LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/2627 16.05.2018 Datum des Originals: 14.05.2018/Ausgegeben: 22.05.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 971 vom 13. April 2018 des Abgeordneten Alexander Vogt SPD Drucksache 17/2379 Hat die Landesregierung die Aktivitäten gegen Hate Speech im Netz eingestellt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage 91 Prozent der 14- bis 24-Jährigen sind laut einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2016 im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW schon einmal mit Hassbotschaften im Netz konfrontiert worden. Online Hate Speech reicht von gezielten Halbwahrheiten über Mobbing und Beleidigung bis hin zu extremistischer Propaganda und Volksverhetzung. Um der illegalen Hassverbreitung im Netz entgegenzuwirken, hat die EU gemeinsam mit Facebook, Google, Twitter und Microsoft im Jahr 2016 einen Verhaltenskodex auf den Weg gebracht, dessen Umsetzung sie seitdem regelmäßig evaluiert. Die im Januar 2018 veröffentlichten Ergebnisse zeigen einen positiven Trend: Mittlerweile werden 70 Prozent der angezeigten Hassbotschaften von den Unternehmen gelöscht. Zuletzt hat die Europäische Kommission am 1. März 2018 Empfehlungen veröffentlicht, wie Mitgliedsstaaten und Unternehmen gegen illegale Inhalte im Netz vorgehen können. In Deutschland ist am 1. Januar 2018 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in Kraft getreten. Die Anbieter sozialer Netzwerke sind seitdem verpflichtet, "offensichtlich rechtswidrige Inhalte" innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde zu entfernen oder zu sperren sowie nicht offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von sieben Tagen. Kommen die Betreiber ihren Pflichten systematisch nicht nach, drohen Bußgelder in Millionenhöhe. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2627 2 Auch ein so großes Bundesland wie Nordrhein-Westfalen muss sich dem Problem annehmen. Diese Verantwortung hatte die damalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft erkannt und beim Medienforum NRW 2016 Verantwortliche von Unternehmen, Politik und der Zivilgesellschaft aufgefordert, einen Netzkodex zu entwickeln. Seitdem arbeitete eine „Initiative Netzkodex“ aus zahlreichen relevanten Akteuren aus Nordrhein-Westfalen daran, sinnvolle Normen und Regeln zusammenzufassen, Zuständigkeiten transparenter zu gestalten und die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Aufsichtsbehörden sowie die Kommunikation zwischen Betroffenen und Behörden zu optimieren. In ihrem Koalitionsvertrag erheben CDU und FDP zwar den Anspruch, Hass im Internet wirksamer zu ahnden (vgl. S. 63), und nimmt Soziale Netzwerke in die Pflicht (vgl. S. 93), allerdings wird der Netzkodex mit keinem Wort erwähnt. Der Ministerpräsident hat die Kleine Anfrage 971 mit Schreiben vom 14. Mai 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, dem Minister der Justiz und dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet. 1. Welche Relevanz hat die Thematik illegaler Hassverbreitung im Netz für die schwarz-gelbe Landesregierung (bitte mit Auflistung etwaiger Maßnahmen)? Die Bekämpfung illegaler Hassverbreitung im Netz ist für die Landesregierung von hoher Relevanz. Die Bekämpfung von Hasspostings und „Hate Speech“ gehört zu den Schwerpunkten des polizeilichen Handelns in Nordrhein-Westfalen, insbesondere im Rahmen der Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität-Rechts (PMK-Rechts). Am 25. Oktober 2015 wurde im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) das Projekt „Taskforce zur Bekämpfung der rechten Internethetze“ initiiert. Im Rahmen dieses Projektes wurden bis zum 30. April 2016 - in enger Zusammenarbeit mit der Zentralen Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) der Staatsanwaltschaft Köln - 192 Strafverfahren eingeleitet. Es konnten 90 Delikte geklärt und 78 Tatverdächtige ermittelt werden. Das Projekt wurde mit Wirkung vom 12. Mai 2016 in die Alltagsorganisation des LKA NRW überführt. Die besondere Bedeutung, die die Landesregierung einer effektiven Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet beimisst, zeigt sich darüber hinaus z.B. in der personellen Stärkung der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW). Bei der ZAC NRW sind mit dem Haushalt 2018 insgesamt 26 neue Stellen eingerichtet worden, davon 20 Stellen im staatsanwaltschaftlichen Bereich, u. a. mit Blick auf das Projekt „Verfolgen statt nur Löschen“ (siehe dazu die Antwort auf die Fragen 2 und 3). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2627 3 2. Ist die „Initiative Netzkodex“ auf Landesebene auch unter der aktuellen Landesregierung weiterhin existent? 3. Wenn die „Initiative Netzkodex“ nicht mehr weitergeführt wird: Wie lautet die Begründung dafür? Die Fragen 2. und 3. werden im Folgenden zusammen beantwortet. Die „Initiative Netzkodex“ wurde von der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen übernommen und zum Projekt „Verfolgen statt nur Löschen“ weiterentwickelt. Der aktuelle Sachstand des Projektes wurde von der LfM übermittelt und ist als Anlage beigefügt. 4. Welche konkreten weiteren Schritte plant die Landesregierung im Kampf gegen Online Hate Speech für Nordrhein-Westfalen? Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen verfolgt Hasspostings im Internet konsequent. Hierzu beteiligt sie sich in diesem Jahr bereits zum dritten Mal an dem durch das Bundeskriminalamt initiierten bundesweiten Aktionstag zur Bekämpfung von Hasspostings im Internet. Ein weiterer Aktionstag im Rahmen des Projektes „Verfolgen statt nur Löschen“ ist für 2018 geplant. Im Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) wurde zum 1. Januar 2017 die Einrichtung des Themenfelds „Hassposting“ veranlasst. Durch die Einführung dieses Themenfeldes steht ein Analyse- und Auswertewerkzeug zur Verfügung, das zukünftig die Bekämpfung des Phänomens erleichtert. Im Rahmen des Projekts „Verfolgen statt nur Löschen“ wird eine Fallsammlung erstellt, die für die Projektbeteiligten und andere betroffene Akteure Anhaltspunkte für die Bewertung möglicherweise strafrechtlich relevanter Äußerungen sein wird. Darüber hinaus ist im Koalitionsvertrag das Ziel verankert, die Medienethik noch stärker ins Zentrum öffentlicher Debatten zu rücken, damit soziale Medien zum gesellschaftlichen Fortschritt und zur demokratischen Meinungsbildung beitragen. Hierzu hat die Landesregierung bereits einen intensiven Austausch mit den Partnern angestoßen, die in diesem Bereich bereits aktiv sind, wie der LfM, dem Grimme-Institut, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie der Wissenschaft. Außerdem erfolgen Maßnahmen im Bereich der Förderung von Medienkompetenz. Entsprechende Projekte hat die Landesregierung beispielsweise für den Bereich der Jugendhilfe aufgelegt und entwickelt diese stetig weiter. So bieten Jugendämter und freie Träger der Jugendhilfe vor Ort Angebote der Medienkompetenzförderung und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes an, um pädagogische Fachkräfte für einen differenzierten Umgang mit neuen medialen Trends wie etwa Hate Speech zu befähigen sowie junge Menschen und ihre Eltern über Gefährdungen und Risiken aufzuklären. Ein zentraler Akteur in diesem Feld ist die aus dem Kinder- und Jugendförderplan NRW institutionell geförderte Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NRW (AJS). Ein Top-Event im Bereich der Förderung von Medienkompetenz ist der am 5. November 2018 erneut stattfindende „Tag der Medienkompetenz“ mit dem Thema „Was steckt dahinter? – Medienbildung in Zeiten von Fake News, Verschwörungstheorien und Algorithmen“, der gemeinsam von der Landesregierung und dem Landtag Nordrhein-Westfalen ausgerichtet wird. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/2627 4 5. Hält die Landesregierung die im Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vorgesehenen Maßnahmen für richtig und deren – auf den ersten Erfahrungen beruhende – Weiterentwicklung für sinnvoll? Eine gründliche Evaluierung des NetzDG ist so zeitnah wie möglich geboten. Hierfür wird sich die Landesregierung mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln einsetzen.