen, gelesen, gehört, verpasst: Skandal um Heino; online im Internet: http://www.achgut.com/artikel/gesehen_gelesen_gehoert_verpasst_skandal_um_heino, abgerufen am 27.03.2018. 3 Spiegel (Hrsg.) (2018): "Die Lieder können doch nichts dafür"; online im Internet: http://www.spiegel.de/panorama/leute/heino-ueber-kritik-an-heimatliedern-die-koennen-doch-nichtsdafuer -a-1199503.html, abgerufen am 27.03.2018. 4 Rheinische Post (Hrsg.) (2018): Heino bringt Ministerin mit alter Schallplatte in Erklärungsnot; online im Internet: http://www.rp-online.de/nrw/landespolitik/heino-bringt-ina-scharrenbach-cdu-mit-heimatschallplatte -in-erklaerungsnot-aid-1.7471042, abgerufen am 27.03.2018. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2461 3 5. Welche Voraussetzungen sind zu erfüllen, um von Frau Ministerin Ina Scharrenbach als Heimatbotschafter für Nordrhein-Westfalen ernannt zu werden? Die Frage impliziert, dass es sich bei der Auswahl von Heimatbotschaftern um einen formalen Vorgang einer Ernennung gehandelt habe. Das ist falsch. Viele Persönlichkeiten – fast ausschließlich aus Nordrhein-Westfalen (Kirchenvertreter, Künstler, Musiker, Sportler, Repräsentanten der Wirtschaft u.v.m.) – sind gebeten worden, ihre individuelle Interpretation von Heimat zu schildern, um damit die Vielfalt des Begriffes zu dokumentierten. Ziel war es, ein breites Spektrum von Vertretern aus der Gesellschaft zu präsentieren, um sich inhaltlich mit dem Thema Heimat auseinander setzen zu können.