LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2536 07.05.2018 Datum des Originals: 07.05.2018/Ausgegeben: 11.05.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 953 vom 9. April 2018 der Abgeordneten Arndt Klocke und Horst Becker BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2341 Schwere Verkehrsunfälle mit Beteiligung von LKW Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut Verkehrsunfallstatistik des Innenministeriums NRW sind die Zahlen der Verkehrstoten und Schwerverletzten in NRW erfreulicherweise im letzten Jahr zurückgegangen. Allerdings hat die Zahl der Verkehrsunfälle insgesamt zugenommen. Besonders besorgniserregend ist die Zunahme der Verkehrsunfälle und Verkehrstoten durch LKW, die auf Stauenden auffahren und dort für verheerende Unfälle sorgen. Diese Art der Unfälle ist von 2013 bis Ende 2017 um 44 Prozent angestiegen. Zwar ließe sich die Zahl und Schwere der Unfälle durch technische Lösungen wie Notbremsassistenzsysteme verringern, aber der Einbau dieser Systeme ist erst seit 2015 für Neufahrzeuge verpflichtend, ältere Fahrzeuge haben sie nicht eingebaut. Hinzu kommt, dass sich die Systeme abschalten lassen, was offensichtlich viele LKW-Fahrer auch tun, um mit weniger Abstand in der Kolonne fahren zu können. Der damalige Bundesverkehrsminister Dobrindt hat einen Vorschlag unterbreitet, die Abschaltung der Notbremssysteme ab einer Geschwindigkeit von 30 km/h nicht mehr zuzulassen. Auch wenn Fachleute diese Grenze für immer noch zu hoch halten, könnte dies eine erste Verbesserung darstellen. Angesichts der Schwere dieser Unfälle wäre auch ein ähnliches Verfahren denkbar, wie beim Verbot besonders lauter Güterwaggons durch das Schienenlärmschutzgesetz. Dort ist auch für ausländische Waggons sichergestellt, dass ab Anfang 2021 alle Waggons, die das deutsche Streckennetz befahren wollen, lärmmindernd mit Bremsen aus Verbundwerkstoffen ausgestattet sein müssen. Durch frühzeitige Anzeige bei der EU und eine hinreichende Übergangszeit ist dies auch EU-kompatibel. Ein ähnliches Vorgehen wäre auch denkbar, um das Befahren deutsche Autobahnen für solche LKW zu verbieten, bei denen nicht nachweislich ein nicht abschaltbares Notbremssystem vorhanden ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2536 2 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 953 mit Schreiben vom 7. Mai 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Verkehr beantwortet. 1. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um Verkehrsunfälle mit LKW- Beteiligung zu reduzieren? Im Dezember 2017 wurde die Fachstrategie Verkehrsunfallbekämpfung der Polizei Nordrhein- Westfalen fortgeschrieben und beinhaltet nunmehr u.a. die Reduzierung der Verkehrsunfälle mit Personenschaden im gewerblichen Personen- und Güterverkehr durch eine verstärkte und intensive Überwachung. Exemplarisch sind die „BAO Schwer“ des PP Düsseldorf oder die in unregelmäßigen Abständen durchgeführten Schwerpunktaktionswochen anzuführen. Bevorzugt werden die Maßnahmen durch Beamte des Verkehrsdienstes aller Kreispolizeibehörden in Nordrhein-Westfalen, durch den Wachdienst der Autobahnpolizei und durch den dafür spezialisierten Verkehrsdienst der Autobahnpolizei getroffen. Die Fortbildung der Beamtinnen und Beamten wird gleichzeitig intensiviert und an die steigenden Herausforderungen angepasst. Die technische Weiterentwicklung und Ausstattung der Polizei wird verbessert. Um die Erfordernisse zu weitergehenden Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen umzusetzen, wurden im Januar 2018 vier weitere für diesen Einsatzzweck bestimmte eigens ausgestatte Transporter (zul. Gesamtmasse von 4,6 t) sog. Prüfkraftwagen, erworben. Zudem wurde und wird Technik zum Nachweis technischer Manipulationen beschafft. Neben der o.g. technischen Unterstützung sollen ebenso durch den Einsatz von Regierungsbeschäftigten sowie personalneutraler Messtechnik personelle Ressourcen freigesetzt und für die in Rede stehenden Aufgaben verwandt werden. Der Einsatz von Regierungsbeschäftigen mit technischer Berufsausbildung, die unmittelbar für die Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen eingesetzt werden können, wird derzeit geprüft. Um eine sachgerechte Personen- und Fahrzeugkontrolle unter Berücksichtigung der Eigensicherung sowie der Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten, wird die Einrichtung von dauerhaft angelegten LKW-Kontrollplätzen an Autobahnen geprüft. Die Einrichtung solcher Kontrollflächen würde zudem den Kapazitäts- und Platzengpässen auf Raststätten zum Zweck polizeilicher Kontrollmaßnahmen Rechnung tragen. 2. Wird bei LKW-Kontrollen durch die Polizei auch festgestellt, ob die Notbremsassistenzsysteme abgeschaltet werden? Die Polizei überprüft bei Kontrollen den ordnungsgemäßen Zustand des Fahrzeugs sowie des Fahrzeugführers. Die Abschaltung des Notbremsassistenzsystems stellt bislang keinen Verstoß dar. Mit der o.g. Technik zum Nachweis technischer Manipulationen kann die Polizei überprüfen, in wie weit Fahrassistenzsysteme wie bspw. das Notbremsassistenzsystem eingeschaltet wurde. 3. Wie setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass diese Systeme in Zukunft nicht mehr abgeschaltet werden können? Die Landesregierung fordert eine europaweite Verschärfung der Vorgaben für sog. Notbremsassistenten. Sowohl der Bundesrat als auch die Verkehrsministerkonferenz haben sich dafür ausgesprochen, dass Notbremssysteme ab Fahrtantritt permanent aktiv sein sollen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2536 3 und die Verpflichtung zur Nutzung der Systeme verbindlich geregelt wird. Die Landesregierung begrüßt es deshalb, dass die Bundesregierung bereits in der zuständigen Arbeitsgruppe der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) die Initiative ergriffen und einen Vorschlag erarbeitet hat, wonach die Abschaltbarkeit von Notbremsassistenzsystemen ab einer Geschwindigkeit von 30 km/h nicht mehr zulässig sein soll. Ebenso begrüßt es die Landesregierung, dass die Europäische Kommission der Bundesregierung ihre Unterstützung bei der Anpassung der technischen Anforderungen an Notbremsassistenzsysteme hinsichtlich ihrer Abschaltbarkeit zugesagt hat. Eine gesamteuropäische Einigung ist hierbei die einzig sinnvolle Lösung. 4. Sieht die Landesregierung die Möglichkeit, durch eine Bundesratsinitiative zu erreichen, dass nach einer Übergangszeit von maximal vier Jahren auf bundesdeutschen Straßen nur noch solche LKW fahren dürfen, bei denen nachweislich ein nicht abschaltbares Notbremssystem vorhanden ist? Die Landesregierung sieht diese Möglichkeit nicht. Für eine wirksame Regelung sind internationale Rechtsänderungen notwendig, denn die Fahrzeugtypgenehmigungen für LKW in Deutschland werden nach den EU-Typgenehmigungsvorschriften (Rahmenrichtlinie 2007/46/EG) erteilt, die u.a. auf Regelungen der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) verweisen. Technische Anforderungen aus einem nationalen Gesetz finden daher für typgenehmigte Lastkraftwagen keine Anwendung. Insofern kann ein nationaler Gesetzentwurf das Problem nicht lösen. Zudem würde – mit Blick auf im Ausland zugelassene Fahrzeuge - eine derartige Regelung den grundlegenden Vorschriften des Wiener Übereinkommens widersprechen, wonach Fahrzeuge, die in anderen Staaten nach den dort geltenden Vorschriften zugelassen sind, vorübergehend in Deutschland am Verkehr teilnehmen dürfen. 5. Welche weiteren Möglichkeiten sieht die Landesregierung, Unfälle unter LKW- Beteiligung auch mit älteren Fahrzeugen zukünftig wirkungsvoller zu vermeiden? Um u.a. auch dieses Ziel künftig besser erreichen zu können, wurde die Richtlinie 2014/47/EU vom 3. April 2014 über die technische Unterwegskontrolle der Verkehrs- und Betriebssicherheit von Nutzfahrzeugen, die in der Union am Straßenverkehr teilnehmen, erlassen. Sie entwickelt das geltende System für technische Unterwegskontrollen fort und aktualisiert die technischen Anforderungen der Richtlinie 2000/30/EG. Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union wenden die Vorschriften ab dem 20. Mai 2018 an. Die Polizei Nordrhein- Westfalen wird die Vorschriften konsequent umsetzen.