LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2537 07.05.2018 Datum des Originals: 04.05.2018/Ausgegeben: 11.05.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 920 vom 4. April 2018 des Abgeordneten Mehrdad Mostofizadeh BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2287 Kommunale Kassenkredite in NRW um 3 Mrd. Euro gesunken? In der Statistik „Vorläufiger Schuldenstand der Gemeinden/Gemeindeverbände“ zum 31.12.2017 meldet das statistische Bundesamt eine „erfreuliche“ Abnahme der nordrheinwestfälischen kommunalen Kassenkredite gegenüber dem 31.12.2016 um knapp 3 Mrd. Euro, von 26,5 auf 23,6 Mrd. Euro bzw. um minus 11%! Vorausgegangen ist im November 2017 eine bundesweite Anweisung des statistischen Bundesamtes an die kommunalen Kämmereien, Schuldscheindarlehen unabhängig von ihrem Zweck (Liquiditätssicherung oder Investition) unter der Schuldart „Wertpapierschulden“ und nicht unter „Kassenkredite“ zu erfassen (Erläuterungen zu den Kassenkrediten im Fragebogen „Schulden der kommunalen Haushalte am 31.12.2017“ (GF-Fragebogen)). Im Ergebnis führt dies zu einer Erfassung als Investitionskredite. Entsprechend sinken auch bundesweit die kommunalen Kassenkredite um 4,4 Mrd. Euro oder minus 9,4%! Bereits zuvor wurden Anleihen – auch wenn sie ausdrücklich zur Liquiditätssicherung aufgenommen wurden – als Investitionskredite erfasst. Inzwischen ist vorgesehen, für 2017 einen „davon-Vermerk“ anzubringen, der dann zumindest dem Nutzer (!) die korrekte Zuordnung zu „Kassenkrediten“ ermöglicht (aber natürlich immer noch Fehlinterpretationen Tür und Tor öffnet). Es ist offenbar nicht vorgesehen, die Zahlen rückwirkend auch für 2016 zu korrigieren. Bezüglich der Schuldscheindarlehen ist vorgesehen, im Laufe des Jahres 2018 eine Korrektur für die Zahlen 2017 vorzunehmen. Bis dahin bleiben die falschen Zahlen aber in der Welt. In NRW werden zum 31.12.2016 rd. 1 Mrd. Euro an kommunalen Anleihen und rd. 0,7 Mrd. Euro an kommunalen Schuldscheindarlehen ausgewiesen – es handelt sich also um quantitativ sehr bedeutsame Positionen, die nach Einschätzungen aus der Praxis überwiegend LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2537 2 zu Zwecken der Liquiditätssicherung aufgenommen wurden und daher korrekterweise dem Kassenkredit-Portfolio hinzugerechnet werden müssten. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 920 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Im Rahmen der Statistik über die öffentlichen Schulden (Schuldenstatistik) werden die Verbindlichkeiten der öffentlichen Haushalte (Bund, Länder, Kommunen, Sozialversicherungen) jährlich auf der Grundlage bundesrechtlicher Vorgaben erhoben. Rechtsgrundlagen sind das Finanz- und Personalstatistikgesetz in Verbindung mit dem Bundesstatistikgesetz. Die Erhebung wird von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder nach bundesweit einheitlichen Maßstäben durchgeführt. Bei der Meldung sind die Verbindlichkeiten von den Berichtsstellen nach Schuldarten differenziert anzugeben. Neben den sogenannten weiteren Verpflichtungen (z.B. Bürgschaften, kreditähnliche Rechtsgeschäfte) handelt es sich hierbei um Kassenkredite, Wertpapierschulden (z.B. Anleihen) sowie Kredite, die der Finanzierung von Investitionen dienen (abweichend von der Terminologie der Schuldenstatistik, die nur den Begriff der „Kredite“ kennt, werden diese aus Gründen der Verständlichkeit nachfolgend als „Investitionskredite“ bezeichnet). Bereits nach den bis zum Berichtsjahr 2016 einschlägigen „methodischen Erläuterungen“ des Statistischen Bundesamtes waren Schuldscheindarlehen ausschließlich bei den Investitionskrediten zu erfassen. Im Zuge der Datenerhebung für die Schuldenstatistik 2017 hat das Statistische Bundesamt die methodischen Erläuterungen zum Erhebungsbogen angepasst. Anders als bisher wurde nun nicht nur bei den Investitionskrediten, sondern auch bei den Kassenkrediten darauf hingewiesen, dass Schuldscheindarlehen bei den Investitionskrediten zu melden sind. Hierbei handelte es sich lediglich um eine Klarstellung, nicht um eine statistische Neuzuordnung der Schuldscheindarlehen. Durch diese Klarstellung ist jedoch aufgefallen, dass einige Kommunen diese methodische Vorgabe bislang übersehen und die Schuldscheindarlehen bei den Kassenkrediten erfasst haben, sofern diese der Liquiditätssicherung dienten. Aufgrund zahlreicher Nachfragen von kommunaler Seite hat das Statistische Bundesamt im ersten Quartal 2018 mitgeteilt, dass Schuldscheindarlehen im Berichtsjahr 2017, anders als in den methodischen Hinweisen bislang vorgegeben, im Falle einer nicht-investiven Verwendung nun doch bei den Kassenkrediten ausgewiesen werden dürfen. Die betroffenen Kommunen sollen den statistischen Landesämtern entsprechende Korrekturmeldungen zukommen lassen. Da die Erhebung der Schuldenstatistik 2017 noch andauert, können die geänderten Werte dann direkt bei der Ergebniserstellung berücksichtigt werden. Eine nachträgliche Ergebniskorrektur im Laufe des Jahres 2018 ist daher voraussichtlich nicht erforderlich. Mit der Erweiterung der statistischen Zuordnungsmöglichkeiten bei den kommunalen Schuldscheindarlehen hat das Statistische Bundesamt auf die geänderte finanzwirtschaftliche Realität in den Gemeinden und Gemeindeverbänden reagiert: Die einzelnen Schuldarten spiegelten ursprünglich auch die mit der jeweiligen Schuldart typischerweise verbundenen Verwendungszwecke (Finanzierung von Investitionen oder Sicherstellung der Liquidität) zutreffend wider. Mittlerweile nehmen zahlreiche Kommunen jedoch auch Schuldscheindarlehen und Wertpapierschulden (z.B. Anleihen) zur Sicherung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2537 3 ihrer Liquidität auf. Die Ergänzung der - bislang vorwiegend nach dem Gläubigerprinzip erfolgten - statistischen Zuordnung um Informationen zur Verwendung der Verbindlichkeiten wirkt sich daher positiv auf die Aussagekraft der Schuldenstatistik aus. Aus demselben Grund wurde im Rahmen der Schuldenstatistik 2017 auch bei der Erfassung der kommunalen Wertpapierschulden (u.a. Anleihen) eine Änderung vorgenommen: Der Erhebungsbogen wurde um die Unterposition „zur Liquiditätssicherung aufgenommen“ ergänzt und lässt nun somit für das Gesamtvolumen der Wertpapierschulden eine Aussage hinsichtlich der Mittelverwendung zu. Hinsichtlich der Behandlung der Schuldscheindarlehen ist zwischen der vierteljährlichen Statistik zum vorläufigen Schuldenstand und der jährlichen Schuldenstatistik zu differenzieren: Die Mitteilung des Statistischen Bundesamtes, die für Liquiditätszwecke aufgenommenen Schuldscheindarlehen bei den Kassenkrediten zu erfassen, bezieht sich ausschließlich auf die jährliche Schuldenstatistik 2017. In der Statistik zum vorläufigen Schuldenstand der Gemeinden und Gemeindeverbände werden die Verbindlichkeiten in einer anderen Untergliederung erhoben als bei der jährlichen Schuldenstatistik. Daher ist zwar der Schuldenstand insgesamt zwischen beiden Erhebungen vergleichbar, doch die einzelnen Unterpositionen sind dies nur eingeschränkt. Da es hinsichtlich der Erfassung der Schuldscheindarlehen in der Statistik zum vorläufigen Schuldenstand im Berichtsjahr 2017 keine methodischen Anpassungen gegeben hat, liegen bislang keine statistisch gesicherten Erkenntnisse darüber vor, ob und gegebenenfalls zu welchem Teil der mit der Statistik zum vorläufigen Schuldenstand gemeldete Rückgang der kommunalen Liquiditätskredite in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2017 auf eine geänderte statistische Zuordnung der Schuldscheindarlehen zurückzuführen ist. 1. Wie hoch sind die kommunalen Kassenkredite in NRW in Summe jeweils zum Jahresende 2014, 2015, 2016 und 2017, wenn die zu Zwecken der Liquiditätssicherung aufgenommenen Anleihen und Schuldscheindarlehen richtigerweise den Kassenkrediten zugeordnet werden? 2. Hält es die Landesregierung für irreführend, wenn eine Position mit der Überschrift „Kassenkredite“ benannt ist, obwohl sie gar nicht die Summe der Kassenkredite zeigt? 3. Hält es die Landesregierung für angemessen, dass sich die Nutzer statistischer Daten relevante Informationen, hier die Höhe der kommunalen Kassenkredite zur Beurteilung der kommunalen Finanznot, aus verschiedenen Positionen „zusammensuchen“ müssen? 4. Wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass das statistische Bundesamt zukünftig unter der Rubrik „Kassenkredite“ auch die korrekte Summe erfasst und nicht nur einen Teil des Problems? 5. Wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, die fehlerhaft zugeordneten Anleihen auch für die Jahre 2015 und 2016 zu korrigieren? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 bis 5 zusammen beantwortet. Die Landesregierung hat ein großes Interesse daran, dass die Schuldenstatistik ein möglichst exaktes Abbild der finanzwirtschaftlichen Realität in den Gemeinden und Gemeindeverbänden darstellt. Die in der Vorbemerkung erläuterten Erweiterungen der Schuldenstatistik, die das Statistische Bundesamt im Hinblick auf die Zuordnung der Schuldscheindarlehen und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2537 4 Wertpapierschulden vorgenommen hat, werden daher ausdrücklich befürwortet. Sie werden ab dem Berichtsjahr 2017 eine vollständige Erfassung der nicht-investiv genutzten kommunalen Verbindlichkeiten ermöglichen. Wie in der Vorbemerkung erläutert wurde, dauert die Erhebung zur Schuldenstatistik 2017 noch an. Endgültige Zahlen zur Verschuldung der Kommunen im Jahr 2017 liegen aus diesem Grund derzeit noch nicht vor. Für die Berichtsjahre 2014 bis 2016 ist eine vollständige Darstellung der nicht-investiv genutzten kommunalen Verbindlichkeiten nicht mehr möglich, da die hierfür erforderlichen Informationen im Rahmen der Schuldenstatistik in den genannten Berichtsjahren noch nicht erhoben wurden. Die in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Volumina der kommunalen Liquiditätskredite an den Stichtagen 31.12.2014, 31.12.2015 und 31.12.2016 bilden den Umfang der von den Gemeinden und Gemeindeverbänden in Nordrhein-Westfalen zur Sicherstellung ihrer Liquidität insgesamt aufgenommenen Verbindlichkeiten daher bislang nicht vollständig ab. Tabelle Aggregierte Liquiditätskredite der kommunalen Kernhaushalte in Nordrhein-Westfalen in Mrd. Euro Stichtag Liquiditätskredite statistische Quelle 31.12.2014 26,399 Jährliche Schuldenstatistik 31.12.2015 26,369 Jährliche Schuldenstatistik 31.12.2016 26,304 Jährliche Schuldenstatistik 31.12.2017 Erhebung dauert an Jährliche Schuldenstatistik Quelle: IT.NRW