LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2478 25.04.2018 Datum des Originals: 25.04.2018/Ausgegeben: 30.04.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 909 vom 23. März 2018 der Abgeordneten Verena Schäffer und Wibke Brems BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2257 Höchstspannungsfreileitung durch Herdecker Stadtgebiet Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die von der Firma Amprion geplante Höchstspannungsfreileitung Nr. 19 nach Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) führt im Abschnitt Kruckel-Garenfeld auch über das Herdecker Stadtgebiet. Dort soll die Trasse durch ein Wohngebiet geführt und nur 200 m entfernt von der Grundschule Schraberg gebaut werden. Während nach dem jetzigen Stand des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) auch die Verlegung von Erdkabeln möglich ist, hat die Bundesregierung diese Möglichkeit für den im EnLAG geregelten Netzausbau nur in explizit erwähnten Ausnahmen vorgesehen. Für den Abschnitt Kruckel-Garenfeld ist keine solche Ausnahme im Gesetz erwähnt. Anträge der Opposition im Deutschen Bundestag, die Art des Netzausbaus grundsätzlich zu flexibilisieren, um örtlichen Gegebenheit beachten zu können, wurden abgelehnt. Dass gleichzeitig jedoch auf Drängen des bayrischen Ministerpräsidenten die nun geltenden Möglichkeiten für Erdverkabelungen im NABEG geschaffen wurden, zeigt ein Messen mit zweierlei Maß. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 909 mit Schreiben vom 25. April 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2478 2 Vorbemerkung der Landesregierung Das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) aus dem Jahr 2009 enthält als Vorhaben Nr. 19 den „Neubau Höchstspannungsleitung Kruckel – Dauersberg, Nennspannung 380 kV“, Vorhabenträger ist die Amprion GmbH. Zwischen den Umspannanlagen Kruckel (bei Dortmund) und Dauersberg (Rheinland-Pfalz, Landkreis Altenkirchen) besteht eine 126 km lange Freileitungs-Verbindung auf der 110/220 kV-Ebene, die weitgehend in der bestehenden Trasse auf 380 kV ausgebaut werden soll. Im Zuge dessen soll die Anzahl der Masten verringert, ihre Höhe aber auf 70-80 m verdoppelt werden. Zusammen mit vor- und nachgelagerten Leitungen dient der Leitungszug dem Weitertransport von Windenergie aus dem Norden, daneben steht er im Zusammenhang mit den prognostizierten Veränderungen im konventionellen Kraftwerkspark in der Region östliches Ruhrgebiet/ Westfalen. Ohne dieses Projekt würden Netzengpässe beziehungsweise Netzüberlastungen auf den heute bestehenden Leitungen insbesondere zum östlichen Ruhrgebiet auftreten. Im ersten, rund 11 km langen Teilabschnitt von Kruckel bis zur Umspann-anlage Garenfeld (Stadt Hagen) quert die Trasse von Norden kommend in nordwestlich-südöstlicher Richtung das Gebiet der Stadt Herdecke, unter anderem die Ortslagen Schraberg und Semberg, und erreicht am Hengsteysee das Gebiet der Stadt Hagen. Am Ufer des Hengsteysees befindet sich das Pumpspeicherkraftwerk Koepchenwerk, das über die Leitung an das Hochspannungsnetz angeschlossen ist. Für diesen Teilabschnitt wurde ein Raumordnungsverfahren durchgeführt, in dem die Bezirksregierung Arnsberg (Dezernat 32) mit raumordnerischer Beurteilung vom 19.10.2011 festgestellt hat, dass das geplante Neubauvorhaben mit den Erfordernissen der Raumordnung übereinstimmt, mit anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen abgestimmt und damit raumverträglich ist. 1. Wie wird sich die neue Landesregierung dafür einsetzen, dass es auch für Vorhaben in NRW, gerade für Trassen in dichtbesiedelten Gebieten, die Möglichkeit der Erdkabel gibt? Das EnLAG enthielt ursprünglich vier sog. Erdkabel-Pilotprojekte, d.h. Leitungsbauvorhaben, die zu Erprobungszwecken in technisch und wirtschaftlich effizienten Teilstücken als Erdkabel errichtet und betrieben werden können. Durch das Gesetz zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus 2015 wurden zwei weitere Vorhaben des EnLAG zu Erdkabel-Pilotprojekten, beide befinden sich in Nordrhein-Westfalen. Auch das Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ)-Vorhaben A-Nord (Emden – Osterath), das auf dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) beruht und größtenteils in Nordrhein- Westfalen verlaufen wird, wird aufgrund des erwähnten Änderungsgesetzes vollständig als Erdkabel realisiert werden. Ein möglicherweise durch die Fragestellung entstehender Eindruck, Nordrhein-Westfalen sei hinsichtlich der Verkabelungsoptionen nicht hinreichend bedacht worden, träfe mithin nicht zu. Im Übrigen ist die Vollverkabelung im NABEG nur für HGÜ-Leitungen eröffnet worden; bei Drehstrom-Leitungen sind Erdkabel hingegen nach wie vor nicht Stand der Technik, weshalb es insoweit bei dem beschriebenen Pilotcharakter geblieben ist. Ein in der Einleitung der Kleinen Anfrage behauptetes „Messen mit zweierlei Maß“ findet also gerade nicht statt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2478 3 Abgesehen davon sind Erdverkabelungen insbesondere in den angesprochenen dicht besiedelten Gebieten zumeist mit erheblichen technischen Schwierigkeiten verbunden. So wird für den Bau eines 380 kV-Erdkabel-Anlage mit 2 GW Übertragungskapazität ein Arbeitsstreifen von 35 m Breite benötigt. Selbst wenn ein solcher Korridor gefunden werden kann, ist er oft von anderer Infrastruktur durchzogen, insbesondere mit Kanälen und anderen Rohrleitungen, was die Verlegung von Erdkabeln besonders anspruchsvoll macht. So entstehen Situationen, in denen eine Erdverkabelung zwar wünschenswert wäre, aber mit vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand nicht zu realisieren ist. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass die geplante Stromleitung in Herdecke nahe von Wohnbebauung, teils über bewohnte Häuser, und nah an einer Grundschule geführt werden soll und die damit verbundenen Auswirkungen für die Gesundheit der Betroffenen? 3. Wie unterstützt die Landesregierung die Betroffenen in Herdecke bei ihren Bemühungen zur Reduzierung der Auswirkung der Höchstspannungsleitung? Die Fragen 2 und 3 werden wegen des engen sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Zum Schutz der Bevölkerung vor schädlichen Einwirkungen auf die Gesundheit durch elektromagnetische Felder sind in der 26. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (26. BImSchV) Grenzwerte festgelegt. Die 26. BImSchV legt weiterhin aus Vorsorgegründen fest, dass bei der Errichtung und wesentlicher Änderung von Niederfrequenz- und Gleichstromanlagen die Feldintensität möglichst gering gehalten werden soll. Nähere Regelungen enthält die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchVVwV). Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand werden bei Einhaltung dieser Grenzwerte direkte gesundheitsschädigende Wirkungen durch elektrische und magnetische Felder vermieden. Zum Schutz der Bevölkerung vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche sind die Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) einzuhalten. Die TA Lärm enthält baugebietsspezifische Immissionsrichtwerte (Nr. 6 der TA Lärm), die bei der Errichtung und dem Betrieb der Anlagen einzuhalten sind. Der Vollzug der 26. BImSchV und der 26. BImSchVVwV sowie der TA Lärm liegt bei den Umweltschutzbehörden. Der Nachweis, dass die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten werden, erfolgt durch die Betreiber über entsprechende Messungen und Berechnungen. Die Leitungsführung in Herdecke und ihr Abstand zu umgebender Bebauung ist keine Neuigkeit, weil das Vorhaben in einer bestehenden Trasse realisiert werden soll, in der es heute schon Hochspannungsfreileitungen gibt. Die Landesregierung stellt im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens der Bezirksregierung Arnsberg sicher, dass die für die Errichtung und den Betrieb von Hochspannungsfreileitungen geltenden technischen und rechtlichen Vorgaben, insbesondere die Anforderungen der erwähnten 26. BImSchV und der TA Lärm eingehalten werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2478 4 4. Wie sehen das weitere Verfahren und der Zeitplan für die geplante Höchstspannungsfreileitung Nr. 19 im Abschnitt Kruckel-Garenfeld aus? Das Planfeststellungsverfahren wurde am 29.06.2015 eingeleitet, die öffentliche Auslegung der Unterlagen fand im Sommer 2015, der Erörterungstermin im März 2017 in Witten statt. Nach dem Erörterungstermin wurden zur Anpassung des Leitungsverlaufs an die Bedürfnisse von Privatpersonen, Firmen und Städten mehrere Planänderungen vorgenommen. Insgesamt wurden Beteiligungsverfahren für sieben Planänderungen durchgeführt. Die Stellungnahmen der Behörden zu den Änderungen liegen der Bezirksregierung Arnsberg vor. Die Vorhabenträgerin hat zudem zu 43 Anträgen im Erörterungstermin Stellung genommen. Die Bezirksregierung Arnsberg befindet sich derzeit in der Abwägung aller privaten und öffentlichen Belange. Voraussichtlich kann im Sommer 2018 mit einer Entscheidung gerechnet werden. Die Inbetriebnahme der gesamten Leitung ist für 2023 geplant.