LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2523 03.04.2018 Datum des Originals: 30.04.2018/Ausgegeben: 08.05.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 960 vom 12. April 2028 des Abgeordneten Helmut Seifen AfD Drucksache 17/2360 Welchen Stellenwert hat Deutsch noch als Wissenschaftssprache? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Wissenschaft ist ein vitaler Teil unserer Kultur. Kann eine Nation mit kulturellem Anspruch es zulassen, dass dieser Bereich zunehmend von der Landessprache abgekoppelt wird, dass sich die Neuerungen der Forschung kaum noch in der eigenen Sprache beschreiben lassen? Dieser Thematik hat sich die Hochschulrektorenkonferenz, das Goethe-Institut und der Deutsche Akademische Austauschdienst im Jahr 2011 angenommen und in einer gemeinsamen Erklärung die Notwendigkeit deutlich gemacht, dass Deutsch als Wissenschaftssprache stärker gefördert werden sollte, um einem weiter drohenden Bedeutungsverlust entgegenzutreten. In der Frage des Stellenwertes von Deutsch als Wissenschaftssprache wurde dabei ein grundsätzliches Dilemma ausgemacht, das in der Erklärung folgendermaßen beschrieben wurde: „Eine globale Konzeption der Hochschule als Institution erfordert eine Antwort auf die Frage, wie im akademischen Bereich mit unterschiedlichen Sprachen, insbesondere der Landessprache und dem Englischen, aber auch mit anderen Fremdsprachen umgegangen werden soll. Die Hochschulen stehen hier vor einem Zielkonflikt: Zum einen erfordern exzellente Forschung und Lehre eine breite Verankerung auf internationaler Ebene, zum anderen gilt es, die in der eigenen ausgebauten Wissenschaftssprache angelegten Möglichkeiten weiterzuentwickeln sowie die Kommunizierbarkeit von Forschungsergebnissen in die Gesellschaft sicherzustellen. Auf diese doppelte Herausforderung müssen die Hochschulen eine institutionelle Antwort finden.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2523 2 Auf diese Herausforderung hat die gemeinsame Erklärung der Institute 2011 die folgenden Handlungsempfehlungen ausgesprochen: a) „Die Hochschulen sollen bei Veranstaltungen und deren Vorbereitung eine verstärkte Sensibilität für Sprachenfragen entwickeln. Idealerweise sollen Veranstaltungen in Deutschland und mit deutschsprachigem Publikum auf Deutsch stattfinden, wobei ggf. fachspezifische Unterschiede zu berücksichtigen sind“. b) „Bei Studierenden grundständiger Studiengänge erscheint es sinnvoll, zunächst die Kompetenz im Deutschen zu stärken, um ein sicheres wissenschaftssprachliches Agieren zu ermöglichen. Eine Einführung in den englischsprachigen Wissenschaftsdiskurs kann darauf aufsetzen. Grundständige Lehrveranstaltungen sollten daher in der Regel deutschsprachig sein“. c) „Eine zu ausgeprägte Dominanz des Englischen kann Innovation behindern. Im Antrags- , Begutachtungs- und Berichtswesen sollten daher nicht nur die jeweiligen Traditionen der Fächer und ihre regionalen Bezüge berücksichtigt werden, sondern es sollte auch die Sprache möglichst frei gewählt werden können. Anträge sollen grundsätzlich auch auf Deutsch oder einer anderen verbreiteten Wissenschaftssprache gestellt werden können, auch auf EU-Ebene“. Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 960 mit Schreiben vom 30. April 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie viele Studiengänge wurden zum Wintersemester 2017/18 an Hochschulen und Universitäten Nordrhein-Westfalens angeboten, in denen die Lehrsprache ausschließlich Englisch ist? 2. Wie hat sich die Anzahl rein englischsprachiger Studiengänge in den vergangenen fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen entwickelt? 3. In wie vielen dieser Studiengänge wird der genannten Empfehlung gefolgt, „grundständige Lehrveranstaltungen“ in aller Regel in Deutsch abzuhalten? Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet. Zu den erfragten Daten liegen der Landesregierung keine Zahlen aus einer amtlichen Statistik vor und können innerhalb des für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraums auch nicht erhoben werden. Laut Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz werden an öffentlich-rechtlichen und privaten Hochschulen 280 Studiengänge in Nordrhein-Westfalen angeboten, in denen die Lehrsprache hauptsächlich Englisch ist. Es ist anzumerken, dass die Zählweise durch den Hochschulkompass nicht nach den Vorgaben der amtlichen Hochschulstatistik erfolgt, sondern nach hochschuleigenen Kriterien. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2523 3 4. Werden bei rein englischsprachigen Studiengängen in Nordrhein-Westfalen Gutachten und Anträge in Deutsch verfasst? (Bitte beziffern Sie die Angaben in Prozenten) Der Landesregierung ist nicht bekannt, ob und wie viele Gutachten und Anträge der Hochschulen in Deutsch verfasst werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Sprachwahl durch den Adressaten des Antrags oder den Auftraggeber des Gutachtens in der Regel festgelegt wird. 5. Wie ist nach Ansicht der Landesregierung der Tendenz entgegenzuwirken, dass Neuentdeckungen in der Forschung oder technische Neuentwicklungen immer seltener mit Begriffen der deutschen Sprache benannt werden? Die Sprachwahl der Wissenschaftlerin/des Wissenschaftlers bezüglich ihrer/seiner Publikationen und Lehrveranstaltungen wird von der Wissenschaftsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz geschützt und stellt damit einen wesentlichen Bestandteil der Wissenschaftsfreiheit sowohl des Grundgesetzes als auch der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dar. Die Landesregierung spricht sich – wie auch die Hochschulrektorenkonferenz, das Goethe- Institut und der Deutsche Akademische Austauschdienst - für Mehrsprachigkeit in der Wissenschaft aus.